Der lange Weg zum Stall
In Wehringen spielen viele Familien die Herbergssuche und erinnern damit an die Botschaft der Geburt Jesu in einfachen Verhältnissen aber mit dem göttlichen Ziel, den Menschen einen Weg zu weisen
Wehringen Es ist dunkel in Wehringen und kalt. Die meisten Menschen sind in ihren warmen Häusern. Nur ab und zu flackert ein helles Licht durch die Nacht. Je näher man zur Pfarrkirche St. Georg kommt, desto mehr Lichter werden es. Die Menschen versammeln sich dort, um sich gemeinsam auf die Herbergssuche zu begeben.
Organisiert hat diese Veranstaltung, die schon seit über 15 Jahren im Advent Tradition im Ort hat, das Familiengottesdienst-Team. Auf unterschiedlichen Wegen führt die Suche nach der Herberge durch den Ort. Begonnen wird auf der Nordseite der Kirche und hier treffen sich bei Pfarrer Hubert Ratzinger auch die vielen Lichter und Laternen, die die Menschen dabei haben.
Eines Tages befahl Kaiser Augustus: „Alle Menschen in meinem Reich sollen dahin gehen, wo sie auf die Welt gekommen sind. Ich will sie zählen lassen.“Maria, die ein Kind erwartete, und Josef machten sich deshalb auf den weiten Weg von Nazareth nach Bethlehem, denn dort war Josef geboren. Über 2000 Jahre später gehen in Wehringen Laura Deuringer als Maria und Gabriel Kastler als Josef dem Zug voran. Sie werden erst zu den Hirten (Ministranten) geschickt, die vor dem Wasserturm ihr Lager aufgeschlagen haben. Auf Strohballen sitzen sie dort, umgeben von ihren Schafen, die der Obst- und Gartenbauverein gestellt hat. Dort fragen sie, ob jemand eine Herberge kennt. Die Hirten bieten sich gleich an, dem Paar bei der Suche zu helfen. Eine Bläsergruppe des Musikvereins Wehringen spielt die einzelnen Stationen an.
Nach langer Zeit kamen sie in Bethlehem an und waren sehr müde. Sie klopften an die Tür einer Herberge, doch der Wirt dort wies sie ab: „Ich kenne euch nicht, ihr seht fremd aus. Wieso habt ihr euch nicht früher um einen Übernachtungsplatz gekümmert?“. Auch an der nächsten Türe, an der Maria und Josef klopften, wurden sie weitergeschickt. So gehen nun Maria, Josef und die Hirten, gefolgt von den anderen Teilnehmern der Prozession durch Wehringen. Gemeinsam wird gesungen, Pfarrer Hubert Ratzinger gibt den Ton an. Bei drei Familien in der Grüntenstraße, der Bergstraße und der Alpenstraße klopfen sie vergeblich an die Türen. Rüde werden sie abgewiesen und weitergeschickt, bevor man ihnen die Tür vor der Nase zuschlägt. Gebannt verfolgen die rund dreißig mitlaufenden Kinder die vorgespielte Weihnachtsgeschichte.
Der dritte Wirt schließlich hatte Mitleid mit dem Paar. Er gab ihnen zwar keinen Platz in seiner Herberge, zeigte ihnen aber einen kleinen Stall, in dem sie sich niederlassen konnten. In der Nacht bekam Maria einen Sohn, den sie Jesus nannte. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe, die eigentlich für die Tiere bestimmt war. So endet die Herbergssuche im Hof der Familie Mahr. Maria, Josef und die Hirten lassen sich auf den Strohballen im schön geschmückten Stall nieder. Die Teilnehmer der Herbergssuche lassen sich vom Pfarrgemeinderat mit heißen Würstchen, Kinderpunsch und Glühwein verwöhnen und aufwärmen.
Pfarrer Hubert Ratzinger ist wieder einmal von der gut organisierten Veranstaltung begeistert: „Die Herbergssuche ist eine ganz wichtige Tradition in der Vorbereitungszeit auf Weihnachten in Wehringen. Man versucht, sich mit den Menschen, die keine warme Wohnung haben, zu identifizieren und merkt, was es heißt, immer wieder abgewiesen zu werden“, sagt er. Auch Gott habe es heute schwer, in den Herzen der Menschen anzukommen, sagt Ratzinger: „Ich hoffe, dass die Menschen hier ein offenes Herz haben für Gott.“
Bald darauf verkündeten die Engel den Hirten auf dem Feld: „Fürchtet euch nicht! Wir bringen euch große Freude. In Bethlehem steht ein Stall. Über ihm leuchtet ein heller Stern. Dort findet ihr ein Kind. Das ist Jesus Christus, der Sohn Gottes.“Der Klang des Musikvereins hallt in Wehringen nach.