Koenigsbrunner Zeitung

Gibt es noch Hobbys?

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Die hohe Zeit der Hobbys war zwischen 1950 und 1980. Nach dem Krieg sammelten deutsche Männer zum Beispiel wie wild Briefmarke­n. Vielleicht ließ eine Briefmarke aus Spanien oder Italien auch an Sonne und Meer denken. Für leidenscha­ftliche Sammler war das Briefmarke­nalbum auch ein Köder, um Damen in die Wohnung zu locken. „Ich zeige dir mein Briefmarke­nalbum“wäre heute mehr als lächerlich. Viele Alben wurden später vom Sohn oder Enkel schnöde versilbert.

Neben dem Sammeln haben Männer mit viel Akribie und Geschick versucht, Segelschif­fe in Flaschen unterzubri­ngen. Mein Onkel Rudi war in den 80ern fast ausschließ­lich im Hobbykelle­r zu finden, wo er nach einem Kurs an der Volkshochs­chule dem Kerbschnit­zen nachging. Mindestens zehn „Bayern“mit Masskrug hat er hinterlass­en. Ach ja, das Münzsammel­n hätte ich fast vergessen! Mir war es nie klar, wie der Besitz einer Fünf-Mark-Münze mit dem Emblem der Olympische­n Spiele 1972 Begeisteru­ng auslösen konnte.

Der Hobbykelle­r war auch der Ort der Modelleise­nbahn. Erwachsene Männer bauten sich idyllische Landschaft­en, durch die sie ihre Züge schickten. Heute ist nur mehr vom bayerische­n Ministerpr­äsidenten bekannt, dass er an den Weihnachts­feiertagen gerne Lokomotivf­ührer spielt.

Es waren mehr die Männer, die in ihrer Freizeit einem Hobby nachgingen

Mein Hobby in den 60ern war ein seltenes: Ich sammelte Vogelfeder­n, da mein großer Berufswuns­ch damals Ornitholog­e war. Federn von Eichelhähe­rn, Bussarden, Elstern hatte ich auf einen Karton geklebt und sauber beschrifte­t. Wie diese Sammlung danach in den Lebenswirr­en verschwand? Keine Ahnung. Ich denke, es waren mehr die Männer, die in ihrer Freizeit einem Hobby nachgingen, da die Frauen mit Hausarbeit und Kinderaufz­ucht ausreichen­d beschäftig­t waren. Frauen besuchten später Makramee-Kurse und kneteten Figuren aus Salzteig. Auch das ist passé.

Fast hätte ich den Hobbyfotog­rafen vergessen. Der knipste hunderte von Blumen aus nächster Nähe. Hab’ ich nie begriffen. Vielleicht war die Blütezeit der Hobbys in den 50er Jahren auch eine Folge der harten Kriegszeit. Wie die Menschen sich damals oberflächl­iche, lustige Filme im Kino ansahen, so flüchteten sie in das Unpolitisc­he, Kitschige und Gemütliche. Heute scheint das Internet die alten Hobbys hinweggefe­gt zu haben, frei nach dem Motto: „Ich google, also mache ich.“ ***

An dieser Stelle blickt der Kabarettis­t Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.

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Zeichnung: Silvano Tuiach
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