Der Mythos hat noch Startschwierigkeiten
Wieder hat in der Formel 1 Sebastian Vettel im Ferrari gesiegt. Der erste Freizeitpark des knallroten Kult-Herstellers kommt also gerade Recht zur Renaissance. Bei der Eröffnung aber hakt es aber noch im Getriebe
Aus den Boxen dröhnt das satte Brummen eines Ferrari-Motors, Glitter-Kanonen blasen kiloweise rot-goldenes Konfetti über die Zuschauer, ein Dutzend Tänzer simuliert zu harten Rockklängen im Gleichschritt die Dynamik eines Sportwagens. Italiens Edel-Autoschmiede Ferrari lässt bei der Eröffnung seiner neuen Erlebniswelt in Spanien keinen Zweifel an der eigenen Großartigkeit aufkommen. Der Sohn des Firmengründers Enzo Ferrari, Pierro Ferrari, preist die Genialität des Vaters und den Mythos, der seine Marke umgibt – und der sich in dem neuen Freizeitpark in der Nähe von Barcelona widerspiegeln soll. Die Vision und die technische Finesse sind im FerrariLand durchaus erkennbar. Bei der Umsetzung hapert es zur Eröffnung allerdings noch an vielen Stellen.
Nirgends wird das deutlicher, als bei der alles überragenden Attraktion des Parks: „Red Force“nennt sich dieser Traum jedes Achterbahnliebhabers. Sie ist die schnellste und höchste Bahn ihrer Art in Europa. In Formel-1-Rennwagen nachempfundenen Zügen werden die Fahrgäste auf den Schienen auf bis zu 180 Stundenkilometer beschleunigt, sausen senkrecht einen 112 Meter hohen Bogen hinauf und auf der anderen Seite wieder herunter. Dabei haben die Entwickler auf einen Schulterbügel verzichtet, die Passagiere werden mit einem Bügel an der Hüfte im Sitz gehalten. „Das vermittelt einem das Gefühl von Freiheit“, sagt der Technische Direktor des Parks, Luis Valencia.
Der Faszination Sportwagen kommt der Nicht-Ferrari-Besitzer hier so nahe wie nirgends sonst: Der Zug rollt langsam an. Magnetfelder am Schienenstrang beschleunigen die Bahn immer stärker. Kraftvoll, als träte ein unsichtbarer Fahrer voll aufs Gas, aber trotzdem geschmeidig ohne jedes Ruckeln jagt das Gefährt auf das rote umgedrehte U des Bogens zu. Auf dem Weg nach oben fühlt sich der Fahrgast leicht, fast schwerelos. Der Wagen macht auf der Hälfte des Aufstiegs eine Vierteldrehung und kommt in gemütlichem Tempo auf der Spitze an. So gemütlich, dass Zeit bleibt für einen Blick auf die schillernde Oberfläche des Mittelmeers in etwa zehn Kilometern Entfernung.
Dieser Moment der Ruhe hält nur für ein, zwei Sekunden an, dann rast man wieder 112 Meter senkrecht nach unten, beim Übergang zurück in die Horizontale drückt das Vierfache des Körpergewichts auf den Fahrgast. Dann bremsen weitere Magnetfelder den Schlitten wieder herunter. Ein besonderes Leckerli für Freunde des Adrenalin-Kicks haben die Ingenieure auch noch eingebaut: Bei stärkerem Gegenwind schafft der Wagen den letzten Meter über die Spitze nicht und saust stattdessen rückwärts zurück zum Ausgangspunkt: „Das ist aber kein Problem: Die Magnete, die für die Beschleunigung beim Start zuständig sind, funktionieren dann auch als Bremse“, sagt Luis Valencia.
Die Fahrt ist ein Sprint von 30 Sekunden, aber ein eindrucksvoller. Das findet auch Marc Gene, ehemaliger spanischer Formel1-Pilot und derzeit Ferrari-Testfahrer: „Die Beschleunigung entspricht dem eines Formel-1-Autos. Auch die Kräfte, die auf den Körper wirken, entsprechen denen in einem Rennwagen.“
Mit dem Park und der großen Achterbahn will Ferrari seinen Fans in Europa einen zweiten Anziehungspunkt neben der Heimstätte
Anreise Lufthansa fliegt mehrmals täglich ab 89 Euro von München aus nach Barcelona und zurück.
Transfer Vom Flughafen Barcelona El Prat aus braucht man etwa eine Stunde für die Fahrt zum Park per Taxi oder Mietwagen. Außerdem gibt es Shuttle Angebote. Mit dem Zug kann man ebenfalls anreisen. Port Aventu ra verfügt über eine eigene Haltestelle an der Linie R 16. Zudem gibt es weitere Shuttleangebote vom Bahnhof Camp de Tarragona.
Maranello in Italien bieten. Seit 2010 gibt es mit Ferrari World bereits einen Themenpark unweit der Formel-1-Strecke von Abu Dhabi. Mit PortAventura hat die Autoschmiede einen europäischen Partner gefunden, der viel Erfahrung hat im Unterhaltungsgeschäft: Der Park bei Tarragona ist das größte Freizeit-Resort Spaniens und will mithilfe des neuen Parks die Marke von fünf Millionen Besuchern pro Jahr knacken. Neben einem spektakulären Vergnügungspark gehören noch ein Wasserpark, drei Golfkurse und vier Hotels zu dem Entertainment-Riesen. Angesichts von 100 Millionen Euro Investitionssumme klingen die Worte des PortAventura-Chef Arturo Mas Sarda nicht aufgesetzt: „Ferrari Land ist das ambitionierteste Projekt in der Geschichte von PortAventura und heute sind unsere Träume wahr geworden.“
Für die Techniker stellten sich beim Bau der Achterbahn „Red Force“zwei Herausforderungen: der Wind und die Steuerung des Systems. Windige Tage können zu Bauverzögerungen führen, weil
man ab bestimmten Stärken nicht mehr sicher und präzise mit dem Kran arbeiten kann. Die einzelnen Bauteile wurden daher am Boden montiert und dann in größeren Sektionen aufgebaut, sagt TechnikChef Valencia: „Am Ende mussten wir nur sieben Mal mit dem Kran arbeiten, bis die Bahn stand.“Auch für die Statiker war der Wind eine relevante Größe: Zu den normalen Kräften, die auf die Bahn wirken, kommen die 90 Quadratmeter der drei riesigen Ferrari-Logos. Die Konstruktion muss also so stark sein, dass sie auch bei Sturm nicht einknickt. Die zweite Herausforderung sei die Synchronisation der elektrischen und elektronischen Systeme gewesen, sagt Valencia.
Doch am Eröffnungstag schleicht sich der Eindruck ein, dass zwischen dem Mythos Ferrari und der Realität im Ferrari-Land noch Diskrepanzen bestehen. „Technical problems“– technische Probleme, diese Worte ziehen sich wie ein ferrariroter Faden durch den Tag, an dem gut 250 Journalisten aus ganz Europa und noch mehr Ehrengäste vor Ort sind. Die größte Attraktion steht immer wieder still. Warum? „Technical problems.“Teils werden die Gäste nach 30 Minuten Anstehen aus dem Wartebereich geschickt, gegen 17 Uhr macht „Red Force“komplett dicht.
Neben der großen Achterbahn gibt es glücklicherweise noch andere Attraktionen. Besonders faszinierend sind die beiden Simulatoren im „Ferrari Experience“-Gebäude, dessen Fassade der Motorhaube eines roten Flitzers nachempfunden ist. Nach einem Zusammentreffen mit Firmengründer Enzo Ferrari, der als Hologramm seine eigenen Verdienste feiert, warten zwei unterschiedliche 4D-Erlebnisse auf den Besucher. In „Racing Legends“fährt er unter einer Kinokuppel auf legendären Rennstrecken, inklusive Fahrtwind und Gischt bei Regenrennen. Bei „Flying Dreams“sitzt man in einem 4D-Flugsimulator der neuesten
Hier wirken dieselben Kräfte wie im Rennwagen Eine Herausforderung: der Bau dieser Achterbahn Spektakuläre Rennsimulatoren
Generation und folgt diversen Sportwagen aus der Drohnen-Perspektive entlang verschiedener Sehenswürdigkeiten wie der Chinesischen Mauer oder durch die Innenstadt von St. Petersburg.
Zumindest ist das so, wenn die freundlichen Mitarbeiter am Eingang die Besucher nicht mit einem „Sorry, technical problems“wieder wegschicken. Denn auch durch die kleineren Attraktionen des Parks ziehen sich am Eröffnungstag die Probleme. Die nebeneinanderstehenden „Thrill Towers“sollen eigentlich den Nervenkitzel des freien Falls bringen und von der Gestaltung her an die Kolben eines Ferrari-Motors erinnern. Doch hier scheint sich der Kolbenfresser eingeschlichen zu haben. Mal müssen die Sicherheitsbügel nochmals geöffnet und neu geschlossen werden, mal müssen die Gäste komplett raus und die Anlage macht leer einen Testlauf. Erklärungen dafür gibt es nicht wirklich – außer einem freundlichen Lächeln und drei Worten: „Sorry, technical problems.“
Was funktioniert, sind die spektakulären Rennsimulatoren: Die Besucher können in einem beweglichen Formel-1-Chassis mit Rennlenkrad vor einer Wand aus drei Flachbildschirmen virtuelle Runden über die Strecke des SpanienGrand-Prix drehen. Zumindest, wenn sie nicht über 1,95 Meter groß sind. Ein Besucher muss seinen reservierten Platz aufgeben: Der Sitz ist zwar ganz nach hinten geschoben, sein Knie blockiert aber weiterhin das Lenkrad.
Andere Attraktionen sind noch gar nicht in Betrieb. In der „PitLane“können die Besucher künftig ihre Eignung als Boxencrew testen. Für einen Aufpreis kann der Rennsportfan mit Originalwerkzeug die Reifen eines Formel-1-Wagens wechseln. Die Zeit wird gestoppt. Doch an der großen Halle weisen nur diverse Plakate auf den großen Eröffnungstag hin, die Türen selbst sind verrammelt. An der KinderRennstrecke „Maranello Grand Race“, bei der der Nachwuchs mit Kleinformat-Ferraris auf Schienen seine Runden drehen darf, wird am Eröffnungstag fleißig gearbeitet. „Technical problems?“Nein, bedeutet der nette Schrauber auf der Fahrbahn. Aber fahren kann man trotzdem nicht am Eröffnungstag.