Der „Schrecken“der Bäder und Sportheime
Ein 44-Jähriger knackt in ganz Süddeutschland Spinde in Umkleiden. Vor Gericht legt er eine Lebensbeichte ab
Bis vor 15 Jahren, beteuert der Angeklagte, „war ich ein ganz normaler, anständiger Bürger“. Als sich seine Frau 2003 von ihm scheiden ließ und mit den beiden kleinen Kindern in die Türkei zog, da sei sein Leben aus den Angeln gehoben worden. Er wechselte ständig seine Jobs, begann zu trinken, geriet in falsche Kreise, pokerte und war Dauergast in den Augsburger Wettbüros. Das Geld für seine teuren Leidenschaften besorgte sich der 44-Jährige auf illegale Weise: Er wurde zum Schrecken von Thermen, Schwimmbädern, FitnessCentern und Sportheimen in ganz Süddeutschland. Mit einem Schraubenzieher knackte er serienweise die Kleiderspinde, stahl Geldbörsen und Handys, die er in SecondHand-Läden für wenige Euros verscherbelte. Ein Schöffengericht unter Vorsitz von Martina Triebel schickte den neunmal vorbestraften Dieb, der schon etliche Male im Gefängnis saß, nun erneut hinter Gitter: diesmal für dreieinhalb Jahre.
Bei seinen Diebestouren in den Jahren 2015 und 2016 machte sich der Angeklagte wenig Mühe, Spuren zu verwischen. Er hinterließ Fingerabdrücke, wurde von Überwachungskameras gefilmt und geriet als Serientäter schnell in Verdacht. Staatsanwältin Marlies Dorn warf ihm nun insgesamt zwölf Beutezüge vor, so in die Thermen Bad Wörishofen und Heidenheim, im Bärenkellerbad, in Fitnesscenter in Kissing, Stadtbergen und Haunstetten, in eine Sauna und eine Kampfsportschule in Lechhausen sowie in Sportheime des SV Stettenhofen, TSV Haunstetten und TSV Neusäß. Der Wert der Beute betrug fast 10 000 Euro.
Der 44-Jährige war vor allem auf das schnelle Geld aus. „Mir genügten 200 Euro. 100 habe ich gleich versoffen, die anderen 100 in Wettbüros verzockt“, schildert er sein Leben zwischen Sucht und Kriminalität. Selbst seine unmittelbare Umgebung beklaute er. Er stahl einem Freund das Handy. In einem Augsburger Bordell, in dem er als „Hausl“angestellt war, stibitzte er den Dirnen die Geldbörsen – und wurde gefeuert. Leider zu spät, wie der 44-Jährige bedauert, habe er eine neue Lebensgefährtin kennengelernt, die zu ihm halte. „Ich will ein neues Leben anfangen, wegkommen von Alkohol und Spielsucht“, versichert er dem Gericht. Der psychiatrische Gutachter Oliver Kistner will aber nicht von einem Suchtproblem im medizinischen Sinn sprechen. Vielmehr müsse der Angeklagte wieder Struktur in sein Leben bringen, wenn er in Freiheit sei. Alkohol und Sportwetten seien eher mit seiner Langeweile zu begründen. Der Gutachter hält den 44-Jährigen für voll schuldfähig.
Vor der Lebensbeichte des Angeklagten hat Verteidiger Klaus Rödl mit Gericht und Staatsanwaltschaft eine Verfahrensabsprache erzielt. Alle geladenen Zeugen werden wieder weggeschickt, der Prozess stark abgekürzt. Das Problem des Angeklagten: Erst im März dieses Jahres war er vom Amtsgericht in Überlingen am Bodensee zu 16 Monaten Haft verurteilt worden, weil er zweimal in der Bodensee-Therme insgesamt 30 Spinde geknackt hatte. Dieses Urteil muss einbezogen werden. Das Gericht spricht schließlich eine Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten aus.
Damit nicht genug: In München war der Mann außerdem wegen gleicher Delikte zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verknackt worden, die er zurzeit absitzt. Es werden wohl an die fünf Jahre vergehen, ehe der 44-Jährige sein Leben in Freiheit neu ordnen kann – falls er nicht vorzeitig auf Bewährung entlassen wird.