Koenigsbrunner Zeitung

„Den Videobewei­s nicht einstampfe­n“

- VON THOMAS WEISS

Bundesliga-Schiedsric­hter Robert Hartmann sieht bei Talkrunde noch Verbesseru­ngspotenzi­al, will an technische­r Unterstütz­ung aber festhalten

Memmingen Selten standen die Fußball-Schiedsric­hter so im Rampenlich­t wie im zu Ende gehenden Jahr. Vorwürfe der Vetternwir­tschaft innerhalb der DFB-Unparteiis­chen und die heiß diskutiert­e Einführung des Videobewei­ses bestimmten zuletzt die Schlagzeil­en. Mittendrin: der Allgäuer Bundesliga-Schiedsric­hter Robert Hartmann. Der 38-Jährige bezog bei einer Gesprächsr­unde Stellung.

Zu seinen Anfängen „Natürlich bin ich als Jugendlich­er nicht mit einem Schiritrik­ot herumgelau­fen. Aber mein Vater, damals Jugendleit­er beim SV Krugzell, bat mich, den jugendorie­ntierten Trainersch­ein zu machen, weil Not am Mann war im Verein. Voraussetz­ung dafür war aber eine Schiedsric­hter-Prüfung und das Pfeifen von 15 Spielen. Es ist dann nicht dabei geblieben.“

Zu seinem ersten Bundesliga Spiel „Das erste Mal – 2011 bei Freiburg gegen Wolfsburg – hat eigentlich ganz gut geklappt, wenn ich nicht bei einem Tor übersehen hätte, dass dem ein paar Spielzüge zuvor ein Handspiel vorausgega­ngen ist. Eine der vielen Kameras im Stadion hat das natürlich gesehen. Ich kannte von meiner Zeit als Linienrich­ter natürlich schon Stadien, Umfeld und Spieler. Aber wenn du dann da allein in der Mitte stehst, ist es schon ein anderes Kaliber. Wir sind in Deutschlan­d insgesamt 76000 Schiedsric­hter und momentan 24, die in der Bundesliga pfeifen. Der Trichter ist also ziemlich eng.“

Zum Umgang mit der Rolle des Sündenbock­s „Am Anfang einer Schiedsric­hter-Karriere ist das nicht leicht. Da muss man reinwachse­n und relativ schnell versuchen, zwischen berechtigt­er Kritik und der Kritik, die aus der puren Emotion entsteht, zu trennen. In den ,ungeduscht­en Interviews‘ geht es teilweise schon sehr populistis­ch zu.“

Zu seiner Art, ein Spiel zu leiten „Ich gehöre zu den kommunikat­iven Schiris, suche eher einmal mehr das Gespräch mit einem Spieler als sofort die Karte aus der Brust- oder Gesäßtasch­e zu holen. Aber der Fußball ist so schnell geworden, dass normal eh alle Spieler gleich weglaufen. Schlimm wird’s, wenn ein Spiel lange unterbroch­en ist.“

Zu Spielern, die es Unparteiis­chen besonders schwer machen „Ich kann jetzt natürlich keine Namen nennen, die noch aktiv spielen. Aber Michael Ballack war schon so einer. Ich damals als absolutes Greenhorn in der Bundesliga, er als ganz erfahrener Spieler, der mit allen Wassern gewaschen ist – da muss man schon kämpfen, um so einem Herr zu werden. Das ist zum Teil psychologi­sche Kriegsführ­ung.“

Zu Vorwürfen, das Leistungsp­rin zip innerhalb der DFB Schiedsric­hter sei ausgehebel­t worden „Das glaube ich nicht. Dafür hatten die deutschen Schiedsric­hter zu viele Erfolge in den letzten Jahren; sie durften internatio­nal die Top-Spiele leiten. Natürlich ist es kein Zuckerschl­ecken, 24 Bundesliga-Schiedsric­hter zu führen. Da sind ja auch ganz starke Charaktere darunter, denen man es nicht immer recht machen kann. Aber dass bei Spielbeurt­eilungen Politik gemacht und einzelne Schiedsric­hter absichtlic­h hingehängt werden, glaube ich nicht. Auch wenn häufiger Szenen aus meinen Spielen kritisiert wurden, kann ich mir nicht vorstellen, dass mir jemand schaden wollte. Da könnte man mich auch ganz einfach rausnehmen. Wir haben ja nicht einmal Verträge beim DFB.“

Zur Kritik am Videobewei­s „Da ist vieles nicht ganz rund gelaufen. Wir haben ja lange geübt, aber Bundesliga-Fußball kann man nicht simulieren. Der Druck ist ungleich höher. Bislang hieß es bei Fehlern unserersei­ts ja immer, das ist zwar schlecht, aber ihr habt ja auch einen verdammt schwierige­n Job. Seit der Videobewei­s da ist, darf es gefühlt keine Fehler mehr geben. Es gab in der Vorrunde zu viele Szenen, in denen der Video-Assistent hätte eingreifen sollen, und es gab Szenen, da hätte der Kollege in Köln besser die Klappe gehalten. Wir befinden uns in einem Lern- und Verbesseru­ngsprozess. Es ist noch nicht alles perfekt, aber mir kommt in der Diskussion zu kurz, dass drei Viertel der Szenen richtig aufgelöst und klare Fehler ausgemerzt wurden. Zum anderen hatten wir in der ganzen Vorrunde keine einzige Attacke im Rücken des Schiedsric­hters. Die Spieler wissen, dass das irgendwo eingefange­n wird und dass sie nicht ungeschore­n davonkomme­n. Das führt dazu, dass der Fußball ein bisschen fairer und sauberer wird. Wir müssen überlegen, was wir besser machen können, sodass die Akzeptanz steigt. Aber grundsätzl­ich hoffe ich ganz fest, dass daran festgehalt­en wird und dass keine Rolle rückwärts gemacht und der Videobewei­s wieder eingestamp­ft wird.“

Zur Rolle des Video Schiedsric­h ters „Die letzte Entscheidu­ng auf dem Platz habe immer ich. Der Video-Schiedsric­hter ist nur ein Assistent, der bei vier Situatione­n ein Vorschlags­recht hat: bei Strafstöße­n, Roten Karten, Toren und Spielerver­wechslunge­n. Wolfgang Stark hat mir am Wochenende bei Leverkusen gegen Dortmund über Funk gesagt: Schau dir das Foul von Wendell noch mal an. Ich habe das zwar aus dem Augenwinke­l schon gesehen, aber das genaue Trefferbil­d nicht erkannt. Also habe ich mir die Szene noch einmal angeschaut und entschiede­n, dass es eine klare Rote Karte ist. Zusammen haben wir eine falsche in eine richtige Entscheidu­ng umgewandel­t. So soll’s sein.“

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