Wessels letzte Ruhestätte wird doch gerettet
Die Stadt hat ein Ehrengrab für den verdienten Schuhfabrikanten abgelehnt. Nun haben sich drei Retter gefunden, die es erhalten wollen. Friedhofsverwalter kritisiert die städtische Entscheidung
Enkel Dieter Schmitt, 86, fällt ein Stein vom Herzen. Die Stadt hatte ein Ehrengrab für seinen Großvater August Wessels abgelehnt, doch nun gibt es eine andere Lösung, um die letzte Ruhestätte des einstigen engagierten Augsburger Unternehmers vor der Auflösung zu retten. Drei Beteiligte haben sich dafür zusammengetan.
Wessels Grab ist auf dem Protestantischen Friedhof an der Haunstetter Straße zu finden. Weil die Grabrechte Ende 2016 ausgelaufen sind, stand das Grab vor der Auflösung und wäre damit für immer vom Friedhof verschwunden. Ein Antrag von Schmitt, wonach die Stadt das Grabmal als Ehrengrab übernehmen und erhalten sollte, wurde kürzlich abgelehnt. Der Grund: August Wessels (1870 bis 1952) werde im Stadtteil Oberhausen bereits durch eine Straßenbenennung gewürdigt, hieß es auf Anfrage bei der städtischen Pressestelle. Nach umfänglicher Prüfung habe sich der Ältestenrat auf Empfehlung der Verwaltung deshalb gegen eine zusätzliche Ehrung durch ein Ehrengrab entschieden.
Friedhofsverwalter Daniel Kettemer kritisiert diese Entscheidung: „Wir verstehen nicht, dass August Wessels kein städtisches Ehrengrab bekommt“, sagt er. Auch andere verdiente Augsburger hätten Ehrengräber, die von der Stadt erhalten werden. „Wessels hat in schwierigen Zeiten viel für die Stadt getan“, sagt Kettemer. Nach seiner Auffassung sind Gräber besonderer Persönlichkeiten ein Stück Stadtgeschichte und sollten nicht verschwinden. Genau dieses Schicksal hätte dem Grab von August Wessels gedroht. Wessels galt Anfang des 20. Jahrhunderts als „Sandalenkönig von Augsburg“und baute damals eine der größten Schuhfabriken in Deutschland auf. Darüber hinaus engagierte er sich im Sozialbereich und auch für die Stadt Augsburg, etwa fürs Theater.
Nachdem die Stadt nun aber ein Ehrengrab für Wessels ablehnt, sah Friedhofsverwalter Kettemer Anlass zum Handeln. Er hat sich mit der Gärtnerei Wörner und Steinmetz Gerhard Roth zusammengetan, um das historische Grabmal doch noch zu retten. „Wir geben dem Grab die nötige Ehre“, sagt er. Die Lösung sehe so aus, dass die Friedhofsverwaltung die Grabrechte auf eigene Kosten übernimmt. Die Gärtnerei Wörner kümmere sich kostenlos um die Grabpflege, Steinmetz Roth ebenfalls kostenlos um die Reinigung des Grabsteins.
Diese Regelung soll unbefristet gelten, sagt Kettemer. Denn Wessels Enkel Dieter Schmitt kann sich aus finanziellen Gründen und wegen seines hohen Alters von 86 Jahren nicht mehr um die Grabstätte kümmern. Auch sonst gebe es keine Nachkommen mehr, die das Grab pflegen könnten, sagt Schmitt. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Schuhfabrik in den 1960er Jahren sei für die Familie kaum mehr Geld übrig geblieben.
Generell sind Gräber bekannter Persönlichkeiten für viele Menschen wichtig, um Geschichte besser zu verstehen. Kettemer sagt, dass immer wieder Schulklassen auf den Friedhof kommen und dort Unterricht vor Ort erhalten. Auch die kostenlosen Friedhofsführer und Flyer mit Gräbern bekannter Augsburger seien bei Besuchern gefragt.
Im Protestantischen Friedhof ruhen beispielsweise die bekannten Augsburger Baumeister Elias Holl und Jean Keller. Der eine baute unter anderem das Augsburger Rathaus, der andere das Kurhaus in Göggingen und die Hessingklinik. Auch Grabmäler für Ingenieur Rudolph Diesel, Textilunternehmer Christian G. Dierig oder Berthold F. Brecht, dem Vater von Autor Bert Brecht, sind dort zu finden.