Er sah ein Blinken, und dann das Blut
Eine Grillparty in Haunstetten eskalierte im Mai des vergangenen Jahres. Vor Gericht erzählt das Opfer, wie es mit einem Messer attackiert wurde. Die Anklage wirft dem Täter einen Mordversuch vor
Irgendjemand rief: „Lauft weg, er kommt mit einem Messer.“Wer es rief, weiß Petre S.* nicht; er erinnert sich auch nicht genau daran, wie das Messer ihm am 27. Mai des vergangenen Jahres in den rechten Oberschenkel fuhr, etwas unterhalb des Leistenbereichs. Er hatte auf einem Stuhl gesessen, sein Handy in der Hand. Er habe noch den Kopf gehoben und noch ein Blinken wahrgenommen, sagt er. Dann war da diese Wärme in seinem Bein. Das viele Blut überall. Sein Blut.
Der Mann, der mit einem Messer auf Petre S. einstach, muss sich seit Donnerstag vor der Schwurgerichtskammer des Augsburger Landgerichtes verantworten. Staatsanwältin Martina Neuhierl wirft ihm in der Anklage unter anderem versuchten Mord vor. Die Tat ereignete sich während einer Grillparty in Haunstetten, ein Gartenfest, auf dem auch Familien mit ihren Kindern waren. Täter, Opfer und der Gastgeber des Festes sind Rumänen, alle drei Männer arbeiten als Lkw-Fahrer. Täter und Opfer, so wird in der Verhandlung klar, kannten sich vorher jedoch nicht.
Stefan K.*, der Angeklagte, ist ein schmaler, eher unauffälliger Mann. An jenem Tag im Mai, lässt der 32-Jährige über seinen Verteidiger Jörg Seubert ausrichten, war er schlecht drauf, nach der Arbeit habe er angefangen, Alkohol zu trinken. Seine Erinnerungen seien deshalb getrübt. Die Tat an sich räumt Stefan K. ein. Ja, er sei auf jener Grillparty gewesen, und dort habe er weitergetrunken. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen, wegen Kleinigkeiten. Wer aus welcher Gegend in Rumänien stamme, welche Musik auf dem Fest gespielt werden solle. Musik aus der Moldau-Region, wo der Angeklagte herkommt, oder eben andere. Stefan K. soll unter anderem mehrere Flaschen vom Gartentisch geschmissen haben und wurde vom Gastgeber nach Hause geschickt. Er kam wieder, mit Wut im Bauch und in jeder Hand mit einem Messer.
Mit einem davon stach er zu. Die Folgen für Petre S. waren durchaus gravierend, wie er im Gerichtssaal schildert. Im Klinikum wurde er notoperiert, insgesamt verbrachte er fast einen Monat im Krankenhaus. Die Ärzte transplantierten ihm Haut vom rechten Oberschenkel auf den Unterschenkel, wo sich ein sogenanntes Kompartmentsyndrom entwickelt hatte. Erst Monate später konnte er wieder arbeiten.
Stefan K. bittet im Gerichtssaal um Entschuldigung. Sein Mandant bedauere die Tat zutiefst und würde sie gerne ungeschehen machen, sagt Anwalt Seubert. Später, als Petre S. als Zeuge aussagt, steht der Angeklagte auf und sagt, dass es ihm sehr leidtue. Der Angeklagte erklärt sich bereit, ein Schmerzensgeld an das Opfer zu zahlen. Etwas über 1000 Euro zahlt der Angeklagte bereits am ersten Verhandlungstag; sein Anwalt übergibt einen Umschlag mit dem Geld. Kontakt, sagt Petre S., habe Stefan K. die Monate zuvor nicht gesucht.
Die Kammer unter Vorsitz von Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser hat drei weitere Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte es am kommenden Mittwoch geben. Eine Frage des Prozesses dürfte werden, ob das Gericht den Messerstich, wie in der Anklageschrift vorgeworfen, als versuchten Mord wertet. Stefan K. sagt, er habe die Gäste wegen einer vorangegangenen körperlichen Auseinandersetzung mit den Messern „erschrecken“wollen.