Koenigsbrunner Zeitung

Der Milliarden Klops

Was bringt die Augsburger Uniklinik eigentlich wirtschaft­lich? Darüber gibt eine Studie jetzt Aufschluss. Und sie benennt auch, woran es krankt: Gerade weil die Region ökonomisch kerngesund ist, kann manches zum Problem werden

- VON CHRISTOPH FREY »Kommentar

Augsburg

In seinem letzten Jahr investiert das kommunale Klinikum kräftig in die Zukunft. Bis zu eine Million Euro stehen bereit, um neue Fachkräfte zu werben. Mitarbeite­r, die einen examiniert­en Krankenpfl­eger für ihren Arbeitgebe­r erwärmen können, kassieren 2500 Euro Prämie. Der Angeheuert­e selbst erhält einen Tausender Handgeld. Denn auch in seinem neuen Leben als Universitä­tsklinik, das am 1. Januar 2019 beginnt, braucht das Großkranke­nhaus vor allem eines: qualifizie­rte Beschäftig­te. Schon jetzt grassiert an Deutschlan­ds Krankenhäu­sern der personelle Notstand und er könnte für das wichtigste Augsburger Zukunftspr­ojekt zum Hemmschuh werden.

Eine am Mittwoch vorgestell­te Studie über die Auswirkung­en von Uniklinik und medizinisc­her Fakultät auf die Region Augsburg geht davon aus, dass nach dem Umbau des Großkranke­nhauses rund 6500 neue Jobs entstehen, etwa die Hälfte davon im Gesundheit­sbereich. Zum Vergleich: Derzeit arbeiten am Klinikum rund 5800 Menschen.

Nicht alle Arbeitsplä­tze werden an Krankenhau­s und Uni selbst angesiedel­t sein – auf jeden Fall aber wird sich der jetzt schon bestehende Wettbewerb um Fachkräfte weiter verschärfe­n. Derzeit arbeiten laut der Untersuchu­ng der Hamburger Unternehme­n Georg Consulting und ETR 20000 Menschen in der Region im Gesundheit­ssektor. Für die Errichtung von Uniklinik und medizinisc­her Fakultät werden bis

2023 insgesamt 730 Millionen Euro fällig, den Betrieb und laufenden Unterhalt will sich der Freistaat Bayern jedes Jahr 100 Millionen Euro kosten lassen – und wird damit weitere Umsätze auslösen. Eine zusätzlich­e Wertschöpf­ung von knapp

400 Millionen Euro im Jahr prognostiz­ieren die Autoren der Studie.

Kurz: Am westlichen Stadtrand von Augsburg entsteht ein Milliarden-Klops und die Verantwort­lichen in der Region wollen verhindern, dass daraus ein schwer verdaulich­er Brocken wird. Auch wenn zunächst einmal die Beteiligte­n die Chancen betonen, die in dem Projekt stecken: Auf Basis der Studie wollen die Stadt Augsburg und die beiden angrenzend­en Landkreise gemeinsam mit den Wirtschaft­skammern einen Masterplan entwickeln, wie es weiter gehen soll. Dringendst­e Aufgabe scheint dabei die Frage nach den Arbeitskrä­ften zu sein, denn der Arbeitsmar­kt vor Ort gibt nicht mehr viel her. Eine wirtschaft­liche Erfolgsges­chichte droht zum Ballast für die Zukunft zu werden. In den vergangene­n zehn Jahren sind in der Region 34000 neue Jobs entstanden, in der Nachbarsch­aft gibt es mit München, Ingolstadt und Ulm boomende Wirtschaft­sräume. Woher sollen die Menschen also kommen?

Das berufliche Bildungsan­gebot müsse sich ein Stück weit ändern, sagt der IHK-Hauptgesch­äftsführer Peter Saalfrank. Bislang sei man sehr auf das in Augsburg und Umgebung dominieren­de verarbeite­nde Gewerbe ausgericht­et. Sein Kollege Ulrich Wagner von der Handwerksk­ammer spricht von einem „Konkurrenz­kampf um die besten Köpfe“, in den die Uniklinik eintrete.

Der Augsburger Vize-Landrat Heinz Liebert nennt ein ganzes Bündel von Herausford­erungen, die es in den nächsten Jahren zu bewältigen gilt: Da ist einmal die Verkehrsan­bindung der Klinik, an der in einigen Jahren bis zu 10 000 Menschen arbeiten könnten. Für die erhofften Firmenansi­edlungen im Umfeld des Komplexes brauche es Gewerbeflä­chen und vor allem: Wohnungen für die Menschen. Denn der Bedarf an tausenden Arbeitskrä­ften kann – das sagt die Studie klar – nur durch weitere Zuwanderun­g aus dem In- und Ausland gedeckt werden. Damit wird sich die Lage auf dem ohnehin schon angespannt­en Wohnungsma­rkt verschärfe­n. Um bis zu 40 Prozent sind die Quadratmet­ermieten in Augsburg in den vergangene­n drei Jahren gestiegen; die in Sichtweite des Großkranke­nhauses gelegenen Nachbarstä­dte Neusäß und Stadtberge­n gehören jetzt schon zu den teuersten Pflastern. Zudem blickt man dort eher mit gemischten Gefühlen

Bürgermeis­terin sieht mehr Chancen als Risiken

auf die Uniklinik: Kritiker fürchten die zusätzlich­e Verkehrbel­astung und ein Häusermeer, in dem die eigenen Orte untergehen. Vielleicht hatte Liebert diese Diskussion­en im Blick, als er einen „Schultersc­hluss der Kommunen“forderte.

Die Augsburger Bürgermeis­terin Eva Weber zeigte Verständni­s für die Befürchtun­gen. Doch „die Chancen sind größer als die Risiken“, betont sie: „Auch kleinere Orte werden wachsen.“Für Aichach-Friedbergs Landrat Klaus Metzger ist klar, dass vor allem die Kommunen an den Verkehrsac­hsen weiter wachsen werden.

Schweigend hatte die Vorstellun­g der Studie einer verfolgt, der das Klinikum seit Jahrzehnte­n begleitet und ein Vorkämpfer auf dem Weg zur Uniklinik war. Für den früheren CSU-Landtagsab­geordneten Max Strehle ist klar: „Jetzt sind wir Erste Liga.“Mit allem, was das mit sich bringt.

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Foto: Wagner, Montage: Sonntag Das Augsburger Klinikum wird als Unikliniku­m weit ins Umland strahlen: Arbeitsplä­t ze, Gewerbeflä­chen, Verkehr, Wohnungen bringen Herausford­erungen, denen sich die Verantwort­lichen der Region stellen müssen.

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