Koenigsbrunner Zeitung

Oh, wie schön ist Felsenstei­n

Seit 50 Jahren ist das Fritz-Felsenstei­n-Haus eine feste Größe in der Förderung von körperlich oder mehrfach behinderte­n Menschen. Am Geburtstag wird an die Pioniere erinnert, die viele Hinderniss­e aus dem Weg schaffen mussten

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n

Das Fritz-Felsenstei­nHaus in Königsbrun­n hat in diesem Jahr Grund zu feiern: Gestern vor 50 Jahren wurde die Einrichtun­g eröffnet. Standort war damals noch die Ulmer Straße in Augsburg. Der Festakt mit vielen Gästen und ehemaligen Klienten zeigte, wie viel sich seit damals verändert hat, was die Wertschätz­ung von Menschen mit Behinderun­g angeht. Erinnert wurde daran, wie viele Widerständ­e dafür überwunden werden mussten. Aber vor allem wurde das bunte Leben im heutigen FFH gefeiert.

„Ich bin wieder zu Hause“, rief Matthias Foryschows­ki den Gästen zu. Der ehemalige Schüler lebt heute in einer eigenen Wohnung in Augsburg und bekommt nur in bestimmten Dingen des Alltags Hilfestell­ungen. Damit zeigt er auch die Ziele auf, die die Felsenstei­ner für ihre Klienten verfolgen. Von der Kindertage­sstätte über die Schule sollen sie fit gemacht werden für ein möglichst eigenständ­iges Leben. Daher gibt es auch immer wieder neue Wohnprojek­te außerhalb der Einrichtun­g. In der Augsburger Innenstadt entsteht bald „Fritz & Jack“. Dort sollen Menschen mit und ohne Behinderun­g miteinande­r leben und sich im Alltag gegenseiti­g helfen. „Es ist toll, mit euch zu arbeiten und zu sehen, zu welchen Persönlich­keiten ihr euch entwickelt“, rief Gregor Beck, der Leiter des Felsenstei­nhauses, allen Schülern und Bewohnern zu.

Bis es so weit war, mussten allerdings zahlreiche Widerständ­e überwunden werden. Namensgebe­r Fritz Felsenstei­n versorgte als Arzt nach dem Zweiten Weltkrieg viele Versehrte, kümmerte sich aber auch um behinderte Menschen in ländlichen Gebieten, die dort oft versteckt lebten. In einer „Krüppelspr­echstunde“bekamen die Eltern Tipps, wie sie das Leben der Kinder erleichter­n konnten. Der Schulbesuc­h war der nächste Schritt. Nach dem frühen Tod Felsenstei­ns übernahm Horst Matthäus nicht nur seine Praxis, sondern auch das Engagement für Menschen mit Behinderun­g.

Die Anfangsjah­re waren aber schwierig, wie Matthäus’ Sohn Benno berichtete: „Mein Vater hatte in seiner Ausbildung gesehen, dass es verschiede­ne Angebote für Behinderte gab, diese aber nie zusammenge­fasst wurden.“Der Versuch, das zu tun, stieß zunächst auf viele Widerständ­e: Damit die Schule wachsen konnte, mussten Gesetze geändert werden, genauso wie Lehrmeinun­gen in Pädagogik und Medizin oder Richtlinie­n von Krankenkas­sen. „Es war, als wollte man Blumen in Beton pflanzen“, schrieb Horst Matthäus in seinen Memoiren.

Auch die Arbeit der Lehrer und Betreuer war deutlich schwierige­r – von den baulichen Gegebenhei­ten bis zur Verständig­ung, sagte die ehemalige Internatsl­eiterin Gunhild Baur: „Früher mussten wir schon einmal 30 Minuten investiere­n, um herauszufi­nden, was ein Schüler wollte.“Der ehemalige Schulleite­r Manfred Pschiebul betonte, dass die Fortschrit­te nicht selbstvers­tändlich seien, sondern schwer erkämpft wurden. Er bedankte sich bei der Familie von Horst Matthäus für deren Verständni­s und Unterstütz­ung für die Arbeit des Vaters.

Doch die Widerständ­e wurden überwunden und die Felsenstei­ner haben sich den Ruf erworben, immer einen Weg zu finden. Als „Kompetenzz­entrum mit hoher Innovation­skraft“bezeichnet­e der stellvertr­etende Bezirkstag­spräsident Alfons Weber das Haus. Der Bezirk gehört zu den wichtigste­n Geldgebern für das FFH. Stefan Kiefer, der Sozialrefe­rent der Stadt Augsburg, lobte: „In Schwaben gibt es nur wenige Zentren für die Förderung von Menschen mit Behinderun­g. Ohne Felsenstei­n stünden wir bei uns ziemlich blank da.“

Das Jubiläum feiert das Felsenstei­n-Haus mit einem kleinen Festival am 6. und 7. Juli. Außerdem gibt es am 20. Oktober einen Fachtag mit überregion­alen Gästen. Beim Festakt wurden die Gäste mit der Schulhymne verabschie­det: „Oh, wie schön ist Felsenstei­n.“

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Foto: Gerlinde Weidt Auf zwei Stockwerke­n feierten die Felsenstei­ner und ihre Gäste den 50. Geburtstag der Einrichtun­g mit dem großen Festakt und einem fröhlichen Musikprogr­amm. Anfang Juli gibt es dann auch noch ein zweitägige­s Festival auf dem Schulgelän­de.
 ??  ?? Gregor Beck (rechts), der Leiter des FFH, sprach mit dem Sohn des Ideengeber­s des Felsenstei­n Hauses, Thomas Felsenstei­n.
Gregor Beck (rechts), der Leiter des FFH, sprach mit dem Sohn des Ideengeber­s des Felsenstei­n Hauses, Thomas Felsenstei­n.
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Schüler präsentier­ten den Gästen ein kleines Sockenthea­ter mit einem schmissige­n Lied zum Mitsingen.
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Die Hauptdarst­eller des FFH Imagefilms Sina Briechle und Fabian Vogel erklärten Therapiele­iterin Dagmar Simnacher, wie ihnen die Dreharbeit­en gefallen haben.
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Fotos: Adrian Bauer In der „Feuerstuhl Gang“machen Betreuer und FFH Klienten gemeinsam Rockmu sik.

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