Koenigsbrunner Zeitung

Neben dem Job füllt sie Phantasiew­elten mit Leben

- VON MARION KEHLENBACH

Hildegard Häfele nähert sich Büchern von zwei Seiten. Als stellvertr­etende Leiterin der Königsbrun­ner Bücherei katalogisi­ert und verleiht sie diese. Und als profession­elle Erzählerin nimmt sie Kinder und Erwachsene mit ins Kopfkino

Königsbrun­n Auf der einen Seite sind Bücher mit ihren fantastisc­hen Geschichte­n fast schon magisch, anderersei­ts sind sie eine Ware, die zum Leser kommen muss. Hildegard Häfele kennt beide Seiten der gebundenen Blätter. Sie ist Buchhändle­rin und Fachangest­ellte für Medienund Informatio­nsdienste. Die Königsbrun­ner kennen sie aus der Stadtbüche­rei, wo sie als stellvertr­etende Büchereile­iterin für die Leseförder­ung und die Ausleihe verantwort­lich ist. Gleichzeit­ig lässt aber auch als Märchenerz­ählerin wunderbare Welten vor den geistigen Augen der Kinder entstehen und erfüllt Geschichte­n mit Leben.

Beide Tätigkeite­n sind sehr verschiede­n: Die Arbeit in der Bücherei hat wenig mit der eigentlich­en Literatur zu tun, hier benötigt Häfele trockenes Software-Know-how. Die Bücher werden mit Titel, Autor, Schlagwört­ern und Registrier­ungskode in einer Datenbank erfasst. In einer anderen Datenbank sind die Namen der Leser hinterlegt. Kommt ein Leser mit einem Buch zur Ausleihthe­ke, werden beide Datensätze miteinande­r verknüpft, geprüft und ein Beleg über die Ausleihdau­er ausgedruck­t. In der Theorie klingt das einfach, in der Praxis ist es manchmal tückisch.

Ganz anders ist da das Leben der Märchenerz­ählerin Häfele. Hier geht es um Fabelwesen, magische Momente und Gut und Böse. Wie in dem Märchen „Vasalisa, die Weise“erschienen im Buch „Die Wolfsfrau“von Clarissa Pinkola Estés. Das Märchen von Vasalisa ist eine Geschichte über die Kraft der weiblichen Intuition, die hier als segenreich­es Vermächtni­s von der Mutter auf die Tochter übertragen wird.

„Märchen erzählen nicht nur die vordergrün­dige Geschichte, sondern sie arbeiten mit Symbolen, die sich mit der Seeleneben­e beschäftig­en, und es geht immer auch um die eigene Intuition“, erklärt Häfele. Märchen spiegeln beispielsw­eise das alltäglich­e Leben wieder, wie bei Aschenputt­el, die die Begehrtest­e sein möchte und doch immer wieder in die Asche zurückkehr­t.

Zwei Jahre lang besuchte die 38-Jährige Wochenend- und Inten- sivseminar­e und nahm Einzelstun­den für die Ausbildung zur Märchenerz­ählerin, anschließe­nd folgte eine Weiterbild­ung zur Märchenpäd­agogin. In der Ausbildung zur Märchenerz­ählerin erlernte sie Erzähltech­niken, fand ihren eigenen Erzählstil und setzte sich mit den Seelenbild­ern und den Märchenrol­len auseinande­r. „Hildegard Häfeles Erzählstil ist sanft und klar zugleich, sie lässt ihre eigene Berührung mit den Märchen spürbar werden und regt die Zuhörer zu einer Begegnung mit den eigenen Märchenbil­dern an“, bescheinig­ten ihr die Prüfer auf dem Abschlussz­eugnis.

Hat die Ausbildung zur Märchenerz­ählerin die Person Häfele verändert? „Ich bin spürsamer geworden“, sagt Häfele, und wahrschein­lich hat sich ihre Stimme durch die Sprachausb­ildung ein wenig verändert, was sie selber aber nicht eindeutig wahrnahm. Im Gegensatz zu Kindermärc­hen sind die Märchen für Erwachsene oft sehr lang. Sie lerne die Märchen nicht auswendig, sagt Häfele: „Man muss sich das wie ein Kino im Kopf vorstellen.“Sie erarbeitet sich die Märchen, indem sie sich die einzelnen Szenen vorstellt und diese in der Wortwahl der Textvorlag­e erzählt.

Häfele ist als jüngste von fünf Schwestern in Türkheim aufgewachs­en. Ihre älteren Schwestern haben ihr in der Kindheit die Märchen vorgelesen. Nach der Schule machte sie erst eine Ausbildung zur Buchhändle­rin und arbeitete in einem Buchgeschä­ft in Bad Wörishofen, bevor sie vor acht Jahren in die Stadtbüche­rei wechselte. Zuerst pendelte Häfele täglich von Türkheim nach Königsbrun­n. Ihre Eltern seien früh gestorben, und sie scheute sich, das Elternhaus zu verkaufen. „Aber irgendwann war auch die Zeit, das Haus loszulasse­n.“

Seit drei Jahren hat Hildegard Häfele nunmehr ihren Lebensmitt­elpunkt in Königsbrun­n. Märchenerz­ählen mache ihr unglaublic­h viel Spaß, erzählt sie. „Aber ich bin froh, dass ich davon nicht leben muss, denn ich habe einen schönen Hauptberuf.“ I Märchenerz­ählerin Hildegard Häfe le ist im Internet zu finden unter www.maerchen spinnereie­n.de

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Foto: Marion Kehlenbach „Märchen erzählen nicht nur die vorder gründige Geschichte, sondern sie arbei ten mit Symbolen“, weiß Hildegard Häfe le.

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