Hier helfen sich die Nachbarn gegenseitig
Der Generationenpark in Königsbrunn will mehr sein als nur eine Anlage mit bezahlbaren Wohnungen. Die Idee kommt an, das Modell ist vom Sozialministerium ausgezeichnet. Warum der Leiter dennoch vor zu hohen Erwartungen warnt
Königsbrunn Der Mehrgenerationenpark ist kein Paradies, keine heile Welt ohne Probleme – Achim Friedrich, der Leiter der Königsbrunner Wohnanlage, warnt vor zu großen Erwartungen. Trotzdem stellen die Häuserzeilen im Zentrum der größten Stadt im Landkreis Augsburg eine Besonderheit dar: Dort wird nicht nur bezahlbarer Wohnraum angeboten, sondern auch allerlei Hilfestellungen für Menschen im Alter. Und nicht nur für sie. Die Unterstützung kommt dabei nicht „nur“von Angestellten, sondern zu allererst von den Nachbarn. Denn das Wort „Hausgemeinschaft“wird hier gelebt. Von den Königsbrunner Erfahrungen wollen andere Kommunen lernen.
250 Menschen leben in den 90 Wohnungen im Mehrgenerationenpark. 56 Prozent der Bewohner sind Erwachsene zwischen 18 und 59 Jahren, 14 Prozent Senioren über 60, sechs Nationalitäten sind vertreten. Das ganze Haus ist barrierefrei errichtet, sechs Wohnungen für die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern ausgelegt. Senioren leben neben jungen Familien, Menschen mit Handicap neben Nicht-Behinderten. Ein Teil der Wohnungen ist sozial gefördert. Dazu gibt es einen großen Gemeinschaftsraum mit Küche, einen Waschsalon, Fitnessgeräte, eine Dachterrasse und eine Gästewohnung – all das können die Bewohner kostenlos nutzen, müssen sie aber nicht. Friedrich: „Wir wollen Begegnungen ermöglichen und bieten dafür Gelegenheiten an, aber niemand wird gezwungen, teilzunehmen.“2014 gewannen die Königsbrunner den Miteinander-Preis des bayerischen Sozialministeriums.
Zwei Bereiche machen den Generationenpark für Friedrich besonders: seine Zukunftsfähigkeit und eine gepflegte Nachbarschaft. Zukunftsfähig macht die Wohnanlage ihre Lage und die Infrastruktur: Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindergärten, Freizeitangebote, Bushaltestellen – alles ist schnell zu Fuß erreichbar. „In Dörfern ist das zum Beispiel oft schon seit Jahren nicht mehr gegeben. Und dadurch wird es für viele Menschen im Alter schwierig, dort wohnen zu bleiben“, sagt Friedrich.
Punkt „Gute Nachbarschaft“spielt schon bei der Vergabe der Wohnungen eine Rolle. In Gesprächen wird auch das Interesse abgefragt, Teil der Hausgemeinschaft zu sein. „Bei uns kennt man sich, weiß
Achim Friedrich, Leiter des Wohnparks
von seinem Nachbarn“, sagt Achim Friedrich. So können die Nachbarn schnell helfen, wenn Not am Mann ist. Das funktioniere gut, sagt der Leiter. Zuletzt musste ein älterer Mann nach einem Verkehrsunfall ins Krankenhaus. Seine Frau sitzt im Rollstuhl, den Wechsel vom elektrisch betriebenen in den normalen Stuhl schafft sie aber nicht alleine. Hier helfen jetzt die Nachbarn, andere bieten an, für die Frau einzukaufen. Und der Park organisiert einen Fahrdienst für die Frau zum Krankenbesuch, ergänzt Friedrich. „Wenn wir diese beiden Punkte, Zukunftsfähigkeit und gute Nachbarschaft, dauerhaft hinbekommen, ist es ein super Wohnen.“Mit dem bisher Erreichten ist man in Königsbrunn zufrieden.
Das Schlimmste, was einem Projekt wie dem Generationenpark passieren könne, sei eine Überfrachtung mit Erwartungen, sagt Friedrich. Streit unter Nachbarn gebe es, auch sei aus dem Gemeinschaftsraum schon einmal das Besteck verschwunden – obwohl bedürftigen Bewohnern auch bei solchen NotlaDer gen Hilfe zur Verfügung stünde. Bewohner sind auch schon frustriert wieder ausgezogen: „Das waren Menschen, die sich engagiert und viel gegeben haben. Doch sie haben das von den anderen Bewohnern auch erwartet. Das hat nicht funktioniert“, sagt Achim Friedrich.
Trotz der kleinen Schwächen gibt es Wartelisten für alle Wohnungen, Interessenten melden sich aus dem ganzen Bundesgebiet: „Gerade Menschen, die nicht aus der Region kommen, schätzen, dass für den Notfall auch Ersatzgroßeltern bereitstehen.“Interessenten bewerben sich bei der Königsbrunner Wohnungsbaugesellschaft GWG und geben eine Selbstauskunft ab. Wenn eine passende Wohnung frei wird, werden Kandidaten zu einem Gespräch eingeladen.
Das Modell des Mehr-Generationen-Wohnens stößt in der Region auf viel Interesse – mit Blick auf die steigende Zahl an Senioren steigt die Nachfrage nach Wohnkonzepten, die es ermöglichen, das Menschen ihre eigenen vier Wände haben, auch wenn sie nicht mehr so mobil sind. Konkrete Pläne für ähnliche Anlagen hat Achim Friedrich schon für Gersthofen und Augsburg-Göggingen erstellt. Immer wieder gibt es Anfragen und Besuche von Delegationen – aus Schwabmünchen, Landsberg und Neusäß ebenso wie aus Niedersachsen. Doch auch hier warnt Friedrich vor zu hohen Erwartungen: „Wir sind ein Baustein, um die Frage des Lebens im Alter anzugehen. Wir werden aber auch in Königsbrunn noch einige Ideen mehr brauchen.“
„Bei uns kennt man sich, weiß auch von seinem Nachbarn.“