Der Adler fliegt wieder
Eintracht Frankfurt Niko Kovac ist jetzt fast zwei Jahre als Trainer im Amt – und hat vieles bei den Hessen in Bewegung gebracht. Mittlerweile wird er auch in München als Nachfolger von Jupp Heynckes gehandelt
Frankfurt
Vermutlich war Niko Kovac selbst überrascht, als ihm der Satz über die Lippen rutschte. „Rahmt es gut ein!“Gemeint war das Tabellenbild vom vergangenen Freitag, der die Frankfurter Eintracht nach einem 2:0 gegen Borussia Mönchengladbach plötzlich als Zweiten führte. Dass es sich dabei um die berühmte „Momentaufnahme“(Sportvorstand Fredi Bobic) handelte, war Verantwortlichen und Umfeld zwar klar, aber vor dem Spiel beim FC Augsburg (Sonntag, 15.30 Uhr) stehen die Hessen immer noch auf Platz vier. „Und dann passiert schnell, dass man anfängt zu träumen“, wie Kovac zugibt.
Der Cheftrainer, im März 2016 in höchster Abstiegsnot verpflichtet, ist bemüht, die Erwartungshaltung herunterzudimmen. Die bayerischen Schwaben seien ein unbequemer Gegner, betont der 46-Jährige. Doch wie sehr sein Arbeitgeber ihn bereits verehrt, war jüngst bei der Mitgliederversammlung zu besichtigen: Als Präsident Peter Fischer symbolisch einen Schal an Kovac überreichte, um ihn als lebenslanges Mitglied aufzunehmen, schwoll der Beifall zum Orkan. „Ich werde die Eintracht immer in meinem Herzen tragen“, versprach der Geehrte durchaus ergriffen.
Schließlich ist es seine erste Trainerstation in der Bundesliga. Als er vor zwei Jahren gemeinsam mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder Robert im Wintertrainingslager bei Borussia Dortmund in Abu Dhabi hospitierte, kamen die ersten Unterhaltungen mit Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner ja nur zustande, weil auch Frankfurt im Emirat weilte. Der Anfang einer Erfolgsgeschichte: Die Kovac-Brüder, in ihrer aktiven Zeit ein Synonym für Einsatz, Disziplin und Verlässlichkeit, haben den Verein mit akribischer Arbeit auf die nächste Stufe gehievt.
Nachdem im Mai 2016 in den Relegationsspielen gegen den 1. FC Nürnberg der Klassenerhalt gelang, ging es an die Renovierung. Im Kader und im Klub. Schnell avancierte die Eintracht zu einem unbequemen Gegner. Doch dann gab es in der Rückrunde einen Einbruch, und den negativen Touch übertünchte nur der Einzug ins Pokalfinale. Kovac und Bobic bastelten folglich wieder am nächsten Umbruch.
Mit dem Ergebnis, dass nunmehr auch ein spielerischer Fortschritt erkennbar ist. Die Eintracht nur als eklige Einheit zu bewerten, wird dem Ensemble nicht gerecht. Die Rückkehr von Omar Mascarell hat mit Rückrundenstart das Niveau gehoben, auch Kevin-Prince Boateng oder Mijat Gacinovic haben keine Probleme mit dem Ball. Viele Akteure haben sprunghafte Entwicklungen genommen. Das beste Beispiel gibt Marius Wolf, den Hannover 96 nach der Verpflichtung vom TSV 1860 München meist in der zweiten Mannschaft einsetzte – bei Eintracht Frankfurt ist er einer der Besten und jetzt bis 2020 gebunden. Und bei Ante Rebic hat der Formanstieg viel mit der Art zu tun, mit der Kovac seine Profis anpackt. Notfalls appelliert der einstige Nationaltrainer Kroatiens bei seinen Landsleuten einfach an die Ehre.
Der gebürtige Berliner ist mit seinen Überzeugungen für diesen Multikulti-Kader ein Glücksfall. Ganz nebenbei befreite er die Eintracht aus der emotionalen Abhängigkeit eines Alexander Meier, der in dieser Saison verletzungsbedingt noch keine Partie bestritten hat. Das Trainerteam ist überzeugt von einem pedantischen Ansatz, der sich am Perfektionismus eines Pep Guardiola orientiert. Kovac verbindet geschickt seine emotionale Art mit seinen strategischen Fähigkeiten.
Längst weiß die Eintracht, dass der vertraglich bis 2019 gebundene Geradeaus-Charakter wohl nicht ewig ein Adler bleibt. Immer wieder ist auch sein Name gefallen, wenn es um die Nachfolge von Jupp Heynckes beim FC Bayern geht. „Niko hat auf jeden Fall Fähigkeiten, irgendwann große Klubs zu trainieren“, erklärt Bobic. Einerseits. Andererseits soll der Coach noch ein bisschen mithelfen, den Klub zu alter Größe – oder zumindest mal wieder in die Europa League – zu führen. Das allerdings bedarf Geduld. So sehr Kovac die Situation genießt, wird er nicht müde, die Sinne zu schärfen. Motto: „Wer träumt, wird überholt.“Und eine eingerahmte Tabelle macht noch keinen Europapokalteilnehmer.
Kovac wird die „Eintracht immer im Herzen tragen“
Ein pedantischer Ansatz wie bei Pep Guardiola