Der Milliarden Klops
Was bringt die Augsburger Uniklinik eigentlich wirtschaftlich? Darüber gibt eine Studie jetzt Aufschluss. Und sie benennt auch, woran es krankt: Gerade weil die Region ökonomisch kerngesund ist, kann manches zum Problem werden
Augsburg
In seinem letzten Jahr investiert das kommunale Klinikum kräftig in die Zukunft. Bis zu eine Million Euro stehen bereit, um neue Fachkräfte zu werben. Mitarbeiter, die einen examinierten Krankenpfleger für ihren Arbeitgeber erwärmen können, kassieren 2500 Euro Prämie. Der Angeheuerte selbst erhält einen Tausender Handgeld. Denn auch in seinem neuen Leben als Universitätsklinik, das am 1. Januar 2019 beginnt, braucht das Großkrankenhaus vor allem eines: qualifizierte Beschäftigte. Schon jetzt grassiert an Deutschlands Krankenhäusern der personelle Notstand und er könnte für das wichtigste Augsburger Zukunftsprojekt zum Hemmschuh werden.
Eine am Mittwoch vorgestellte Studie über die Auswirkungen von Uniklinik und medizinischer Fakultät auf die Region Augsburg geht davon aus, dass nach dem Umbau des Großkrankenhauses rund 6500 neue Jobs entstehen, etwa die Hälfte davon im Gesundheitsbereich. Zum Vergleich: Derzeit arbeiten am Klinikum rund 5800 Menschen.
Nicht alle Arbeitsplätze werden an Krankenhaus und Uni selbst angesiedelt sein – auf jeden Fall aber wird sich der jetzt schon bestehende Wettbewerb um Fachkräfte weiter verschärfen. Derzeit arbeiten laut der Untersuchung der Hamburger Unternehmen Georg Consulting und ETR 20000 Menschen in der Region im Gesundheitssektor. Für die Errichtung von Uniklinik und medizinischer Fakultät werden bis
2023 insgesamt 730 Millionen Euro fällig, den Betrieb und laufenden Unterhalt will sich der Freistaat Bayern jedes Jahr 100 Millionen Euro kosten lassen – und wird damit weitere Umsätze auslösen. Eine zusätzliche Wertschöpfung von knapp
400 Millionen Euro im Jahr prognostizieren die Autoren der Studie.
Kurz: Am westlichen Stadtrand von Augsburg entsteht ein Milliarden-Klops und die Verantwortlichen in der Region wollen verhindern, dass daraus ein schwer verdaulicher Brocken wird. Auch wenn zunächst einmal die Beteiligten die Chancen betonen, die in dem Projekt stecken: Auf Basis der Studie wollen die Stadt Augsburg und die beiden angrenzenden Landkreise gemeinsam mit den Wirtschaftskammern einen Masterplan entwickeln, wie es weiter gehen soll. Dringendste Aufgabe scheint dabei die Frage nach den Arbeitskräften zu sein, denn der Arbeitsmarkt vor Ort gibt nicht mehr viel her. Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte droht zum Ballast für die Zukunft zu werden. In den vergangenen zehn Jahren sind in der Region 34000 neue Jobs entstanden, in der Nachbarschaft gibt es mit München, Ingolstadt und Ulm boomende Wirtschaftsräume. Woher sollen die Menschen also kommen?
Das berufliche Bildungsangebot müsse sich ein Stück weit ändern, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Saalfrank. Bislang sei man sehr auf das in Augsburg und Umgebung dominierende verarbeitende Gewerbe ausgerichtet. Sein Kollege Ulrich Wagner von der Handwerkskammer spricht von einem „Konkurrenzkampf um die besten Köpfe“, in den die Uniklinik eintrete.
Der Augsburger Vize-Landrat Heinz Liebert nennt ein ganzes Bündel von Herausforderungen, die es in den nächsten Jahren zu bewältigen gilt: Da ist einmal die Verkehrsanbindung der Klinik, an der in einigen Jahren bis zu 10 000 Menschen arbeiten könnten. Für die erhofften Firmenansiedlungen im Umfeld des Komplexes brauche es Gewerbeflächen und vor allem: Wohnungen für die Menschen. Denn der Bedarf an tausenden Arbeitskräften kann – das sagt die Studie klar – nur durch weitere Zuwanderung aus dem In- und Ausland gedeckt werden. Damit wird sich die Lage auf dem ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt verschärfen. Um bis zu 40 Prozent sind die Quadratmetermieten in Augsburg in den vergangenen drei Jahren gestiegen; die in Sichtweite des Großkrankenhauses gelegenen Nachbarstädte Neusäß und Stadtbergen gehören jetzt schon zu den teuersten Pflastern. Zudem blickt man dort eher mit gemischten Gefühlen
Bürgermeisterin sieht mehr Chancen als Risiken
auf die Uniklinik: Kritiker fürchten die zusätzliche Verkehrbelastung und ein Häusermeer, in dem die eigenen Orte untergehen. Vielleicht hatte Liebert diese Diskussionen im Blick, als er einen „Schulterschluss der Kommunen“forderte.
Die Augsburger Bürgermeisterin Eva Weber zeigte Verständnis für die Befürchtungen. Doch „die Chancen sind größer als die Risiken“, betont sie: „Auch kleinere Orte werden wachsen.“Für Aichach-Friedbergs Landrat Klaus Metzger ist klar, dass vor allem die Kommunen an den Verkehrsachsen weiter wachsen werden.
Schweigend hatte die Vorstellung der Studie einer verfolgt, der das Klinikum seit Jahrzehnten begleitet und ein Vorkämpfer auf dem Weg zur Uniklinik war. Für den früheren CSU-Landtagsabgeordneten Max Strehle ist klar: „Jetzt sind wir Erste Liga.“Mit allem, was das mit sich bringt.