Diesel Besitzer bangen weiter
Das Bundesverwaltungsgericht vertagt sein mit Spannung erwartetes Urteil zur Luftreinhaltung. Ob Städte Fahrverbote aussprechen dürfen, wird am Dienstag bekannt. Noch ist vieles unklar
Berlin
Millionen von Autofahrern müssen weiter fürchten, dass sie mit ihren Dieselfahrzeugen künftig aus vielen deutschen Innenstädten verbannt werden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sein mit Spannung erwartetes Urteil zur Rechtmäßigkeit von Fahrverboten für Dieselautos im Kampf für bessere Luft in Städten auf den kommenden Dienstag vertagt.
Ursprünglich wurde mit der Entscheidung, die weitreichende Folgen nicht nur für die Autofahrer, sondern auch für Politik, Industrie und Umwelt haben kann, bereits am gestrigen Donnerstag gerechnet. Doch der 7. Senat unter dem Vorsitzenden Richter Andreas Korbmacher hatte sich mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen, der am Ende zu kompliziert war für ein schnelles Urteil.
Nach einem vierstündigen Rechtsgespräch, bei dem es um Fragen des Bundesemissionsschutzgesetzes, der Straßenverkehrsordnung und des EU-Rechts ging, verkündete das Gericht am Nachmittag, dass es sein Urteil erst am 27. Februar verkünden will. Es geht im Kern um die Frage, ob Städte im Kampf für bessere Luft im Alleingang Fahrverbotszonen ausweisen können.
Die Sache war vor dem Bundesverwaltungsgericht gelandet, weil die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Revision gegen zwei frühere Urteile zur Luftreinhaltung eingelegt hatten.
Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die seit Jahren die Einhaltung der geltenden Schadstoff-Grenzwerte einfordert, die in vielen Städten regelmäßig teils deutlich überschritten werden. Es geht um Stickoxide, die als gesundheitsschädlich gelten. Laut einer Studie des Umweltbundesamts sterben jährlich 6000 Menschen vorzeitig durch diese Abgase. Der Autoverkehr – und hier vor allem die Dieselautos – ist nach Einschätzung des Umweltbundesamtes für 60 Prozent der Belastung verantwortlich.
Die Richter in Stuttgart und Düsseldorf hatten Fahrverbote zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes in Städten nicht ausgeschlossen, das Stuttgarter Verwaltungsgericht bezeichnete sie sogar als „effektivste Maßnahme“zur Luftreinhaltung.
Die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind dagegen der Ansicht, dass das Gesetz Ländern, Städten oder Bezirken keine ausreichende Möglichkeit gibt, Fahrverbote eigenmächtig anzuordnen. Der Bund sei in der Pflicht, sagen sie, einheitliche Regeln für ganz Deutschland müssten geschaffen werden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa fordert ein Plakettensystem. Die Deutsche Umwelthilfe bekräftigte in Leipzig dagegen ihre Auffassung, dass die Ausweisung von Sperrzonen in Städten bereits jetzt möglich sei.
Die bayerische Staatsregierung wie auch die Wirtschaft lehnen pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zur Verbesserung der Luftqualität weiter ab. Alternative Maßnahmen seien vorzuziehen, etwa ein besserer Verkehrsfluss und mehr E-Autos, hieß es am Donnerstag im Wirtschaftsministerium. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte schon früher klargestellt, dass es im Falle von Zufahrtsbeschränkungen Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen für den Wirtschaftsverkehr, Taxen und Einsatzkräfte geben müsse.
Mit ihrer absoluten Stimmmehrheit hat die CSU im Landtag eine aktuelle Stunde zum Thema Dieselfahrverbote
Deutsche Umwelthilfe macht seit Jahren Druck
Deutschland hat Ärger mit der Europäischen Union
in Städten verhindert. Die Grünen-Fraktion hatte diese am Donnerstagmorgen kurzfristig beantragt, nachdem die CSU zuvor auf ihr Vorschlagsrecht verzichtet hatte. Es handle sich um ein Recht, ein Thema im Plenum zu diskutieren, nicht aber um eine Pflicht, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion, Josef Zellmeier.
Ärger hat Deutschland wegen der im Übermaß mit Schadstoffen belasteten Luft in vielen Städten auch mit der Europäischen Union. Sie fordert die Einhaltung der geltenden Grenzwerte. Dass es seit Jahren nicht gelingt, die Vorschriften zur Luftreinhaltung umzusetzen, liegt auch an den Praktiken der Autoindustrie, der vorgeworfen wird, bei Millionen Wagen eine Betrugssoftware eingesetzt zu haben.
So wurden auf dem Prüfstand niedrige Abgaswerte vorgetäuscht, die im Normalbetrieb nicht erreicht wurden. Daher erfüllen Millionen von Dieselautos, darunter selbst recht neue Fahrzeuge, in der Praxis nicht die Voraussetzung, in günstige Schadstoffklassen eingestuft zu werden. Dem Urteil aus Leipzig kommt deshalb auch für die Automobilwirtschaft höchste Bedeutung zu.
In der Politik werden die Rufe immer lauter, dass die betroffenen Dieselautos auch mit HardwareNachrüstungen auf den neuesten Stand der Luftreinhalte-Technik gebracht werden. Aus Kostengründen lehnen die Hersteller dies bislang ab.