Mann will 10 000 Feinunzen Silber
Ein Angeklagter aus dem Dunstkreis der „Reichsbürger“fordert Edelmetall-Gebühren von einem Staatsanwalt. Der lässt sich darauf nicht ein – sondern leitet ein Strafverfahren ein
„Gold und Silber lieb’ ich sehr, kann’s auch gut gebrauchen“, heißt es schon in einem alten Volkslied über die Vorzüge blinkenden Edelmetalls. Da Eurovorräte derzeit bekanntlich so gut wie keine Zinsen abwerfen, stehen Gold und Silber hoch im Kurs – nicht nur bei Spekulanten. Neuerdings schwenken offenbar auch sogenannte „Reichsbürger“zu eher beständigen Wertanlagen um, wenn sie Vertreter der für sie illegalen deutschen Justiz mit Forderungen überziehen.
Ein besonders kurioser Fall landete jetzt vor Amtsrichterin Rita Greser. Ein 53-jähriger Allgäuer, der sich selbst als „Mensch Martin“bezeichnet, war im Herbst 2015 von einem Augsburger Staatsanwalt des versuchten Betrugs und der Beleidigung angeklagt worden. Weil er Amts- und Landgerichte als „kriminelle Unternehmen“sieht, schickte er dem Ankläger per Post eine in ziemlich wirrer juristischen Sprache verfasste „Kulanzmitteilung“samt „allgemeiner Gebührenordnung“. Darin gab er dem Staatsanwalt „72 Stunden Zeit“, die Anklage gegen ihn zurückzunehmen. Andernfalls habe dieser eine Gebühr in Höhe von bis zu 10000 Feinunzen Silber zu berappen. Der derzeitige Kurs einer Feinunze mit 31,10 Gramm Silber liegt übrigens bei rund 17 Euro. Der Ankläger gab dem Ansinnen des Allgäuers freilich nicht nach, und das nicht nur, weil die Behörde über keine Edelmetallvorräte verfügt, sondern leitete erneut ein Strafverfahren ein – wegen versuchter Nötigung.
Der Angeklagte „Mensch Martin“versuchte, die Amtsrichterin mit einem schriftlich fixierten ellenlangen Vortrag zu überzeugen, dass er keinesfalls ein Bürger der Bundesrepublik Deutschland sei, sondern des Freistaates Bayern. Und da es seiner Kenntnis nach kein „Auslieferungsabkommen“zwischen dem Freistaat und der für ihn nicht existenten Bundesrepublik gebe, könne er auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Seine Argumentationskette begann bei einer päpstlichen Bulle von 1540 und endete mit einem „gerade stattfindenden weltweiten Erwachen“, bei dem auch der neue US-Präsident Donald Trump eine Rolle spielte.
Immerhin räumte der Angeklagte nach mehreren intensiven Gesprächen mit seinem Pflichtverteidiger Moritz Bode ein, den inkriminierenden Brief verfasst und abgeschickt zu haben, was zur Erleichterung aller Prozessbeteiligten als „Geständnis“gewertet wurde. Richterin Greser verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 2400 Euro, was umgerechnet etwa 141,1 Feinunzen Silber wären. Sie belehrte den Angeklagten, dass er eben doch in der Bundesrepublik Deutschland lebe: „Ihre Rechtsauffassung ist völlig neben der Spur“.