„Den Videobeweis nicht einstampfen“
Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hartmann sieht bei Talkrunde noch Verbesserungspotenzial, will an technischer Unterstützung aber festhalten
Memmingen Selten standen die Fußball-Schiedsrichter so im Rampenlicht wie im zu Ende gehenden Jahr. Vorwürfe der Vetternwirtschaft innerhalb der DFB-Unparteiischen und die heiß diskutierte Einführung des Videobeweises bestimmten zuletzt die Schlagzeilen. Mittendrin: der Allgäuer Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hartmann. Der 38-Jährige bezog bei einer Gesprächsrunde Stellung.
Zu seinen Anfängen „Natürlich bin ich als Jugendlicher nicht mit einem Schiritrikot herumgelaufen. Aber mein Vater, damals Jugendleiter beim SV Krugzell, bat mich, den jugendorientierten Trainerschein zu machen, weil Not am Mann war im Verein. Voraussetzung dafür war aber eine Schiedsrichter-Prüfung und das Pfeifen von 15 Spielen. Es ist dann nicht dabei geblieben.“
Zu seinem ersten Bundesliga Spiel „Das erste Mal – 2011 bei Freiburg gegen Wolfsburg – hat eigentlich ganz gut geklappt, wenn ich nicht bei einem Tor übersehen hätte, dass dem ein paar Spielzüge zuvor ein Handspiel vorausgegangen ist. Eine der vielen Kameras im Stadion hat das natürlich gesehen. Ich kannte von meiner Zeit als Linienrichter natürlich schon Stadien, Umfeld und Spieler. Aber wenn du dann da allein in der Mitte stehst, ist es schon ein anderes Kaliber. Wir sind in Deutschland insgesamt 76000 Schiedsrichter und momentan 24, die in der Bundesliga pfeifen. Der Trichter ist also ziemlich eng.“
Zum Umgang mit der Rolle des Sündenbocks „Am Anfang einer Schiedsrichter-Karriere ist das nicht leicht. Da muss man reinwachsen und relativ schnell versuchen, zwischen berechtigter Kritik und der Kritik, die aus der puren Emotion entsteht, zu trennen. In den ,ungeduschten Interviews‘ geht es teilweise schon sehr populistisch zu.“
Zu seiner Art, ein Spiel zu leiten „Ich gehöre zu den kommunikativen Schiris, suche eher einmal mehr das Gespräch mit einem Spieler als sofort die Karte aus der Brust- oder Gesäßtasche zu holen. Aber der Fußball ist so schnell geworden, dass normal eh alle Spieler gleich weglaufen. Schlimm wird’s, wenn ein Spiel lange unterbrochen ist.“
Zu Spielern, die es Unparteiischen besonders schwer machen „Ich kann jetzt natürlich keine Namen nennen, die noch aktiv spielen. Aber Michael Ballack war schon so einer. Ich damals als absolutes Greenhorn in der Bundesliga, er als ganz erfahrener Spieler, der mit allen Wassern gewaschen ist – da muss man schon kämpfen, um so einem Herr zu werden. Das ist zum Teil psychologische Kriegsführung.“
Zu Vorwürfen, das Leistungsprin zip innerhalb der DFB Schiedsrichter sei ausgehebelt worden „Das glaube ich nicht. Dafür hatten die deutschen Schiedsrichter zu viele Erfolge in den letzten Jahren; sie durften international die Top-Spiele leiten. Natürlich ist es kein Zuckerschlecken, 24 Bundesliga-Schiedsrichter zu führen. Da sind ja auch ganz starke Charaktere darunter, denen man es nicht immer recht machen kann. Aber dass bei Spielbeurteilungen Politik gemacht und einzelne Schiedsrichter absichtlich hingehängt werden, glaube ich nicht. Auch wenn häufiger Szenen aus meinen Spielen kritisiert wurden, kann ich mir nicht vorstellen, dass mir jemand schaden wollte. Da könnte man mich auch ganz einfach rausnehmen. Wir haben ja nicht einmal Verträge beim DFB.“
Zur Kritik am Videobeweis „Da ist vieles nicht ganz rund gelaufen. Wir haben ja lange geübt, aber Bundesliga-Fußball kann man nicht simulieren. Der Druck ist ungleich höher. Bislang hieß es bei Fehlern unsererseits ja immer, das ist zwar schlecht, aber ihr habt ja auch einen verdammt schwierigen Job. Seit der Videobeweis da ist, darf es gefühlt keine Fehler mehr geben. Es gab in der Vorrunde zu viele Szenen, in denen der Video-Assistent hätte eingreifen sollen, und es gab Szenen, da hätte der Kollege in Köln besser die Klappe gehalten. Wir befinden uns in einem Lern- und Verbesserungsprozess. Es ist noch nicht alles perfekt, aber mir kommt in der Diskussion zu kurz, dass drei Viertel der Szenen richtig aufgelöst und klare Fehler ausgemerzt wurden. Zum anderen hatten wir in der ganzen Vorrunde keine einzige Attacke im Rücken des Schiedsrichters. Die Spieler wissen, dass das irgendwo eingefangen wird und dass sie nicht ungeschoren davonkommen. Das führt dazu, dass der Fußball ein bisschen fairer und sauberer wird. Wir müssen überlegen, was wir besser machen können, sodass die Akzeptanz steigt. Aber grundsätzlich hoffe ich ganz fest, dass daran festgehalten wird und dass keine Rolle rückwärts gemacht und der Videobeweis wieder eingestampft wird.“
Zur Rolle des Video Schiedsrich ters „Die letzte Entscheidung auf dem Platz habe immer ich. Der Video-Schiedsrichter ist nur ein Assistent, der bei vier Situationen ein Vorschlagsrecht hat: bei Strafstößen, Roten Karten, Toren und Spielerverwechslungen. Wolfgang Stark hat mir am Wochenende bei Leverkusen gegen Dortmund über Funk gesagt: Schau dir das Foul von Wendell noch mal an. Ich habe das zwar aus dem Augenwinkel schon gesehen, aber das genaue Trefferbild nicht erkannt. Also habe ich mir die Szene noch einmal angeschaut und entschieden, dass es eine klare Rote Karte ist. Zusammen haben wir eine falsche in eine richtige Entscheidung umgewandelt. So soll’s sein.“