Ein tiefer Blick ins Innere eines Poeten
Beim dritten Gräbinger Poetry-Slam mit fünf Künstlern reicht die Maximalpunktzahl nicht zum Sieg
Graben
Eines war schon vor Beginn des 3. Gräbinger Poetry-Slams klar. Diese Form der Dichtkunst hat sich
in Graben etabliert. Nach dem etwas mau besuchten Wettbewerb im vergangenen Sommer zeigte ein sehr gut gefülltes Jugendhaus in Graben, dass diese faszinierende und vielfältige Kunstform Freunde durch alle Altersschichten hat. Auch bei der dritten Auflage gelang es dem Team um Jonas Biedermann tolle Texter aufs Lechfeld zu locken. Fünf an der Zahl buhlten in zwei Auftritten zu sieben Minuten um die Gunst und somit die Punkte des Publikums.
Zuvor erklärte Jonas nochmals die Regeln, verwies darauf, dass es „keine Punktezahl unter fünf gibt. Das ist dem Respekt gegenüber dem Poeten geschuldet.“Doch diesen Hinweis benötigten die Zuhörer nicht, denn alle fünf Slammer zeigten mehr als nur sich auf die Bühne zu trauen und sich Mühe zu geben. Raphael Breuer setzte auf Humor und bot bei seinem ersten Akt eine Abrechnung über die Belanglosigkeit vieler Gesprächsrunden. Flott, locker, aber vielleicht zu leichte Kost für das inzwischen durchaus anspruchsvolle Gräbinger Publikum. In seinem zweiten Stück packte er eine deutliche Portion Gesellschaftskritik, ohne dabei den Humor zu vergessen. Mit seinen Erinnerungen an die eigene Kindheit, gepaart mit dem Aufruf, „einfach ab und an mal Kind zu sein“, traf er den Nerv der Zuhörer. Das brachte ihm als einziger die Höchstpunktzahl von 50 Punkten ein. In der Summe hieß es am Ende Platz zwei für den Bayreuther.
Den fünften Rang sicherte sich Franz Tea. Der Mann mit dem weißen Rauschebart ist relativ neu auf der Poetry-Slam-Bühne. Er prägte seinen eigenen Stil, trug Reime vor, auch wenn diese nicht so gerne gehört werden. Nach zwei kurzen Texten war der Applaus noch verhalten, ehe er mit seinem dritten Stück, eine humoriglaunische Hommage an eine undichte Dichtung, das Publikum auf seine Seite zog.
Sein zweiter Auftritt war eigentlich ein Liedtext über das, was passieren kann, wenn die Prinzessin den Frosch küsst. Doch Tea schaffte dabei, immer wieder perfekt Wendungen zwischen Klamauk und Tragödie zu positionieren.
Vor ihm landete Ezgi Zengin. Die Grundschullehrerin ist von Beginn an in Graben dabei. An ihr zeigt sich auch die Wandlung des Publikums. Ihr erster Text mit dem Titel „Zwei Herzen in Einem“befasste sich mit dem Thema Scheidung, auch mit Blick auf die Auswirkung auf Kinder. Beim ersten Slam gab es für ihre anspruchsvollen Texte deutlich weniger Punkte als bei diesem Auftritt.
Auf Rang drei landete „JayMan“. Der Allgäuer brillierte im ersten Text mit einer Liebesgeschichte, die er an allen möglichen und unmöglichen Stellen mit Begriffen aus der Tierwelt spickte. Sehr witzig und fantasievoll machte er dem Publikum klar: „Wer die Wa(h)l hat, hat die Qualle.“Im zweiten Text ließ er sich recht zynisch über das Anspruchsdenken der Frauen bei der Männerwahl aus.
König des Abends war der Berliner Juston Buße. Unter dem Titel „Glück“gab er einen tiefen Einblick in sein Inneres, erzählte von Depressionen und Alkoholsucht. Da musste das Publikum erst einmal Luft anhalten, ehe es applaudierte. Da er auch mit dem zweiten Text, einer bitterbösen Satire über das Leben im Prenzlauer Berg, den Nerv der Zuhörer traf, holte er sich mit 94 Punkten schließlich den Gesamtsieg.
Nur mit der Flasche Sekt für den Sieger konnte er wegen seiner besiegten Alkoholsucht nichts anfangen. „Das ist genau das Richtige für mich“, sprach er und gab die Flasche an seine Kollegen weiter.