Eine Menge ist schon beschlossen
Von Mütterrente bis Kindergeld, von Kassenbeitrag bis Kükenschreddern: Wo sich die Parteien bereits einig sind und worüber CDU, CSU und SPD jetzt noch streiten
Berlin Die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD gehen in das vermutlich entscheidende Wochenende. In Trippelschritten nähern sich die Unterhändler ihrem Ziel. Einiges, was im Fall einer neuen Großen Koalition kommen würde, ist schon bekannt. Manches stand bereits im Sondierungspapier, anderes kam während der Verhandlungen dazu. Ein Überblick über wichtige Vorhaben:
● Rente I Bis 2025 soll das Rentenniveau, also das Verhältnis der Rente zum Lohn, nicht unter 48 Prozent fallen und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. War ein Wunsch der SPD, die damit eigene „Agenda 2010“-Beschlüsse aus der Schröder-Ära einkassiert.
● Rente II Mütter, die vor 1992 drei oder mehr Kinder geboren haben, sollen auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen – macht bei drei Kindern momentan monatlich 93,09 Euro mehr Rente. Das wollte vor allem die CSU. Kostet rund 3,4 Milliarden Euro im Jahr.
● Rente III Wer Jahrzehnte gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt hat, soll nach 35 Beitragsjahren eine Grundrente zehn Prozent über der Grundsicherung erhalten.
● Rente IV Selbstständige sollen zur Altersvorsorge verpflichtet werden.
● Migration I Der Nachzug der Kernfamilie von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz, etwa aus dem Bürgerkriegsland Syrien, bleibt bis zum 31. Juli ausgesetzt. Für die Zeit danach müssen Details noch ausgehandelt und in ein Gesetz gegossen werden.
● Migration II Der Zuzug von Flüchtlingen soll die Zahl von 180 000 bis 220 000 pro Jahr nicht überschreiten. Asylverfahren sollen künftig in „zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen“stattfinden. Hier hat sich die CSU durchgesetzt.
● Krankenversicherung Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sollen bereits ab 2019 wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden – das hat die SPD bereits in den Sondierungen durchgesetzt.
● Arzthonorare Streit gibt es noch um die Forderung der SPD nach einer Abschaffung der Zwei-KlassenMedizin, zum Beispiel durch eine Angleichung der unterschiedlichen Arzthonorare für Kassen- und Privatpatienten.
● Arbeitsmarkt Das zunächst gescheiterte Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit soll nun kommen – für Firmen ab 45 Mitarbeiter. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte sinken. Für die von der SPD geforderte Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen gibt es noch keine Lösung.
● Familien Das Kindergeld soll um 25 Euro pro Kind und Monat steigen – zum Juli 2019 nochmals um 10 Euro und zum Januar 2021 um weitere 15 Euro. Der Kinderfreibetrag steigt entsprechend. Auch der Kinderzuschlag für Einkommensschwache soll erhöht werden.
● Finanzen Der Solidaritätszuschlag soll schrittweise wegfallen – in dieser Wahlperiode mit einem „deutlichen ersten Schritt“, der rund 90 Prozent der Zahler voll entlastet. Steuererhöhungen für die Bürger soll es nicht geben. Für den Haushalt gilt weiter das Ziel: Keine neuen Schulden.
● Sicherheit Bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sollen je 7500 zusätzliche Stellen geschaffen werden, zudem 2000 neue Stellen in der Justiz. Für den Umgang mit terroristischen Gefährdern sollen bundesweit einheitliche Standards kommen.
● Wohnen Der Wohnungsbau soll mit Steueranreizen gefördert und Familien sollen bei der Eigentumsbildung unterstützt werden.
● Verteidigung Die Bundeswehrtruppen in Afghanistan und Mali sollen aufgestockt, die militärische Beteiligung am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat soll dagegen eingeschränkt werden.
● Europa Deutschland soll in die Debatte für eine Stärkung der EU aktiv werden. Gemeinsam mit Frankreich soll die Eurozone reformiert werden. ● Energie und Klimaschutz Das Klimaschutzziel für 2030 soll „auf jeden Fall“erreicht werden. Maßnahmen soll eine Kommission bis Ende 2018 erarbeiten. Beachtet werden sollen Versorgungssicherheit, Sauberkeit, Wirtschaftlichkeit. Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch soll bis 2030 auf 65 Prozent ausgebaut werden. Der Netzausbau soll schneller werden.
● Diesel Fahrverbote wegen Luftverschmutzung sollen vermieden werden, womöglich auch durch technische Nachbesserungen an älteren Motoren. Die Kommunen bekommen für Luftreinhaltung und Verkehrsprojekte mehr Geld.
● Verkehr Das Planen und Bauen für „Verkehr, Infrastruktur, Energie und Wohnen“soll erleichtert werden. Ein „Schienenpakt“von Politik und Wirtschaft soll bis 2030 doppelt so viele Kunden in die Bahn und mehr Güter von der Straße auf die Schiene bringen.
● Tierschutz Das Schreddern männlicher Küken soll beendet werden.
● Digitalisierung Bis 2025 soll es flächendeckend schnelles Internet mit Gigabit-Netzen geben.
● Verbraucher Für Fälle mit vielen betroffenen Verbrauchern wie beim VW-Abgasskandal wollen die Unterhändler eine Sammelklage einführen. Und das schon ab 1. November 2018, um drohende Verjährungen wie im Fall VW zu verhindern.