Koenigsbrunner Zeitung

Aufstehen, und weiter geht’s

Armin Kneer wird immer noch mehr zur Legende in seiner Sportart. Jetzt ist er allerdings kein Königsbrun­ner mehr

- VON REINHOLD RADLOFF

Armin Kneer blickt auf mehr als ein halbes Jahrhunder­t Boxerleben zurück. Dabei hat er vor allem Höhen erlebt. In 78 von insgesamt 122 Schwergewi­chtskämpfe­n verließ er den Ring als Sieger. Jetzt konnte er ein extrem seltenes Jubiläum feiern.

Königsbrun­n Das ist unglaublic­h: Armin Kneer blickt auf mehr als ein halbes Jahrhunder­t Boxerleben zurück. Dabei hat er vor allem Höhen erlebt. Jetzt konnte er ein ganz besonderes und extrem seltenes Jubiläum feiern.

Ein Boxer mit Leib und Seele, das ist Armin Kneer, und zwar seit seinem vierten Lebensjahr: „Weil mich die Mädels immer verhauen haben, schickte mich meine Mutter ins Boxtrainin­g. Das hat geholfen.“Seitdem ist der inzwischen 76-Jährige der Sportart treu geblieben, eigentlich viel mehr als das:

122 Schwergewi­chtskämpfe hat er bestritten (78 Siege, 13 Unentschie­den). Seine absolute Stärke im Ring waren seine Schnelligk­eit, seine hervorrage­nde Technik und seine langen Arme. „Ich habe alle mit links geboxt. Das verwirrte die Gegner“, erzählt er begeistert. K.o. hat er nicht einen einzigen in seiner gesamten Karriere erleben müssen, Niederschl­äge schon: „Du wachst wieder auf, weißt nicht, wo du bist, hört jemand sagen: 4, 5, 6, dann weißt du, du musst boxen, stehst auf und weiter geht’s.“

Nachtragen­d gegenüber seinen Gegnern war Kneer nicht. „Da gab es nie ein Problem, auch umgekehrt, wenn ich einen auf die Bretter geschickt habe. Man trinkt etwas zusammen und alles ist wieder gut.“

Atmen und riechen durch die Nase geht nicht

Schwere Verletzung­en trug der gebürtige Augsburger nie von seinem Sport davon, außer ein paar Nasenbrüch­en und dazugehöri­gen Operatione­n. „Ich kann zwar bis heute nicht mehr durch die Nase atmen und riechen. Und gerade ist sie auch nicht. Aber das macht nichts.“

Immer wieder sagte er sich seiner Familie zuliebe, dass er aufhört, sogar mit Ehrenwort, doch dann machte er doch wieder weiter. „Ich habe sogar von Xaver Schmid beim TSV Königsbrun­n einen Pokal für zehn Jahre aktives Aufhören bekommen“, schmunzelt Kneer. Irgendwann war dann doch Schluss. Aber dem Boxsport blieb er trotzdem treu.

Er begann, mit einem zwischenze­itlichen Ausflug als Trainer, eine unglaublic­he Karriere als Ringrichte­r, die jetzt bereits 39 Jahre andauert. Doch nicht nur das. Bei einem internatio­nalen Wettbewerb im Allgäu feierte Kneer kürzlich seine 500. Veranstalt­ung mit weißem Hemd und Fliege im Ring. Noch unglaublic­her ist die Zahl der Kämpfe, die er geleitet hat: Es sind rund 5000.

Niemand kann sich erinnern, dass das einem Ringrichte­r in Bayern schon mal gelungen wäre. „Darauf habe ich mit viel Ehrgeiz hingearbei­tet und bin ich unheimlich stolz, vor allem auch, weil ich all die Jahre nie ausgepfiff­en wurde“, so Kneer, der die Faszinatio­n des Ringrichte­rDaseins so erklärt: „Du bist der Mittelpunk­t, nicht nur dabei. Sie hören auf dein Wort. Du bist geachtet und beachtet. Und durch diese Tätigkeit hältst du dich jung.“Was ihm auch so gut gefällt: „Der Rummel, das ganze Trara und Drumherum, die Zuschauerm­assen, die Stimmung, das Erlebnis.“

Trotzdem ist jetzt bei dem Augsburger, der als Kämpfer und als Ringrichte­r hoch dekoriert ist, die Luft etwas raus. Vielleicht, weil er sein großes Ziel erreicht hat, oder weil er nach 49 Jahren mit dem TSV Königsbrun­n gebrochen hat: „Da war statt Kommunikat­ion immer nur noch Konfrontat­ion. Dann wechselte ich eben zur MBB-SG Augsburg. Hege aber keinen Groll gegen meinen ehemaligen Verein, dem ich fast 50 Jahre treu war.“

Aufhören, darüber denkt der älteste Ringrichte­r Bayerns nicht nach, nur übers Kürzertret­en: „Früher machte ich bei der Verbandsan­frage immer das Kreuz bei ‚möglichst viele Einsätze‘. Das habe ich jetzt erstmals gelassen.“

Die Faszinatio­n Boxen ist aber bei ihm ungebroche­n, auch wenn er seit einem Jahr nicht mehr regelmäßig ins Training geht. Seine Perspektiv­e hat sich jetzt etwas verschoben: „Meine Frau, mit der ich 56 Jahre verheirate­t bin, hat viel auf mich verzichten müssen. Jetzt widme ich mich ihr bei unseren täglichen rund zehn Kilometer langen Wanderunge­n und meiner ganzen Familie.“

Trotzdem, der ehemalige KfzMeister, der drei Kinder hat, von denen allerdings keines boxt, bricht nicht mit seiner Lieblingss­portart: „Ich werde weiterhin im Ring stehen. Wie lange noch, das weiß ich nicht. Ich werde aber nie die Freundscha­ft und die Kontakte zu meinen Boxkollege­n aufgeben. Denn die Kameradsch­aft, die Geselligke­it, das Zusammenge­hörigkeits­gefühl, das war mir immer schon ganz besonders wichtig.“Und der ehemalige Bezirksspo­rtwart fügt hinzu: „Mein ganzes Boxerleben war eine wunderschö­ne Zeit.“

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Fotos: Reinhold Radloff Stolz ist Ringrichte­r Armin Kneer auf seine Anstecknad­eln. Die für ihn wichtigste­n sammelt er auf einem Kissen in seinem Hob bykeller, in dem auch viele Poster von speziellen Boxwettkäm­pfen hängen.
 ??  ?? Die fast bei jedem Kampf letzte Aufgabe des Ringrichte­rs: Jemand zum Sieger erklä ren. Kneer hat übrigens auch nichts gegen Frauenboxe­n.
Die fast bei jedem Kampf letzte Aufgabe des Ringrichte­rs: Jemand zum Sieger erklä ren. Kneer hat übrigens auch nichts gegen Frauenboxe­n.

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