Künstlicher Schnee, wenig Regen, kein Sand
Eine Königsbrunner Reisegruppe um Pfarrer Bernd Weidner hat die vom Verein „Hand in Hand“unterstützten Projekte von Pfarrer Don Bosco in Indien besucht. Bürokratie und Bauboom bremsen die Umsetzung aus
Königsbrunn/Pagandai Kootu Road Bei knapp 30 Grad stellen sich bei Europäern weihnachtliche Gefühle nur schwer ein. Daran kann auch die Krippe im Eingang eines großen Textilgeschäfts in der Millionenstadt Thiruchirapalli wenig ändern. Der Schnee ist aus Watte, der Christbaum hat Plastiknadeln – und auch die gekühlte Luft im Laden ist noch weit entfernt von adventlichen Temperaturen auf dem Lechfeld.
Leicht amüsiert registriert Pfarrer Bernd Weidner den Versuch, europäische Weihnachtstraditionen nach Südindien zu transportieren. Völlig daneben findet er aber, dass auch die erst 2015 eingeweihte neue Kathedrale von Thiruchirapalli schon Anfang Dezember mit bunt dekoriertem Christbaum und einem Jesuskind in der Krippe ausgestattet ist. „Das passt ja gar nicht zur Liturgie“, stellt er fest.
Aber Weidner ist nicht knapp 8000 Kilometer nach Tamil Nadu geflogen, um sich dort Weihnachtsbräuche anzusehen. Er will hier, in der freien Zeit vor seinem Wechsel zur Augsburger Pfarreiengemeinschaft Oberhausen-Bärenkeller, nochmals Pfarrer Don Bosco treffen. Dessen Hilfsprojekte werden seit über 20 Jahren in Königsbrunn von „Hand in Hand“unterstützt. Weidner hat sich sehr dafür eingesetzt. Vor gut einem Jahr war er mit einer Gruppe aus der Brunnenstadt zur feierlichen Einweihung des „Heilige Mutter Teresa Hospital“vor Ort (wir berichteten). Nun will er sich über den Stand der Hilfsprojekte für Kranke, Witwen und Schulkinder informieren. Als Zugabe gibt es einige Lektionen über den vielschichtigen Alltag im ländlichen Indien.
Beim Krankenhaus geht es nicht so flott voran wie erhofft. Zwar wurde es 2017 unter anderem mit Labortechnik und einem digitalen Röntgengerät ausgestattet – aber die Betriebsgenehmigung der staatlichen Aufsicht für private Krankenhäuser steht noch aus. Die Gebühr von 500 Euro habe er längst überwiesen, erzählt Don Bosco grimmig, aber viel passiert sei nicht. Anfang Dezember kommt dann überraschend ein Stellvertreter der Amtsleiterin, zeigt sich auch beeindruckt. Das entscheidende „Certificate“steht weiter aus.
So dürfen die beiden Ärztinnen – Dr. Celine, die in Russland ausgebildete Krankenhaus-Leiterin und Dr. Suganthi, die in Indien ausgebildete Homöopathin – und das Team mit Laborantin, pharmazeutischer Assistentin und zwei Krankenschwestern die Patienten vorerst nur ambulant betreuen. Indische Behörden haben ihre eigene Logik und ihren eigenen Rhythmus, berichtet Pater Don Bosco. Aber das Haus ist für den Vollbetrieb vorbereitet. In den Krankenzimmern stehen Betten, Luftkühler hängen an den Wänden. Ein Ultraschallgerät ist bestellt.
Dort, wo es künftig genutzt werden soll, hängen bereits große Hinweistafeln: Mit Ultraschall werde keinesfalls das Geschlecht des ungeborenen Kindes bestimmt, signalisieren die Texte in Tamil, ergänzt durch die Slogans „Let Girls Live“und „Save the Girl Child“. Den Hintergrund erläutert Don Bosco: Es komme in manchen Gegenden Indiens noch immer vor, dass nach einer solchen Untersuchung weibliche Föten abgetrieben werden. Manche Ärzte lassen sich durch Bestechung dazu verleiten. Erst vor einigen Monaten habe die Aufsichtsbehörde ein privates Krankenhaus im Bundesstaat geschlossen, dem solche Praktiken nachgewiesen wurden. Um sich hier keinen Verdächtigungen auszusetzen, will Don Bosco das Ultraschallgerät erst aufstellen lassen, wenn alle Genehmigungen vorliegen.
Also heißt es auch hier: abwarten. So wie die Königsbrunner warten, als einige Tage nach unserer Ankunft endlich der Monsun einsetzt. Erst regnet es stundenweise, dann auch mal einen halben Tag. Die Stromausfälle häufen sich. Don Bosco erzählt, dass es die letzten drei Jahre nicht mehr ausgiebig geregnet hat. Die Stauseen am Rande der flachen Region seien noch nicht ausreichend gefüllt, um die Reisbauern das ganze Jahr über mit Wasser zu versorgen.
Das zeigen auch die Flüsse, über die die Reisegruppe gelegentlich fährt. Meist schlängeln sich in einem breiten Flussbett schmale Rinnsale, dazwischen viele Sandbänke. Der viele Sand verwundert erst mal – denn in Tamil Nadu ist er inzwischen ein rares, teures Gut geworden. Eine Lastwagenfuhre sei jetzt acht Mal so teuer wie noch vor einigen Jahren, erzählt Don Bosco. Der Hauptgrund ist die rege Bautätigkeit in den indischen Großstädten. Deshalb gehen auch Don Boscos Bauprojekte langsamer voran.
Die Königsbrunner besuchen zwei Häuser für Witwen, die noch nicht fertig sind. Das von Leema Rose hat noch nicht mal ein Dach. Die Mutter zweier Söhne hat ihren Mann vor einigen Jahren verloren, streitet nun mit dem Schwager über einen Teil des Erbes. Mit ihrer 75-jährigen, fast blinden Schwiegermutter lebt sie noch in einer Hütte mit Wänden aus Palmwedeln und einem Wellblechdach.
In der Zeit vor Weihnachten stehen die von „Hand in Hand“unterstützten Witwen im Focus seiner In Thiruchirapalli kauft der Pater im großen Stil Baumwolldecken für sie ein. Einige Tage später liefert ein Kleinlaster Dutzende Säcke Reis direkt von der Mühle zum Pfarrhaus. Decken und Reis gibt Don Bosco den Witwen, die in diesen Tagen bei ihm vorbeikommen.
Einige sind alt und verhärmt, andere deutlich jünger, mit TeenagerKindern – doch allen gemeinsam ist, dass sie von der hinduistisch geprägten Gesellschaft drastisch ausgegrenzt werden. Zwar wird von ihnen nicht mehr, wie in früheren Epochen, erwartet, dass sie ihren Ehemännern in den Tod folgen, aber sie gelten als Unglücksbringer, müssen oft am Rande der Gesellschaft leben.
Über Pfarrer Don Bosco unterstützt Hand in Hand etwa drei Dutzend Witwen, darunter auch HinAktivitäten. dus, in der Region um Pagandai Kootu Road. Für diese Hilfe, wie auch für das „Heilige Mutter Teresa Krankenhaus“gilt, was Pfarrer Bernd Weidner als eine Erkenntnis aus der Reise formuliert: „Es ist viel erreicht, aber es ist auch noch vieles offen.“
Mit den anderen Förderern in Königsbrunn und Österreich will er sich weiter für die Projekte von „Hand in Hand“einsetzen.