Wer bar zahlt, bleibt anonym
Kreditkarte abgewickelt, hat die Beratungsfirma Barkow Consulting ermittelt. Statistisch gesehen lagere jeder Bundesbürger 2200 Euro im Sparstrumpf, sagt Firmengründer Peter Barkow. Die Angst vor Dieben schreckt offenbar kaum ab. Und laut einer Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) trugen die Deutschen 2016 im Schnitt 103 Euro im Geldbeutel mit sich – im Mittel der Eurozone waren es nur 65.
Wegen der Liebe zum Cash hinkt Deutschland auch beim bargeldlosen Zahlen hinterher. Zwischen 2010 und 2016 stiegen die bargeldlosen Zahlungen nur um sieben Prozent der Transaktionen pro Kopf, wie jüngst eine Studie von BCG zeigte. Damit zähle Deutschland selbst in der Gruppe der „CashLoyalisten“zu den Nachzüglern nach Portugal (9,8 Prozent) und Österreich (8,2). Nur Italien und Spanien liegen noch weiter hinten.
„Restaurantbesuche und Lebensmittel werden in Deutschland mehr als doppelt so oft bar bezahlt wie im europäischen Durchschnitt“, sagt BCG-Experte Holger Sachse. Zudem hätten viele Verbraucher Bedenken bei neuen Verfahren. „Nur ein Viertel der Verbraucher glaubt, dass bargeldlose Zahlungen sicher sind“, erklärt er.
In den USA, Großbritannien und Skandinavien sind Kreditkarten indes selbst für kleine Beträge üblich. Statt Geldbörse haben die Leute ein flaches Visitenkartenetui in der Tasche. Darin: nur Führerschein und Geldkarte. In Schweden wurde 2015 nur jeder fünfte Einkauf im Laden mit Bargeld bezahlt. Auf die Frage „Wie hast du zuletzt bezahlt?“antworteten in einer Umfrage der Reichsbank zuletzt 70 Prozent mit „Karte“(EC- und Kredit-) und nur 15 Prozent mit „cash“. Einige Restaurants akzeptieren gar kein Bargeld mehr – im Gegenteil etwa zu Berlin, wo es bei vielen Cafés und Bars „Cash only“heißt. Doch nicht nur auf der Karte des hippen Burgerladens „Flippin’ Burgers“in Stockholm steht: „We are a cash free restaurant.“Für Gäste kein Problem. Nur Touristen seien manchmal überrascht.
Auch das Sparschwein in den Kinderzimmern hat ausgedient, weil Taschengeld schon bei den Kleinsten aufs Konto überwiesen wird. Sogar auf dem Flohmarkt zahlen viele Schweden inzwischen bargeldlos – mit dem Smartphone. Einer aktuellen Deloitte-Studie zufolge zahlt fast jeder dritte Däne und etwa jeder vierte Schwede sogar im Laden mit dem Handy. Smartphone-Apps werden auch genutzt, um Freunden und Bekannten Geld zu überweisen oder Ebay-Einkäufe zu bezahlen.
Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu erkennen: In der Finanz- und Internetwirtschaft gibt es eigennützige Bestrebungen, Bargeld abzuschaffen. So prophezeite DeutscheBank-Chef Cryan, teure Münzen und Scheine würden wahrscheinlich in zehn Jahren verschwinden.
Der bekannte Ökonom Bofinger dürfte es aber bitter bereuen, sich in das Heer der Bargeld-Skeptiker eingereiht zu haben. Denn über ihn brach ein Shitstorm herein. Bürger reagieren zu Recht allergisch darauf, wenn Scheine und Münzen diskreditiert werden. Denn die Strategie der Finanz- und Internetwirtschaft ist allzu durchschaubar: Banken würden an der Abschaffung des Bargelds durch entsprechende Gebühren für Kreditkartenzahlungen profitieren. Und Konzerne wie Apple planen Gerüchten zufolge selbst Angebote für das Bezahlen per Smartphone. Das käme George Orwell hoch zehn gleich, schließlich könnten die Digital-Riesen nachvollziehsen, wer wann wo wie viel kauft. Es geht aber niemanden etwas an, ob ein Bürger in einem Supermarkt Windeln, Milch, Bier oder ein paar Socken ersteht.
Schon heute geben gutgläubige Verbraucher freiwillig im Internet reichlich Daten preis. Doch wenn Menschen gläserner werden, sind sie auch leichter zu überwachen. Big Google, Big Apple und Big Amazon schauen dann noch tiefer in uns hinein. Bargeld ist ein guter Schutz gegen diese Horror-Vision. Wer cash zahlt, bleibt auch anonym. Dabei gibt es zwei weitere unschlagbare Argumente für Münzen und Scheine: Man kann auch bezahlen, wenn der Strom ausgefallen ist. Und wenn die EZB Negativzinsen selbst auf kleinere Sparguthaben erheben sollte, ist Bargeld die letzte Rettung, um sein Erspartes vor Wertverfall zu schützen. Bargeld ist eben wirklich geprägte Freiheit.