Neben dem Job füllt sie Phantasiewelten mit Leben
Hildegard Häfele nähert sich Büchern von zwei Seiten. Als stellvertretende Leiterin der Königsbrunner Bücherei katalogisiert und verleiht sie diese. Und als professionelle Erzählerin nimmt sie Kinder und Erwachsene mit ins Kopfkino
Königsbrunn Auf der einen Seite sind Bücher mit ihren fantastischen Geschichten fast schon magisch, andererseits sind sie eine Ware, die zum Leser kommen muss. Hildegard Häfele kennt beide Seiten der gebundenen Blätter. Sie ist Buchhändlerin und Fachangestellte für Medienund Informationsdienste. Die Königsbrunner kennen sie aus der Stadtbücherei, wo sie als stellvertretende Büchereileiterin für die Leseförderung und die Ausleihe verantwortlich ist. Gleichzeitig lässt aber auch als Märchenerzählerin wunderbare Welten vor den geistigen Augen der Kinder entstehen und erfüllt Geschichten mit Leben.
Beide Tätigkeiten sind sehr verschieden: Die Arbeit in der Bücherei hat wenig mit der eigentlichen Literatur zu tun, hier benötigt Häfele trockenes Software-Know-how. Die Bücher werden mit Titel, Autor, Schlagwörtern und Registrierungskode in einer Datenbank erfasst. In einer anderen Datenbank sind die Namen der Leser hinterlegt. Kommt ein Leser mit einem Buch zur Ausleihtheke, werden beide Datensätze miteinander verknüpft, geprüft und ein Beleg über die Ausleihdauer ausgedruckt. In der Theorie klingt das einfach, in der Praxis ist es manchmal tückisch.
Ganz anders ist da das Leben der Märchenerzählerin Häfele. Hier geht es um Fabelwesen, magische Momente und Gut und Böse. Wie in dem Märchen „Vasalisa, die Weise“erschienen im Buch „Die Wolfsfrau“von Clarissa Pinkola Estés. Das Märchen von Vasalisa ist eine Geschichte über die Kraft der weiblichen Intuition, die hier als segenreiches Vermächtnis von der Mutter auf die Tochter übertragen wird.
„Märchen erzählen nicht nur die vordergründige Geschichte, sondern sie arbeiten mit Symbolen, die sich mit der Seelenebene beschäftigen, und es geht immer auch um die eigene Intuition“, erklärt Häfele. Märchen spiegeln beispielsweise das alltägliche Leben wieder, wie bei Aschenputtel, die die Begehrteste sein möchte und doch immer wieder in die Asche zurückkehrt.
Zwei Jahre lang besuchte die 38-Jährige Wochenend- und Inten- sivseminare und nahm Einzelstunden für die Ausbildung zur Märchenerzählerin, anschließend folgte eine Weiterbildung zur Märchenpädagogin. In der Ausbildung zur Märchenerzählerin erlernte sie Erzähltechniken, fand ihren eigenen Erzählstil und setzte sich mit den Seelenbildern und den Märchenrollen auseinander. „Hildegard Häfeles Erzählstil ist sanft und klar zugleich, sie lässt ihre eigene Berührung mit den Märchen spürbar werden und regt die Zuhörer zu einer Begegnung mit den eigenen Märchenbildern an“, bescheinigten ihr die Prüfer auf dem Abschlusszeugnis.
Hat die Ausbildung zur Märchenerzählerin die Person Häfele verändert? „Ich bin spürsamer geworden“, sagt Häfele, und wahrscheinlich hat sich ihre Stimme durch die Sprachausbildung ein wenig verändert, was sie selber aber nicht eindeutig wahrnahm. Im Gegensatz zu Kindermärchen sind die Märchen für Erwachsene oft sehr lang. Sie lerne die Märchen nicht auswendig, sagt Häfele: „Man muss sich das wie ein Kino im Kopf vorstellen.“Sie erarbeitet sich die Märchen, indem sie sich die einzelnen Szenen vorstellt und diese in der Wortwahl der Textvorlage erzählt.
Häfele ist als jüngste von fünf Schwestern in Türkheim aufgewachsen. Ihre älteren Schwestern haben ihr in der Kindheit die Märchen vorgelesen. Nach der Schule machte sie erst eine Ausbildung zur Buchhändlerin und arbeitete in einem Buchgeschäft in Bad Wörishofen, bevor sie vor acht Jahren in die Stadtbücherei wechselte. Zuerst pendelte Häfele täglich von Türkheim nach Königsbrunn. Ihre Eltern seien früh gestorben, und sie scheute sich, das Elternhaus zu verkaufen. „Aber irgendwann war auch die Zeit, das Haus loszulassen.“
Seit drei Jahren hat Hildegard Häfele nunmehr ihren Lebensmittelpunkt in Königsbrunn. Märchenerzählen mache ihr unglaublich viel Spaß, erzählt sie. „Aber ich bin froh, dass ich davon nicht leben muss, denn ich habe einen schönen Hauptberuf.“ I Märchenerzählerin Hildegard Häfe le ist im Internet zu finden unter www.maerchen spinnereien.de