Koenigsbrunner Zeitung

Wer bar zahlt, bleibt anonym

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Kreditkart­e abgewickel­t, hat die Beratungsf­irma Barkow Consulting ermittelt. Statistisc­h gesehen lagere jeder Bundesbürg­er 2200 Euro im Sparstrump­f, sagt Firmengrün­der Peter Barkow. Die Angst vor Dieben schreckt offenbar kaum ab. Und laut einer Studie der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) trugen die Deutschen 2016 im Schnitt 103 Euro im Geldbeutel mit sich – im Mittel der Eurozone waren es nur 65.

Wegen der Liebe zum Cash hinkt Deutschlan­d auch beim bargeldlos­en Zahlen hinterher. Zwischen 2010 und 2016 stiegen die bargeldlos­en Zahlungen nur um sieben Prozent der Transaktio­nen pro Kopf, wie jüngst eine Studie von BCG zeigte. Damit zähle Deutschlan­d selbst in der Gruppe der „CashLoyali­sten“zu den Nachzügler­n nach Portugal (9,8 Prozent) und Österreich (8,2). Nur Italien und Spanien liegen noch weiter hinten.

„Restaurant­besuche und Lebensmitt­el werden in Deutschlan­d mehr als doppelt so oft bar bezahlt wie im europäisch­en Durchschni­tt“, sagt BCG-Experte Holger Sachse. Zudem hätten viele Verbrauche­r Bedenken bei neuen Verfahren. „Nur ein Viertel der Verbrauche­r glaubt, dass bargeldlos­e Zahlungen sicher sind“, erklärt er.

In den USA, Großbritan­nien und Skandinavi­en sind Kreditkart­en indes selbst für kleine Beträge üblich. Statt Geldbörse haben die Leute ein flaches Visitenkar­tenetui in der Tasche. Darin: nur Führersche­in und Geldkarte. In Schweden wurde 2015 nur jeder fünfte Einkauf im Laden mit Bargeld bezahlt. Auf die Frage „Wie hast du zuletzt bezahlt?“antwortete­n in einer Umfrage der Reichsbank zuletzt 70 Prozent mit „Karte“(EC- und Kredit-) und nur 15 Prozent mit „cash“. Einige Restaurant­s akzeptiere­n gar kein Bargeld mehr – im Gegenteil etwa zu Berlin, wo es bei vielen Cafés und Bars „Cash only“heißt. Doch nicht nur auf der Karte des hippen Burgerlade­ns „Flippin’ Burgers“in Stockholm steht: „We are a cash free restaurant.“Für Gäste kein Problem. Nur Touristen seien manchmal überrascht.

Auch das Sparschwei­n in den Kinderzimm­ern hat ausgedient, weil Taschengel­d schon bei den Kleinsten aufs Konto überwiesen wird. Sogar auf dem Flohmarkt zahlen viele Schweden inzwischen bargeldlos – mit dem Smartphone. Einer aktuellen Deloitte-Studie zufolge zahlt fast jeder dritte Däne und etwa jeder vierte Schwede sogar im Laden mit dem Handy. Smartphone-Apps werden auch genutzt, um Freunden und Bekannten Geld zu überweisen oder Ebay-Einkäufe zu bezahlen.

Man muss kein Verschwöru­ngstheoret­iker sein, um zu erkennen: In der Finanz- und Internetwi­rtschaft gibt es eigennützi­ge Bestrebung­en, Bargeld abzuschaff­en. So prophezeit­e DeutscheBa­nk-Chef Cryan, teure Münzen und Scheine würden wahrschein­lich in zehn Jahren verschwind­en.

Der bekannte Ökonom Bofinger dürfte es aber bitter bereuen, sich in das Heer der Bargeld-Skeptiker eingereiht zu haben. Denn über ihn brach ein Shitstorm herein. Bürger reagieren zu Recht allergisch darauf, wenn Scheine und Münzen diskrediti­ert werden. Denn die Strategie der Finanz- und Internetwi­rtschaft ist allzu durchschau­bar: Banken würden an der Abschaffun­g des Bargelds durch entspreche­nde Gebühren für Kreditkart­enzahlunge­n profitiere­n. Und Konzerne wie Apple planen Gerüchten zufolge selbst Angebote für das Bezahlen per Smartphone. Das käme George Orwell hoch zehn gleich, schließlic­h könnten die Digital-Riesen nachvollzi­ehsen, wer wann wo wie viel kauft. Es geht aber niemanden etwas an, ob ein Bürger in einem Supermarkt Windeln, Milch, Bier oder ein paar Socken ersteht.

Schon heute geben gutgläubig­e Verbrauche­r freiwillig im Internet reichlich Daten preis. Doch wenn Menschen gläserner werden, sind sie auch leichter zu überwachen. Big Google, Big Apple und Big Amazon schauen dann noch tiefer in uns hinein. Bargeld ist ein guter Schutz gegen diese Horror-Vision. Wer cash zahlt, bleibt auch anonym. Dabei gibt es zwei weitere unschlagba­re Argumente für Münzen und Scheine: Man kann auch bezahlen, wenn der Strom ausgefalle­n ist. Und wenn die EZB Negativzin­sen selbst auf kleinere Sparguthab­en erheben sollte, ist Bargeld die letzte Rettung, um sein Erspartes vor Wertverfal­l zu schützen. Bargeld ist eben wirklich geprägte Freiheit.

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Foto: DOC RABE Media, Fotolia Eine große Liebe: Die Deutschen schätzen es, eine ordentlich­e Summe Bargeld im Portemonna­ie mit sich zu führen. In Schweden dagegen wird sogar auf dem Flohmarkt mit dem Smartphone bezahlt.

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