Schlüpfrige Bilder
Jede der Flügeltüren im ersten Stock des Schaezlerpalais erhielt ihre Kunst zurück
Nach zehn Jahren Organisation und einem Jahr Handwerkerarbeit hängen sie wieder: die 250 Jahre alten Supraporten – Gemälde also, die über den Türen der Zimmerfluchten des Schaezlerpalais Prunk und Protz des Erbauers Benedikt Adam Liebert (1731 – 1810) bezeugen sollten. Insgesamt 120000 Euro Spendengelder konnten die Städtischen Kunstsammlungen und die Altaugsburggesellschaft rekrutieren, um den Zahn der Zeit, die rabiaten Restaurierungen der 1960er Jahre und deren gelblichen Firnis behutsam zu entfernen. Bürger und Stiftungen hatten das Geld gespendet und in deren Beisein präsentierte Kunstsammlungsdirektor Christof Trepesch jetzt die Ergebnisse.
Die ursprünglichen Grundfarben der Werke, die schon vor 250 Jahren auch das Farbdesign der Zimmerflucht Richtung Spiegelsaal sowie der vorderen drei Prunkräume Richtung Maximilianstraße bestimmten, sind wieder deutlich erkennbar. Jedes der 33 Bilder ist wie auch die Zimmer Ton in Ton entweder in Gelb, Blau, Rot oder Grün gehalten. Sogar die Grundierung schimmert in einigen Darstellungen wieder durch und verstärkt die plastische, fast realistische Wirkung.
Drei bayerische Restauratoren, die schon früher mit Beständen des Schaezlerpalais gearbeitet hatten, legten die originale, kühle Farbigkeit wieder frei. Ein Fachmann aus Oberammergau, der noch die jahrhundertealte Schnitztechnik beherrscht, fertigte die verschnörkelten Rahmenecken, die die Werke schon seinerzeit in den Prunkräumen an Ort und Stelle hielten. Nur eine dieser Ecken hatte die Jahrhunderte überlebt und diente dem Handwerker als Vorlage.
Es sind Musen, Götter und Nymphen, die den ersten Stock des Schaezlerpalais bevölkern. Die düstere, bedrohlich wirkende, schlüpfrige Fantasy-Welt stammt aus dem Atelier des Augsburgers Joseph Christ (1731–1788), der die Arbeit im Auftrag des Hausbesitzers in Öl auf Leinwand bannte. Die Wesen sind Figuren aus dem antiken Epos „Metamorphosen“von Ovid. „Neben der Schöpfungsgeschichte geht es meist um sexuelle Belästigung“, fasst Julia Quandt, die Kuratorin des Schaezlerpalais, kurz und bündig zusammen. Sex, Mord und Totschlag enden bei Ovid mit Verwandlungen in Lorbeerbäume, Elstern und Spinnen.
Das Epos inspirierte über die Jahrtausende die Künstler. Auch Christ nutzte für seine Gemälde die Vorlagen anderer. Zeit für eigene Ideen war kaum, schließlich sollten die 33 Bilder im ersten Stock und die 35 für die Räume im zweiten Stock innerhalb von zwei Jahren fertig sein. Eigentümer Benedikt Adam Liebert war ein bürgerlicher Emporkömmling, der die Eröffnung seines Hauses um die Paris-Reise der jüngsten Tochter der Kaiserin, der späteren Marie Antoinette, organisierte. Effektivität war angesagt. Pünktlich zur Ankunft waren die 68 eindrucksvollen Supraporten über den Türen angebracht. Derzeit suchen Altaugsburggesell schaft und die Stadt nach Paten, um die eingelagerten Supraporten des zwei ten Stockwerks restaurieren zu lassen. Kontakt unter Altaugsburggesellschaft, Tel: 0821/511701.