In Mainz schmeckt der Wein säuerlich
Der FSV-Vorsitzende hat als erfolgreicher Unternehmer mit Essig-Essenz sein Geld verdient. Der Edel-Fan scheint mit der Führung des Bundesligisten aber überfordert
An Spieltagen des FSV Mainz 05 trägt Johannes Kaluza immer eine rote Hose als Hommage an den Verein. So verdeutlicht der Vorstandschef des Bundesligisten seine Verbundenheit. Auch bei Werbespots für seine Essig-Essenz – die stark taillierte Surig-Flasche ist in vielen Haushalten zu finden – nützte der erfolgreiche Unternehmer gerne mal Vereinsutensilien. Kaluza hatte den angeschlagenen Essig-EssenzHersteller Speyer & Grund 2001 übernommen. Seitdem floriert das Geschäft. Kaluza selbst gab Tipps, wie man ein verschwitztes MainzTrikot mit seiner Essig-Essenz hygienisch sauber und geruchsfrei waschen kann. Marketing-Experte Kaluza hatte für die Werbeclips extra einen eigenen Youtube-Kanal eingerichtet.
Nachdem Kaluza Ende Juni unter tatkräftiger Mithilfe der Ultras zum FSV-Chef gewählt wurde, hat er seine Firma verkauft. Der glühende Mainz-Fan war plötzlich Vereinschef. Darauf wollte er sich konzentrieren. Doch mit der eigenen Vermarktung klappt es bei dem 63-Jährigen nicht so. Nach nur 150 Tagen im Amt steht der Außenseiter schon wieder vor dem Aus, seine Geschäftsführer forderten ihn zum Rücktritt auf. Vorwurf: Inkompetenz. Die Welt titelte: „Dieser Präsident ist seinem Klub peinlich.“
Kaluza soll, so wird berichtet, FSV-Torhüter Jannik Huth nicht erkannt und auf Englisch angesprochen haben. Im Trainingslager machte er Selfies mit Torhüter René Adler. Kaluza schrieb sich bei seinem Wahlkampf den Kampf gegen den Kommerz auf die Fahnen, zog unter anderem damit auch die Ultras auf seine Seite. Erst einmal gewählt, forderte er jetzt eine durchaus üppige Aufwandsentschädigung und ein Dienstauto. Bei Sportvorstand Rouven Schröder verspielte er schon früher jeglichen Kredit, als er ernsthaft ein gemeinsames Training von Fans und Profis vorschlug. Gut möglich, dass der FSV Mainz 05 den dritten Vereinschef in wenigen Monaten sieht. Im April soll es womöglich schon Neuwahlen geben.
Dabei galt der FSV Mainz 05 lange als das Symbol eines Vereins mit Kontinuität und Bodenhaftung in der Bundesliga. 29 Jahre führte Harald Strutz den Klub. Vorbildlich, dachte man. Bis herauskam, dass der eigentlich ehrenamtlich arbeitende Vereinschef eine nette Aufwandsentschädigung und ein gutes Beraterhonorar (insgesamt 23 000 Euro) kassierte. 24 Jahre sorgte Christian Heidel zudem für Konstanz auf dem Managerposten und für sportlichen Aufschwung. Doch 2016 wechselte der ehemalige Autohändler zu Schalke 04.
Seitdem versucht sein Nachfolger Rouven Schröder, 42, dem FSV Mainz 05 eine neue Identität zu geben. Da tut sich der Ex-Profi schwerer als gedacht. Zwar hat Mainz, immer noch ein eingetragener Verein, beim Umsatz längst die 100-Millionen-Marke durchbrochen, doch sportlich konnte man bisher noch nicht an die Ära von Trainer Thomas Tuchel (2009 bis 2014) anknüpfen.
Kasper Hjulmand war ein Fehlgriff, Nachfolger Martin Schmidt wurde zwar im ersten Jahr Sechster, doch in der vergangenen Saison spielte man lange gegen den Abstieg. Als der Klassenerhalt geschafft war, trennte man sich einvernehmlich. Schmidt trainiert inzwischen Wolfsburg. Mit dem 39-jährigen Sandro Schwarz blieb Mainz seiner Tradition treu, den Posten des Cheftrainers aus dem eigenen Stall zu besetzen.
Schwarz ist in Mainz geboren, spielte von 1997 bis 2004 beim FSV in der zweiten Liga und übernahm 2013 beim FSV die U19. Im Februar 2015 folgte er auf Martin Schmidt als U23-Trainer. Am 31. Mai wurde Schwarz dann zum BundesligaCoach befördert.
Doch der Trainer-Neuling sucht mit seiner Mannschaft nach Konstanz. Zu Hause mit 13 Punkten von 15 möglichen eine Macht, holten die Mainzer auswärts erst zwei Zähler. Zuletzt verlor man beim SC Freiburg 1:2 und hat damit bisher vier Zähler weniger als der FCA eingesammelt. Das ist Trainer Schwarz zu wenig. Vor dem Spiel am heutigen Samstag (15.30 Uhr) erklärte er: „Unser Ziel ist es, das Anspruchsdenken weiter nach oben zu schrauben.“Er warnt allerdings: „Die Lobeshymnen erhalten die Augsburger völlig zu Recht. Man erkennt bei ihnen eine klare Handschrift von Trainer Manuel Baum.“
Beim FSV ist es noch nicht sicher, ob Innenverteidiger Abdou Diallo und Stürmer Yoshinori Muto spielen können. Trotzdem gibt es für Schwarz nur ein Ziel: einen Sieg. Damit würde auch die hochexplosive Stimmung abseits des Spielfelds etwas entschärft. Mit sportlichem Erfolg könnte sich wohl die Führungskrise leichter lösen lassen.
Der FCA erscheint da genau der richtige Gegner. Er verlor die letzten fünf Auswärtsspiele in der OpelArena. Der letzte und bisher einzige Sieg in Mainz datiert vom 15. Oktober 2011. Jan-Ingwer Callsen-Bracker verwandelte einen Foulelfmeter (88.) zum 1:0-Endstand. Es war ein wichtiger Erfolg: Es war der erste FCA-Sieg in der Bundesliga.