Hinteregger gibt sein letztes Hemd
Der Innenverteidiger steht nach seiner Sperre gegen Köln wieder in der Startelf. Er will über die sportliche Krise nicht groß sprechen, sondern mit Taten überzeugen
Nein, im Abstiegskampf hat Martin Hinteregger keine Erfahrung. Wer bisher in Österreich beim Klassenprimus RB Salzburg unter Vertrag stand, hatte andere Ziele. Die Millionen des Brauseherstellers Red Bull verliehen auch den Fußball-Profis aus der Mozartstadt Flügel. Vier Mal gewann Hinteregger mit Red Bull die Meisterschaft, vier Mal den Pokal.
Dass der 24-Jährige nach seinem Wechsel Ende August zum FC Augsburg jetzt nach nicht einmal neun Monaten die harte Realität im Keller der Bundesliga zu spüren bekommt, macht ihm aber nichts aus. So ist sein Erfolgsrezept vor dem wichtigen Heimspiel am heutigen Samstag (15.30 Uhr) gegen den 1. FC Köln relativ simpel: „Im Endeffekt geht es nur um Fußball. Egal ob im Abstiegskampf oder im Spiel um die Meisterschaft. Es geht in den 90 Minuten darum, dass man das durchbringt, was man durchbringen will.“Es geht also darum, dem Gegner sein Spiel aufzuzwingen, sich nicht vom eigenen taktischen Konzept abbringen zu lassen, mehr Willen zu zeigen als die Konkurrenten. Dem FCA ist dies zuletzt kaum noch gelungen.
Dabei schienen bis zur ersten englischen Woche nach der Winterpause die Augsburger den direkten Abstiegskampf hinter sich gelassen zu haben. Zehn Punkte betrug das Polster auf den vorletzten FC Ingolstadt. Eigentlich ein beruhigender Vorsprung, der nach drei Niederlagen innerhalb von einer Woche wie Schnee in der Aprilsonne zusammengeschmolzen ist. Ein Pünktchen beträgt nur noch der Abstand auf den Tabellen-17. Ingolstadt, auf den ersten direkten Abstiegsplatz.
Zweimal hat Hinteregger dabei gefehlt. Beim 0:6 gegen die Bayern wurde er geschont, beim 0:2 in Berlin war er Gelb-gesperrt. Beim dazwischen eingebetteten 2:3 gegen den FC Ingolstadt war der Österreicher zwar auch schlecht, doch eins kann man dem Kärntner nicht vorwerfen: mangelnden Kampf und Einsatz.
Diese Tugenden scheinen bei einigen seiner Mitspieler zuletzt aber zumindest phasenweise abhanden gekommen zu sein. Darum wurde zuletzt viel gesprochen. Für Hinteregger fast schon zu viel: „Ich bin kein Freund von großen Worten. Jeder weiß, worauf es ankommt. Wir müssen uns jetzt den Arsch aufreißen. Das ist das Einzige, was jetzt zählt.“
Der FCA braucht jetzt solche Typen, die sich keine großen Gedanken darüber machen, was passiert. Die in der Kabine nicht groß aufsprechen, dafür auf dem Platz ihr letztes Hemd für den Verein geben.
Hinteregger ist auch keiner, der im Abstiegskampf einen Mentaltrainer braucht. „Hör mir damit auf, ich habe Freunde, wenn ich mal über etwas reden will.“Er weiß auch ohne psychologische Hilfe, dass er und seine Kollegen gegen Köln anders auftreten müssen als zuletzt. Er wird sich nach seiner Gelb-Sperre wieder um Kölns Torjäger Anthony Modeste kümmern müssen. Im Hinspiel gelang das optimal. Endstand: 0:0.
Ein Unentschieden wäre heute fast zu wenig. Dem FCA nützt eigentlich nur ein Sieg. Der Druck ist enorm. An Hinteregger scheint das alles abzuperlen. „Wenn wir das Spiel gewinnen, haben wir ein Spiel gewonnen. Wenn wir alle sechs Spiele gewinnen, steigen wir wahrscheinlich nicht ab“, sagt er trocken.
Der leidenschaftliche Jäger wirkt abgebrüht. Doch Hinteregger hat ein gutes Gespür für die Situation. Ihm ist klar, dass sein Team in der Bringschuld ist, besonders den eigenen Fans gegenüber. Die stehen (noch) hinter den Spielern. Wie schon gegen Ingolstadt ist gegen Köln der Heimbereich ausverkauft. Hinteregger baut auf die Unterstützung: „Wenn wir 90 Minuten unser Spiel durchziehen und damit unsere Fans mitnehmen, wird es ein Gänsehautspiel.“
Nur einmal wird Hinteregger nachdenklich. Als er zum Bombenattentat auf den Dortmunder Spielerbus gefragt wird, sagt er: „Es ist schwer, etwas dazu zu sagen, wenn man es selber nicht erlebt hat, wenn du im Bus sitzt und es explodiert um dich herum.“Er hofft, sagt er dann ernst, „dass alles gut geht die nächsten Wochen.“Und damit meint er nicht die sportliche Situation.