Oh, wie schön ist Felsenstein
Seit 50 Jahren ist das Fritz-Felsenstein-Haus eine feste Größe in der Förderung von körperlich oder mehrfach behinderten Menschen. Am Geburtstag wird an die Pioniere erinnert, die viele Hindernisse aus dem Weg schaffen mussten
Königsbrunn
Das Fritz-FelsensteinHaus in Königsbrunn hat in diesem Jahr Grund zu feiern: Gestern vor 50 Jahren wurde die Einrichtung eröffnet. Standort war damals noch die Ulmer Straße in Augsburg. Der Festakt mit vielen Gästen und ehemaligen Klienten zeigte, wie viel sich seit damals verändert hat, was die Wertschätzung von Menschen mit Behinderung angeht. Erinnert wurde daran, wie viele Widerstände dafür überwunden werden mussten. Aber vor allem wurde das bunte Leben im heutigen FFH gefeiert.
„Ich bin wieder zu Hause“, rief Matthias Foryschowski den Gästen zu. Der ehemalige Schüler lebt heute in einer eigenen Wohnung in Augsburg und bekommt nur in bestimmten Dingen des Alltags Hilfestellungen. Damit zeigt er auch die Ziele auf, die die Felsensteiner für ihre Klienten verfolgen. Von der Kindertagesstätte über die Schule sollen sie fit gemacht werden für ein möglichst eigenständiges Leben. Daher gibt es auch immer wieder neue Wohnprojekte außerhalb der Einrichtung. In der Augsburger Innenstadt entsteht bald „Fritz & Jack“. Dort sollen Menschen mit und ohne Behinderung miteinander leben und sich im Alltag gegenseitig helfen. „Es ist toll, mit euch zu arbeiten und zu sehen, zu welchen Persönlichkeiten ihr euch entwickelt“, rief Gregor Beck, der Leiter des Felsensteinhauses, allen Schülern und Bewohnern zu.
Bis es so weit war, mussten allerdings zahlreiche Widerstände überwunden werden. Namensgeber Fritz Felsenstein versorgte als Arzt nach dem Zweiten Weltkrieg viele Versehrte, kümmerte sich aber auch um behinderte Menschen in ländlichen Gebieten, die dort oft versteckt lebten. In einer „Krüppelsprechstunde“bekamen die Eltern Tipps, wie sie das Leben der Kinder erleichtern konnten. Der Schulbesuch war der nächste Schritt. Nach dem frühen Tod Felsensteins übernahm Horst Matthäus nicht nur seine Praxis, sondern auch das Engagement für Menschen mit Behinderung.
Die Anfangsjahre waren aber schwierig, wie Matthäus’ Sohn Benno berichtete: „Mein Vater hatte in seiner Ausbildung gesehen, dass es verschiedene Angebote für Behinderte gab, diese aber nie zusammengefasst wurden.“Der Versuch, das zu tun, stieß zunächst auf viele Widerstände: Damit die Schule wachsen konnte, mussten Gesetze geändert werden, genauso wie Lehrmeinungen in Pädagogik und Medizin oder Richtlinien von Krankenkassen. „Es war, als wollte man Blumen in Beton pflanzen“, schrieb Horst Matthäus in seinen Memoiren.
Auch die Arbeit der Lehrer und Betreuer war deutlich schwieriger – von den baulichen Gegebenheiten bis zur Verständigung, sagte die ehemalige Internatsleiterin Gunhild Baur: „Früher mussten wir schon einmal 30 Minuten investieren, um herauszufinden, was ein Schüler wollte.“Der ehemalige Schulleiter Manfred Pschiebul betonte, dass die Fortschritte nicht selbstverständlich seien, sondern schwer erkämpft wurden. Er bedankte sich bei der Familie von Horst Matthäus für deren Verständnis und Unterstützung für die Arbeit des Vaters.
Doch die Widerstände wurden überwunden und die Felsensteiner haben sich den Ruf erworben, immer einen Weg zu finden. Als „Kompetenzzentrum mit hoher Innovationskraft“bezeichnete der stellvertretende Bezirkstagspräsident Alfons Weber das Haus. Der Bezirk gehört zu den wichtigsten Geldgebern für das FFH. Stefan Kiefer, der Sozialreferent der Stadt Augsburg, lobte: „In Schwaben gibt es nur wenige Zentren für die Förderung von Menschen mit Behinderung. Ohne Felsenstein stünden wir bei uns ziemlich blank da.“
Das Jubiläum feiert das Felsenstein-Haus mit einem kleinen Festival am 6. und 7. Juli. Außerdem gibt es am 20. Oktober einen Fachtag mit überregionalen Gästen. Beim Festakt wurden die Gäste mit der Schulhymne verabschiedet: „Oh, wie schön ist Felsenstein.“