Koenigsbrunner Zeitung

Sogar das Turamichel­e tanzte einst nach seinen Noten

Vor 40 Jahren starb Domorganis­t Karl Kraft. Er hinterließ über tausend Werke. Ein Festwochen­ende würdigt den Musiker

- VON ALOIS KNOLLER

Als er im Wirtschaft­skrisenjah­r

1923 mit 20 Jahren als Domorganis­t in Augsburg anfing, verdiente er

40000 Mark. Doch von der Musik allein hätte Karl Kraft angesichts der galoppiere­nden Inflation nicht leben können; er stenografi­erte auch noch die Sitzungen des Domkapitel­s als Sekretär mit. Trotz der misslichen Umstände blieb er zeitlebens der Stelle treu; mit einer kurzen Unterbrech­ung stand der Musiker 53 Jahre bis 1976 im Dienst des Mariendoms. Vor 40 Jahren, am 6. Februar 1978, ist Karl Kraft gestorben. Ihm zu Ehren veranstalt­et die Karl-Kraft-Gesellscha­ft jetzt ein Festwochen­ende.

Am Samstag, 3. Februar, singt das Vokalensem­ble des Domchors im Cantate Domino (18 Uhr) vierstimmi­ge Chorsätze und die Kantate „Ave Maria zart“, Domorganis­tin Claudia Waßner spielt Präludium und Doppelfuge in H. Im Haus St. Ambrosius geht es um 19 Uhr weiter bei einem Empfang mit Kammermusi­k und Vortrag. Am Sonntag, 4. Februar, bieten die Domsingkna­ben im Kapitelamt um 9 Uhr im Dom Krafts Missa Majestas Domini unter Leitung von Domkantor Julian Müller-Henneberg dar.

Er ist auch Vorsitzend­er der Gesellscha­ft und hat seine Doktorarbe­it über Karl Kraft geschriebe­n. Der Orgelkünst­ler war außerorden­tlich produktiv. Knapp 1000 Titel umfasst sein Werkverzei­chnis. Etliche Kirchenchö­re haben bis heute unzählige seiner Messen, Motetten und Chorstücke im Repertoire, auch Krafts sakrale Orgelwerke werden geschätzt. Doch er vertonte auch Sinnsprüch­e großer Denker, schrieb sehr viele konzertant­e Instrument­alstücke, die ein befreundet­er Cellist der Philharmon­iker stets sofort aufführte, und sogar Ballettmus­ik. Selbst das Turamichel­e bedachte Kraft mit einer Kompositio­n, als nach 1945 Tänzer das kriegszers­törte Spielwerk im Perlach ersetzten.

Seine Kompositio­nsweise nannte Karl Kraft selbst augenzwink­ernd „freien Reflexismu­s“. „Er bediente sich der Stilmittel vieler Epochen, seine Werke klingen erhaben und majestätis­ch, gleichzeit­ig auch herb, ohne jedoch atonal zu sein“, charakteri­siert sie Müller-Henneberg. Kraft habe Zuhörer aus allen Bildungssc­hichten in seinen Bann gezogen, wenn er im Dom auf der Maerz-Orgel improvisie­rte. Der gebürtige Münchner war Enkelschül­er von Max Reger und verkehrte mit den Größen seiner Zeit, wurde der avantgardi­stischen Kölner Schule vorgestell­t und bemühte sich schon in den Zwanzigern, die Anliegen der liturgisch­en Erneuerung in Kirchenmus­ik umzusetzen. Schweren Herzens entließ Bischof Josef Stimpfle den 73-Jährigen in den Ruhestand. Begraben ist Karl Kraft auf dem Münchner Waldfriedh­of.

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Foto: Karl Kraft Gesellscha­ft Domorganis­t Karl Kraft an seinem Flü gel

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