Daimler schickt ein Rennauto auf die Straße
Auf der Automesse IAA geht es dieses Jahr stark um umweltfreundliches Fahren. Doch zu finden ist auch ein Auto mit 1000 PS
Frankfurt am Main Die Zukunft kommt nicht ohne Überraschungen aus. Während die meisten deutschen Automarken auf der Internationalen Automobilausstellung ihre Elektrofahrzeuge ins helle Scheinwerferlicht rollen, widmet Daimler den größten Auftritt in Frankfurt ausgerechnet einem 1000-PS-Rennwagen. Von sparsam, emissionsfrei und selbstfahrend gibt es bei dem Modell keine Spur. Hierfür gibt es ja bald den autonomen Smart und die A-Klasse EQ A. Der MercedesAMG Project One dagegen ist die geballte Antithese zu dem, was Mobilitätsforscher und die Autoindustrie selbst für das Fahrzeug der Zukunft halten. „Das erste Formel1-Auto mit Straßenzulassung“, schwärmt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Niemand Geringeres als Formel-1-Star Lewis Hamilton fährt das Geschoss entsprechend auf die Bühne und erklärt: „Mit dem Motor des Project One habe ich 2015 die Weltmeisterschaft gewonnen.“
Nach der Präsentation drängeln sich die Fachbesucher auf der Bühne des Daimler-Messestands nicht um den Smart ohne Lenkrad oder die elektrische A-Klasse, sondern um das Hypercar. Stirnrunzeln sucht man vergebens, ein jeder giert nach einem Selfie mit dem Project One, überall schaut man in strahlende Augen. Der Faszination für schnelle Autos wird auch die Wende zur Elektromobilität nichts anhaben können. Das lässt sich hier beobachten.
Der Sechs-Zylinder-Verbrennungsmotor bringt es auf 11000 Umdrehungen in der Minute und unterstützt von vier Elektromotoren – darunter ein 90-KilowattTurbolader – auf eine Höchstgeschwindigkeit von 350 Stundenkilometern. Die Beschleunigung von null auf 200 in weniger als sechs Sekunden dürfte den Project One ziemlich sicher zum schnellsten Hybrid der Welt machen. Der Teuerste ist er in jedem Fall: 2,7 Millionen Euro kostet das Modell, das auf eine Stückzahl von 275 Exemplaren limitiert ist – allesamt bereits vorab verkauft an Freunde der DaimlerTochter AMG. Der Project One wird daher wohl eher selten auf deutschen Straßen zu sehen sein.
Für AMG-Geschäftsführer Tobias Moers ist das neue Hypercar ein Beweis dafür, wie viel Leistung in ein Auto passt. Zum 50. Geburtstag habe sich die Tuningmarke mit dem Formel-1-Wagen für die Straße selbst ein Geschenk gemacht, sagt er. „Es ist das ambitionierteste Projekt, das wir jemals angegangen sind.“Er sei überzeugt davon, dass der Schlüssel für die schnellen Autos der Zukunft nicht nur in einem effizienten Verbrennungsmotor, sondern wie beim Project One in der Elektrifizierung des Antriebsstran- ges liegt. Das Auto könnte sogar allein mit der 800-Volt-Batterie und den beiden 120-Kilowatt-Elektromotoren fahren, allerdings nur 25 Kilometer weit.
Anders als der Formel-1-Wagen von Lewis Hamilton ist das AMGHypercar allradgetrieben und ein Zweisitzer. Der Mercedes-Stern wäre ein Fauxpas in Sachen Aerodynamik, also ist er nur aufgesprüht. Gerade die Front mit den riesigen Lufteinlässen entspricht dem typischen Rennwagen-Design. Längs aus dem Heck ragt eine Haifischflosse, die den Luftstrom teilt, und fast die Größe eines Snowboards hat. Auffällig im Cockpit ist das Formel-1-ähnliche Lenkrad. Neben
„Auch so ein Auto hat Platz in unserem Portfolio.“
Dieter Zetsche, Daimler
zwei Displays gibt es Klimaanlage, ein Navigationssystem sowie elektrische Fensterheber.
„Beim Anblick dieses Autos wird bei vielen der rechte Fuß zucken“, flachst Dieter Zetsche. Und schiebt dann ernst hinterher: „Auch so ein Auto hat einen Platz in unserem Portfolio.“In jedem Fall ist der Project One eine Neudefinition von Daimlers gewaltigem Spagat zwischen sauberen Fahrzeugen und benzingeschwängertem Markenkern.