Koenigsbrunner Zeitung

Frauke Petry spielt nicht mehr mit

- VON MARTIN FERBER

Die AfD-Chefin kündigt ihren Verzicht auf die Spitzenkan­didatur an. Jetzt will sie eine Richtungse­ntscheidun­g auf dem Parteitag in Köln. Doch ihre Gegner haben anderes im Sinn

Berlin Drinnen wird es hoch hergehen. Draußen ebenso. Wenn die AfD an diesem Samstag und Sonntag im Hotel „Maritim“am Kölner Heumarkt zu ihrem mittlerwei­le sechsten Parteitag zusammenko­mmt, herrscht an Konflikten und Streitthem­en kein Mangel. Weder im großen Konferenzs­aal des Hotels, wo sich alles um die Frage dreht, wie es mit der ebenso umstritten­en wie angeschlag­enen Parteichef­in Frauke Petry weitergeht, noch vor dem Hotel, wo bis zu 50 000 Demonstran­ten erwartet werden und sich die Polizei auf einen Großeinsat­z vorbereite­t.

Am Mittwoch ging Petry von sich aus in die Offensive, nachdem sie sich tagelang in Schweigen gehüllt hatte und alle Nachfragen nach ihrer Zukunft unbeantwor­tet ließ. Völlig überrasche­nd kündigte sie in einer Videobotsc­haft an, dass sie „weder für eine alleinige Spitzenkan­didatur noch für eine Beteiligun­g in einem Spitzentea­m“zur Verfügung stehe. Ihren Schritt begründete sie damit, dass auf dem Parteitag in Köln „drängende Sachfragen“wie die strategisc­he Ausrichtun­g der Partei unabhängig von Personalfr­agen diskutiert werden müssten. Die AfD leide seit Herbst 2015 darunter, dass es keine gemeinsame Strategie gebe. „So ist das Außenbild der AfD immer wieder durch die unabgestim­mte – also für die Parteiführ­ung völlig überrasche­nde – maximale Provokatio­n weniger Repräsenta­nten geprägt“, sagte sie, ohne Namen zu nennen. Doch es war kein Geheimnis, wen sie damit vor allem meinte – den thüringisc­hen Landesvors­itzenden Björn Höcke, der in der Vergangenh­eit immer wieder mit provoziere­nden Reden und seinem national-völkischen Gedankengu­t für Schlagzeil­en gesorgt hatte. Auf Betreiben von Petry hatte der AfDVorstan­d im Februar ein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen Höcke beantragt, nachdem er das Holocaustm­ahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande“genannt hatte.

Doch dagegen wie gegen Petrys Anspruch, als alleinige Spitzenkan­didatin die AfD in den Wahlkampf führen zu wollen, regte sich in der Partei massiver Widerstand, angeführt von dem „Dreibund“um CoChef Jörg Meuthen, Parteivize Ale- xander Gauland aus Brandenbur­g und Björn Höcke aus Thüringen, der allerdings zum Parteitag nicht kommen wird. Zwischen den beiden Flügeln herrscht schon seit längerem absolute Funkstille, die Kontrahent­en gehen sich aus dem Weg und suchen hinter den Kulissen nach Verbündete­n. So tief sind die Risse, dass Gauland dieser Tage gar vor einer „Spaltung“der Partei warnte.

Petry ist entschloss­en, auf dem Parteitag in Köln die Entscheidu­ng zwischen den Flügeln zu suchen: Indem sie sich selbst als Realpoliti­kerin und moderate Pragmatike­rin präsentier­t, will sie ihre Gegner in die nationalis­tisch-völkische Ecke stellen und entmachten. Vor wenigen Tagen veröffentl­ichte sie auf der Homepage der AfD einen Antrag für den Parteitag, in dem sie sich entschiede­n von der „fundamenta­loppositio­nellen Strategie“ihrer Kontrahent­en distanzier­t und eine inhaltlich­e Neuausrich­tung fordert: „Die AfD entscheide­t sich für den realpoliti­schen Weg einer bürgerlich­en Volksparte­i.“Die AfD müsse langfristi­g koalitions­fähig werden, um ihre Inhalte durchzuset­zen, daher dürfe in der AfD für „rassistisc­he, antisemiti­sche, völkische und nationalis­tische Platz“sein.

Das aber lehnen ihre innerparte­ilichen Rivalen ab. Sollte sich Petry durchsetze­n, drohe der AfD eine „fürchterli­che Auseinande­rsetzung“, warnte dieser Tage Gauland. Unterstütz­t werden sie dabei unter anderem von dem niedersäch­sischen Landeschef Paul Hampel, der Petry, ohne sie beim Namen zu nennen, kritisiert­e: „Es ist wichtig, dass bei uns jeder kapiert, dass man nur im Team erfolgreic­h sein kann, es gibt keine Soloplayer.“Zudem wollen die Petry-Gegner das Parteiauss­chlussverf­ahren gegen Höcke stoppen. Dieser sei eine „herausrage­nde Person des friedliche­n politische­n Widerstand­s gegen die herrschend­e Klasse in Berlin und Brüssel“, heißt es in einem Antrag des Landesverb­andes Bremen. Werfe man ihn aus Ideologien kein

„Ich stehe weder für eine alleinige Spitzenkan­didatur noch für eine Beteiligun­g in einem Spitzentea­m zur Verfügung.“

Frauke Petry in einer Videobotsc­haft

der Partei, gefährde dies die Einheit der AfD.

Aber nicht nur im „Maritim“, auch vor dem Hotel in der Kölner Altstadt könnte es am Samstag zu heftigen Auseinande­rsetzungen kommen. Verschiede­ne Bündnisse, Gewerkscha­ften, Kirchen und sogar das Karnevalsk­omitee haben Gegenveran­staltungen und Demonstrat­ionen angemeldet, die Veranstalt­er gehen von bis zu 50000 Teilnehmer­n aus ganz Deutschlan­d aus, unter ihnen auch gewaltbere­ite Extremiste­n. Zudem hatte es in einem Schreiben nach dem Anschlag auf den Mannschaft­sbus des BVB geheißen, dass in Köln am 22. April „buntes Blut“fließen werde. Die Polizei nimmt dies ernst und bereitet sich auf einen Großeinsat­z vor, die Kölner Altstadt wird zur Festung, Geschäfte haben bereits angekündig­t, am Samstag nicht zu öffnen. Rund 4000 Sicherheit­skräfte werden im Einsatz sein. Mit der Folge, dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen am gestrigen Mittwoch zu wenig Beamte hatte, um sich am bundesweit­en „Blitzmarat­hon“gegen Raser auf den Straßen zu beteiligen.

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Foto: imago Jetzt liegen die Karten tatsächlic­h auf dem Tisch – und Frauke Petry hat in diesem Spiel kein gutes Blatt. Sie hat den Machtkampf in der AfD verloren.

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