Im Geldausgeben ist die neue GroKo Spitze
CDU, CSU und SPD machen zusammen weiter. Warum die Basis der Sozialdemokratie am Ende mitziehen wird. Vorausschauende Politik? Fehlanzeige!
Die blamable Hängepartie um die Bildung einer neuen Regierung geht langsam zu Ende. Man wird noch ein paar Tage miteinander ringen und so tun, als ob bis zur letzten Minute um jeden Fußbreit Boden gekämpft wird. Dabei ist längst klar, dass CDU, CSU und SPD ihr Glück noch einmal miteinander versuchen werden. Man hat sich zusammengerauft und einen ausreichenden Vorrat an Gemeinsamkeiten entdeckt – nicht aus Zuneigung, sondern aus schierer Angst vor Neuwahlen und den Untiefen längerer instabiler Verhältnisse. Also findet nach langem Gewürge wieder zusammen, was – jedenfalls aus Sicht der verzweifelten SPD – nicht mehr zusammengehört. Die kleine Große Koalition der Wahlverlierer, deren Rückhalt auf 53 Prozent geschrumpft ist, steht. Aus der Not geboren, weil „Jamaika“gescheitert ist und das Land endlich wieder eine handlungsfähige Regierung braucht.
Merkel IV kommt noch vor Ostern – sofern die Mitglieder der SPD mitspielen. Sie haben, seltsam genug, das letzte Wort bei einer Entscheidung, die laut Verfassung nur den gewählten Abgeordneten zusteht. Da die GroKo als Grund allen Elends angesehen wird und die SPD-Führung selbst den Abmarsch in die Opposition lange Zeit als einzigen Ausweg aus dem Jammertal angepriesen hat, ist ein Nein der Mitglieder nicht auszuschließen. Der um sein politisches Überleben kämpfende Vorsitzende Schulz hat zu viel Autorität eingebüßt, um die Unterstützung für den abrupten Kurswechsel sicherstellen zu können. Doch die Lust an der Selbstzerstörung müsste schon sehr weit gediehen sein, wenn die Mitglieder tatsächlich Nein sagen sollten. Es geschähe ja um den Preis einer Enthauptung der kompletten Parteispitze und bekäme der SPD bei Neuwahlen sehr schlecht. Und warum sollte es der SPD in der Opposition und nach einem Linksruck besser gehen? Das „Joch“Merkels ist nicht schuld am Niedergang. Das Problem der SPD ist, dass sie im Wahlkampf falsche Themen spielt, ihre Leistungen als Regierungspartei kleinredet und die Sorgen der traditionellen Klientel (speziell um Massenzuwanderung und Sicherheit) nicht aufgreift. Nein, wenn es die SPD noch mit der von Helmut Schmidt angemahnten „praktischen Vernunft“hält, dann muss sie mitregieren wollen. Die Verzwergung an Merkels Seite ist kein Naturgesetz – erst recht nicht jetzt, da der Stern der Kanzlerin sinkt und die Union ihrerseits das Vertrauen von Millionen zur AfD abgewanderter Wähler eingebüßt hat.
Koalitionsverhandlungen sind ein Geben und Nehmen, Kompromisse unvermeidbar. Schwarz-Rot kann aus dem Vollen schöpfen und macht davon Gebrauch. Nichts von dem, was CDU, CSU und SPD in bessere Sozialleistungen stecken und an Investitionen planen, ist an sich verkehrt. Das Problem ist, dass sich diese Koalition mit dem Geldausgeben viel leichter tut als mit der Zukunftsvorsorge und dem beherzten Anpacken struktureller Defizite, die eines Tages die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gefährden könnten. Man wurschtelt sich irgendwie durch, ist verliebt ins Klein-Klein und zehrt von der Substanz. Wie soll Deutschland in zehn, 20 Jahren aussehen? Wie gelingt es, den Zusammenhalt in einer zunehmend polarisierten, immer vielfältiger werdenden Gesellschaft zu bewahren? Was geschieht mit den Jobs, wenn Roboter und Algorithmen die Arbeit übernehmen? Ist der Staat gewappnet für den Fall, dass der Boom endet und die Sozialkassen leer sind? Auf all diese Fragen haben die Großkoalitionäre keine Antworten; sie suchen nicht mal danach. Weiter mit SchwarzRot: Das bedeutet solide Verwaltung und berechenbares Mittelmaß, aber keine vorausschauende, die Zukunft gestaltende Politik.
Keine Antworten auf die großen Zukunftsfragen