Die letzte Visitenkarte
Sterbebilder gehören zur Trauerkultur. Warum die Pfarreien in Dietkirch eine Gedenkseite im Internet eingerichtet haben
Kutzenhausen Agawang Sammelleidenschaften gibt es unzählige: Porzellanfiguren, Münzen, Ansichtskarten, Plüschtiere, Bierdeckel. Ungewöhnlich ist allerdings die Sammlung, die die Pfarreiengemeinschaft Dietkirch präsentiert. Sie zeigt Sterbebilder auf ihrer Homepage. Ein Genre, das nicht unbedingt das alltägliche Sammlerherz bedient.
Sterbebilder haben für Pfarrer Ralf Putz eine zweifache Bedeutung: Gebets- und Erinnerungsfunktion. In der Tat: Sie dienen als bleibendes Andenken an den Gestorbenen, sind die letzte Visitenkarte für die Hinterbliebenen. Und letztlich im übertragenen Sinn ein Dank des Gestorbenen an denjenigen, der ihn auf seinen letzten Weg begleitet hat. „Sterbebilder laden darüber hinaus ein, den Gestorbenen im Gebet zu gedenken oder um Fürsprache zu bitten“, erklärt Putz.
Die Online-Galerie resultierte aus einer besonderen Idee. Sie entstand beim Projekt „Höfechronik“des Heimatgeschichtlichen Vereins in Agawang. Dahinter steckt die Beschreibung der Ortsgeschichte samt den mehr als 200 Anwesen und Höfen. „Zu dieser Arbeit erhielten wir aus der Bevölkerung nicht nur Fotos und Dokumente, sondern auch viele Sterbebildchen“, sagt der Schriftführer des Heimatgeschichtlichen Vereins, Sebastian Kriener. „Dies alles wurde in die Chroniken der Anwesen mit eingearbeitet.“
Kriener ist ehrenamtlich aber nicht nur beim Heimatverein, sondern auch im Pfarrgemeinderat Agawang aktiv. So gelangten die Bilder zur Kirche. „Da durch die Höfe-Chronik sehr viele Sterbebildchen aus Agawang vorhanden waren, konnte ich damit eine Gedenkseite auf der Homepage unserer damaligen Pfarreiengemeinschaft Kutzenhausen erstellen“, erinnert sich Kriener. Diese sei dann Stück für Stück um die Pfarreien Kutzenhausen und Rommelsried erweitert worden. Dies alles forderte viel Idealismus und Zeit.
Dabei ließ sich der Initiator von der Ökumene leiten. Ganz im Sinne auch vom Vorsitzenden des Pfarrgemeinderats Dietkirch, Armin Hartmuth. „In der Sammlung finden nicht nur die katholischen Verstorbenen, sondern alle ihren Platz“, betont er. Die konfessionsübergreifende Betrachtung liege besonders am Herzen. Dementsprechend wurde der Homepage auch ein Jesu-Zitat vorangestellt: „Alle sollen eins sein, wie du Vater in mir bist und ich in dir.“
Die dort vereinten Sterbebilder sind allerdings weit mehr als nur ein Beitrag zur Pflege des Brauchtums und der Bewahrung des Bewusstseins der Bevölkerung für die Geschichte ihrer Gemeinden. Sie „leben“gleichsam, umfassen Personen aller Alters- und Berufsschichten. Die Daten, die Kleidung, die Berufsbezeichnung, der Verweis auf Auszeichnungen und Ehrungen sowie zuweilen der Hinweis auf die Todesursache geben Auskunft über das Leben des Toten. So sind die „Dietkircher“Bilder unter sozialen, medizinischen und ethnischen Gesichtspunkten vor allem für Heimatkundler und Ahnenforscher interessant. Anderen wiederum wird es um die Gestaltung der Sterbebilder gehen, deren Motive und Zitate im Wandel der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte. „Sie wachsen so zu einer Art Chronik an“, resümiert Pfarrer Ralf Putz.
Das älteste Sterbebild der Sammlung stammt aus dem Jahr 1873. Damals waren die „letzten Visitenkarten“in der breiten Bevölkerung bereits in Mode. Dem Halbbauern von Rommelsried, Vinzenz Neurieder, gestorben am 27. Februar 1873, wird darauf ein „frommes und gutes Leben“bescheinigt.
Vor allem auf den Todeszetteln aus dem 19. Jahrhundert sind die Berufe der Gestorbenen verzeichnet. Dabei begegnen dem Betrachter Angaben wie Pfründner, Ökonom, Wagnermeister und Söldner, bei den Frauen Bezeichnungen wie Privatierswitwe oder Schäfflermeistersund Bierbrauereibesitzersgattin. Raum in der Sammlung nehmen auch Bürgermeister wie Georg Fiehl, Johann Knöpfle oder Martin Zott ein, und an der Front gefallene Soldaten. Letztere ließen im Volksmund die Bezeichnung „Gefallenenbildchen“aufkommen. Heute fehlen oft die Berufsangaben.
Die Homepage-Sterbebilder sind zuweilen ein Abbild der wirtschaftlichen Situation, ob das Land mit guten oder schlechten Zeiten gesegnet war. Bildchen aus den Kriegsjahren weisen dünnes Papier auf. Auch der Wirtschaftsaufschwung ist deutlich erkennbar. In den 1960erJahren werden bunte Motive gedruckt, anfangs mit Darstellungen Heiliger oder biblischer Szenen, später fast ausschließlich auf hochwertigem Papier mit Blumen, Landschaften oder Jahreszeiten.
Die neuen Pfarreien sind noch gar nicht vertreten
Die Sammlung ist übrigens längst nicht am Ende. „Mittlerweile sind wir Teil der großen Pfarreiengemeinschaft Dietkirch“, informiert Sebastian Kriener. Die hinzugekommenen Pfarreien seien in der Sterbebildchen-Gedenkseite noch nicht vertreten. Kriener strahlt aber Zuversicht aus: „Es ist wie immer im Ehrenamt eine Frage der zeitlichen Möglichkeiten.“Das heißt: Fortsetzung folgt.
IDie Sterbebilder sind im Internet zu sehen unter www.pfarreiengemeinschaft diet kirch.de.