Jetzt schlagen die starken Frauen zu
Der Gott des Donners hat abgewirtschaftet und die böse Schwester Hela seinen Hammer zerbröselt. Wie soll der Superheld jetzt noch die Welt retten? Zum Glück hilft ihm die superlässige Valkyrie
„Ich bin Thor, Sohn des Odin, Gott des Donners!“Ja, ja, schon klar. So richtig will sich keiner mehr von den Worten beeindrucken lassen, mit denen sich der nordische Gewittergott vorstellt. Aus den Ketten der Gefangenschaft des gigantischen Feuermonsters kann sich Thor (Chris Hemsworth) mit gewohnter Kaltschnäuzigkeit noch befreien, aber dann ist Schluss mit lustig für den göttlichen Angeber.
Papa Odin (Anthony Hopkins) macht im norwegischen Exil einen finalen Abgang. Die Heimat Asgard scheint dem Untergang geweiht. Und dann ist da noch die Sache mit dem Hammer: Die böse Schwester Hela (Cate Blanchett) hat die Wunderwaffe des Donnergottes einfach kaputt gemacht. Auf ihren blutigen Eroberungsfeldzügen gründeten sich einst Ruhm und Reichtum Asgards. Aber nachdem der Vater sich als Friedensherrscher etablierte, wurde die Tochter abserviert und kehrt nun als veritable Rächerin zurück.
Blanchetts Auftritt als matriarchale Angstfantasie mit schwarzen Lidschatten-Orgien um die Augen und einem okkulten Hirschgeweih auf dem Kopf ist einfach furios. Lässig zerbröselt diese Hela mit einer Hand den Wunderhammer, aus dessen Kräften sich das omnipotente Selbstverständnis des kleinen Bruders speiste – und schon bald wird klar, dass Regisseur Taika Waititi diesem Superhelden gründlich gegen den Strich bürstet. Der AlphaMann landet erst einmal auf der Müllkippe eines fremden Planeten und wird von der versoffenen Kopfgeldjägerin Valkyrie (Tessa Thompson) im Schleppnetz an den örtlichen Herrscher verscherbelt.
Und hier gelingt Waititi der zweite Besetzungs-Coup: Jeff Goldblum spielt den Diktator mit seiner ihm eigenen irrwitzigen Präzision irgendwo zwischen Nero und Heidi Klum. „Früher warst du niemand. Jetzt bist du jemand“, lautet das Firmenmotto seines Planeten Sakaar, dessen „Grandmaster“das Volk mit Gehirnwäsche, Gewalt und Gladiatorenspektakeln gefügig hält. Auch Thor wird in die Arena geschickt, wo er auf einen alten Bekannten trifft. Nach seiner schrägen Vampirkomödie „5 Zimmer Küche Sarg“hat sich der neuseeländische Regisseur Waititi aus dem Underground-Kino direkt nach Hollywood katapultiert und „Marvel“hätte keinen Besseren einstellen können. Der Firmenneuling bringt jenen frischen Blick auf das Superhelden-Genre mit, den das oftmals allzu selbstherrliche „Marvel Cinematic Universe“dringend nötig hat.
Immer wieder bricht Waititi das heroische Pathos auf und findet selbst im Digitalgewitter des Finales noch Zeit für abrupte Ironisierungen. Der Schlüssel zur Erneuerung liegt vor allem im feministischen Input, um die Hypermaskulinisierung des Genres süffisant zu unterwandern. Nach dem Erfolg von „Wonder Woman“des Konkurrenten DC scheint sich auch bei Marvel langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass starke, interessante Frauenfiguren die Coolness eines Produktes erheblich steigern können. Selbst wenn der gepeinigte Thor am Ende auch ohne seinen Hammer noch ein bisschen die Welt retten darf, sind es Blanchetts grandiose Finsterfrau Hela und die superlässige Valkyrie von Tessa Thompson („Selma“), die mit dem Film einfach davonlaufen.
Bis zur vollständigen Gleichstellung wird im Superhelden-Genre ebenso wie in den Chefetagen Hollywoods noch einige Zeit ins Land ziehen, aber mit „Ghost in the Shell“, „Wonder Woman“, diesem feinen „Thor“und der Entlassung Harvey Weinsteins wurde in diesem Kinojahr auf jeden Fall der richtige Weg eingeschlagen.