Die Geschichte zweier Hotels
Geschichte wird auch in Hotels geschrieben. In Moskau dienten zwei Hotels auf unterschiedliche Weise als Kulisse einer wechselhaften Historie. Das eine hieß Lux, was auf Russisch Luxus bedeutet. Es wurde ein Ort des Schreckens. Das andere hieß Metropol und bot tatsächlich Luxus von höchstem internationalen Niveau, ehe es auf eine politische Achterbahn geriet.
Das fälschlich so genannte Hotel Lux beherbergte in den dreißiger und vierziger Jahren viele deutsche Kommunisten, die vor den Nazis nach Moskau geflohen waren. Es war eine Flucht vom Regen in die Traufe. Denn Stalins mörderischer Verfolgungswahn, der Millionen Russen das Leben kostete, tobte sich auch im Hotel Lux aus. Kommunisten oder nicht: Die Deutschen, die dort wohnten, waren verdächtig. Nachts streiften Stalins Schergen durch die Fluren des Hotels und holten sich ihre Opfer aus den Zimmern: zum Verhör, zur Folter, zur Verbannung, zur Erschießung. Angst und Denunziantentum bestimmten die Atmosphäre im Lux. Einige der Überlebenden machten später Geschichte: Tito, das Ehepaar Ulbricht und Herbert Wehner. Da war das Metropol doch von anderem Kaliber. Anfang des letzten Jahrhunderts gegründet, beherbergte es zunächst den russischen und internationalen Hochadel. Auch Zar Nikolaus war ein oft und gern gesehener Gast. Doch dann wurden der Zar und das Metropol Opfer der Revolution. 1918 machten die Kommunisten das Metropol zu einer ihrer Regierungszentralen. Statt des
Zaren sah und hörte man nun Lenin vom Balkon aus Reden an das Volk schwingen.
Dann besann man sich wieder der Attraktivität dieses im Jugendstil erbauten tatsächlichen Luxushotels und ließ es – fast – zu seiner alten, nun nostalgischen Pracht erblühen. Es gab keine Romanows mehr, die dem Hotel neuen Zaren-Glanz hätten verleihen können, dafür ging bald ein inoffizieller Adel im Metropol ein und aus: Promis aus Kultur und Showbiz, erst Bernard Shaw, Bert Brecht und Marlene Dietrich, dann Michael Jackson. Heute zieht das Metropol wieder Wohlbetuchte aus Russland und aller Welt an. Anders als das düstere Lux hat das Metropol durch das Auf und Ab der Geschichte eine reizvolle Patina gewonnen. Der amerikanische Schriftsteller Amor Towles hat dem Metropol mit dem Roman „Ein Gentleman in Moskau“ein literarisches Denkmal gesetzt.