Die englische Krankheit ist ansteckend
Als der Schiedsrichter das U21-Halbfinale zwischen Deutschland und England nach 120 Spielminuten beim Stand von 2:2 abpfiff, war klar, was kommen würde. Erst Elfmeterschießen, dann das Aus für England. Auf Letzteres hätte man seine Panini-Erstausgabe von 1961 wetten können.
Engländer, das weiß jedes Kind, können nicht Elfmeterschießen. Schon gar nicht gegen Deutschland. Dann befällt jeden noch so großartigen Insel-Kicker die englische Krankheit.
„Warum hast du ihn nicht einfach reingehauen“, hat Mama Pearce ihren Stuart gefragt, als der Sohn im WM-Halbfinale 1990 an Bodo Illgner gescheitert war. Ja, warum nur? Weil elf Meter für einen Engländer eine Höllendistanz sind. Sie angstfrei zu überwinden, hatte Englands Coach vor dem U21-Halbfinale gegen Kuntz & Co. Elfmeterschießen trainieren lassen. Was für eine Zeitverschwendung! Jeder, der schon einmal in einem zukunftsweisenden Kreisligaspiel am E-Punkt antreten musste, kennt den Unterschied zwischen hundert Übungsschüssen und dem einen, der zählt. Wie das Tor dann von der Größe eines Lkw auf MiniFormat schrumpft, dem Keeper Krakenarme wachsen und sich die Knie des Schützen in englischen Plumpudding verwandeln. Wie muss es da erst einem Engländer ergehen?
Bislang galten nur erwachsene Insulaner als anfällig für die englische Krankheit. Wie der aktuelle Fall zeigt, hat sich nun auch die nächste Generation damit angesteckt. Was dagegen hilft? Engländer müssen spätestens nach 120 Minuten gewonnen haben – sonst sind sie verloren.
Ihnen zum Trost: Auch die Deutschen kennen dieses Gefühl. Keiner hat das schöner beschrieben als Uli Hoeneß, der 1976 im EM-Finale den Ball über den Querbalken jagte. „Einsam spazierte ich auf den weißen Punkt, rings um mich Sahara. Ich schaute dem Ball nach, sah ihn immer höher steigen. Wie eine Weltraumrakete sauste er in Richtung Wolken.“Englands Nachwuchs ist am Dienstag nicht ganz so poetisch gescheitert.