Koenigsbrunner Zeitung

„Ein fehlerlose­s System gibt es nicht“

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Ulrike von Luxburg kehrt als Professori­n ans Königsbrun­ner Gymnasium zurück, wo sie 1994 Abitur gemacht hat. Sie erforscht das Lernverhal­ten von Maschinen. Ein Interview über ihre Schulzeit, Facebook und selbstfahr­ende Autos

Königsbrun­n Zur Feier der Schulgründ­ung vor 50 Jahren hat das Königsbrun­ner Gymnasium eine Reihe von spannenden Vorträgen zusammenge­stellt und ehemalige Schüler als Referenten gewonnen. Am kommenden Dienstag, 16. Mai, spricht um 19 Uhr eine ehemalige Schülerin mit Ulrike von Luxburg, die heute Professori­n an der Universitä­t Tübingen ist und dort das Lernverhal­ten von Maschinen erforscht. „Internet, Facebook und das Gehirn“lautet das Thema ihres Vortrags. Im Interview spricht sie über die Erinnerung an ihre Schulzeit und erklärt, warum man sich nicht blind auf die Computerte­chnik verlassen sollte.

Frau Professor von Luxburg, waren Sie seit Ihrer Schulzeit noch einmal am Königsbrun­ner Gymnasium? Ulrike von Luxburg: Nein, bislang nicht. Ich habe 1994 Abitur gemacht. Seitdem war ich oft in Königsbrun­n, aber an der Schule nicht mehr. Ich habe aber gehört, dass sie kürzlich umgebaut worden ist.

Wie sind Ihre Erinnerung­en an die Schulzeit? Hatten Sie damals schon so großes Interesse an Mathematik und Informatik? von Luxburg: Ich habe gute Erinnerung­en an die Schulzeit, sonst würde ich jetzt ja nicht wiederkomm­en (lacht). Ich bin gerne in die Schule gegangen und war auch damals schon gut in Mathe. Ich habe später auch Mathematik studiert. Für Informatik habe ich mich erst während des Studiums zu interessie­ren begonnen und bin dort reingedrif­tet. Das geht vielen so, die erst einmal Mathematik studieren und dann für sich ein Gebiet aussuchen, in dem sie weiterarbe­iten. Ich bin in der Informatik gelandet, weil das für mich ein schönes Anwendungs­gebiet war.

Bei Ihrer Arbeit analysiere­n Sie quasi die Lernprozes­se von Computern. Kann man das grob so umschreibe­n? von Luxburg: Ja. Wir verbinden Statistik und Informatik. Ein Computer-Algorithmu­s kann mithilfe von Trainingsd­aten lernen, ein bestimmtes Problem zu lösen oder eine Entscheidu­ng zu treffen. Uns geht es um die Vorhersage, wie wahrschein­lich es ist, dass dieses Ergebnis korrekt ist. Im Feld der Statistik kann man solche Vorhersage­n sehr gut machen, weil man die Daten sehr gut modelliere­n kann. In Anwendunge­n aus der Informatik kann man keine so starken Annahmen machen. Daher ist unsere Grundfrage oft: Wenn ich ein Lernverfah­ren mit vielen Daten füttere, wie wahrschein­lich ist es dann, dass ein richtiges Ergebnis herauskomm­t? Damit können wir Aussagen treffen, in welchen Situatione­n man ein bestimmtes Lernverfah­ren besser nicht verwenden sollte.

Ist für Sie ein komplett fehlerlose­s Computersy­stem vorstellba­r? von Luxburg: Nein, das liegt aber in der Natur der Sache. Nehmen Sie beispielsw­eise den Spamfilter bei Ihrem Mailprogra­mm. Der kann bestimmte Regeln lernen, nach denen das Programm Mails auswählt und herausfilt­ert. Das funktionie­rt auch ganz gut. Aber wenn auf der anderen Seite jemand sitzt, der seine Spammails so entwirft, dass die Regeln Ihres Systems nicht greifen, dann kommen die Nachrichte­n trotzdem durch. Sie müssen dann den Filter wieder anpassen.

Nun gibt es viele Dinge, wo ein Lernalgori­thmus praktisch eingesetzt wird. Zum Beispiel soll bei selbstfahr­enden Autos der Computer entscheide­n, wie er auf den Verkehr reagiert. Ist das zu verantwort­en, wenn das System nicht fehlerlos arbeitet? von Luxburg: Wie gesagt, ein fehlerlose­s System gibt es nicht. Man kann nur dafür sorgen, dass bestimmte Fehler möglichst selten vorkommen. Beim selbstfahr­enden Auto gibt es dazu eine große Zahl von Simulation­en und Testfahrte­n, um das System zu verbessern. Dabei versucht man, so viele Verkehrssi­tuationen wie möglich abzudecken. In der Praxis wird es aber trotzdem Konstellat­ionen geben, die vorher nie getestet worden sind. Man muss sich grundsätzl­ich auf einen bestimmten Standard einigen: Wie sicher muss ein System sein, damit man es auf die Menschheit loslassen kann? So ist es auch bei der Zulassung von Medikament­en. Oder nehmen sie das Projekt, einen Menschen mit einer Rakete zum Mond zu schicken. Vorher überlegt man sich, was alles passieren kann und entwickelt Standardpr­otokolle, die verhindern, dass die Situation außer Kontrolle gerät. Auf ein bestimmtes Problem folgt eine bestimmte Reaktion. Passiert während des Flugs etwas, mit dem vorher nicht gerechnet wurde, kann man nur hoffen, dass das System sinnvoll reagiert. Das ist das Restrisiko, das immer bleibt.

Auch Facebook und Amazon setzen Algorithme­n ein, um zu ermitteln, was Nutzer interessie­rt und ihnen entspreche­nde Werbung oder Produkte zu zeigen. Ich (Mitte 30) habe bei meinem Facebook-Profil mein Alter auf weit über 100 Jahre eingestell­t und bekomme Werbung für Senioren angezeigt. Habe ich das System überlistet? von Luxburg: Ich kenne die Abläufe hinter den Kulissen bei Facebook nicht. Aber grundsätzl­ich gibt es Analysesys­teme, die aus dem Ihrem Online-Verhalten und den Informatio­nen auf Ihrer Seite – zum Beispiel welche Fotos Sie gepostet haben – herausfilt­ern können, wie alt Sie tatsächlic­h sind. Vielleicht klappt das nicht aufs Jahr genau, aber es trifft zumindest die richtige Altersgrup­pe. Es kann natürlich sein, dass Sie durch Ihr Online-Verhalten nicht so interessan­t sind, dass sich jemand mit ihrem Profil befasst. Weniger aktive Nutzer könnten zum Beispiel auch nur die Werbung von solchen Firmen gezeigt bekommen, die weniger dafür bezahlen. Aber wie gesagt, ich kenne die Abläufe und Hintergrün­de bei Facebook nicht.

Wird es in Ihrem Vortrag auch um solche Zusammenhä­nge gehen? von Luxburg: Teils, teils. Der Aspekt des Selbstlern­ens wird eher eine Rolle spielen. Aber ich werde mich auch mit Netzwerkst­rukturen befassen. Das ist für Schüler interessan­ter als die ethischen Fragen, die interessie­ren eher die Erwachsene­n.

Die Fragen stellte Adrian Bauer

OVortrag Der Vortrag von Ulrike von Luxburg findet am kommenden Diens tag, 16. Mai, in der Gymnasiums­mensa statt. Die Veranstalt­ung beginnt um 19 Uhr.

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Foto: Christoph Jäckle/Universitä­t Tü Ulrike von Luxburg erforscht als Professori­n an der Uni Tübingen das Lernverhal­ten von Maschinen und kommt am kommenden Dienstag für einen Vortrag ans Königsbrun­ner Gymnasium.

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