Ein OB zwischen zwei Ministerpräsidenten
Mit Horst Seehofer verbindet Kurt Gribl eine Freundschaft, mit Markus Söder verhandelt er auf einer anderen Ebene. Der Rathauschef verfolgt politisch einen klaren Kurs, der auch den Weg in seine Zukunft weist
Es ist Montagabend – der Tag, an dem die CSU ihre Berlin-Personalien verkündet hat. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl nimmt kurz vor halb acht auf dem Podium im Augsburger Presseclub Platz. Vor Journalisten und Gästen wird er in den nächsten eineinhalb Stunden von seinen Erlebnissen während der Sondierungs- und Koalitionsgespräche in Berlin erzählen. Gribl wirkt gelöst und gut gelaunt.
Auf der Liste derer, die in der neu geschmiedeten GroKo von Union und SPD einen Posten bekleiden werden, taucht sein Name nicht auf. Dabei war in den letzten Tagen zumindest spekuliert worden, Seehofer würde Gribl vielleicht mitnehmen nach Berlin. Er könnte einen Vertrauten in der Hauptstadt gut gebrauchen, dass die beiden eine Freundschaft verbindet, ist kein Geheimnis. Gribl bezeichnet Seehofer gar als „väterlichen Freund“.
Gribl selbst scheinen die Gerüchte um seine Zukunft zu amüsieren. Während der Verhandlungen auf höchster Ebene in Berlin hätten Posten und Personen zwischen ihm und Seehofer keine Rolle gespielt, sagt Gribl im Presseclub: „Ich habe
In Berlin platzierte er Augsburger Themen
mich weder beworben noch etwas forciert.“Stattdessen habe er Begegnungen mit Bundespolitikern genutzt, um Augsburger Themen zu platzieren: Mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach er über eine weitere Patenschaft für die Fregatte Augsburg, mit anderen über die Sanierung der Augsburger Kanustrecke und die Bewerbung um die Kanu-WM 2022. „Es waren Situationen, in denen man nicht als Oberbürgermeister und Bittsteller an eine höhere Stelle herantritt, sondern als Mitglied eines Teams.“
Dass er bis zum Ablauf der aktuellen Amtsperiode, die am 30. April 2020 endet, OB bleiben will, daran ließ Gribl zuletzt keine Zweifel: „Ich bin Oberbürgermeister, bin es gerne und mache all dasjenige – etwa mein Engagement im Städtetag und in der Partei – mindestens auch deswegen, um meine Arbeit im Rathaus unterstützt zu bekommen. Ich bin bis 2020 gewählt. Und das will ich auch so halten“, sagte er zum Jahreswechsel. Politische Weggefährten, ja selbst der politische Gegner, glauben, dass Gribl zu diesem Wort steht. Der
53-Jährige gilt als Projektmensch, als einer, der es liebt, sich selbst in komplizierte Sachverhalte einzuarbeiten. Als Staatssekretär in Berlin, sagen Kenner, hätte er dazu nicht die Möglichkeit. Ohne Mandat sei er zudem auf Gedeih und Verderb anderen Entscheidern ausgeliefert. Gribl aber ziehe es vor, eigene Entscheidungen zu treffen.
Der politische Aufstieg des promovierten Juristen verlief rasch:
2006 nominierte die CSU den Quereinsteiger, der damals nicht einmal Parteimitglied war, als OB-Kandidaten. 2008 gewann er die Wahl und verteidigte sechs Jahre später souverän sein Amt. 2014 wurde er ins Präsidium des Bayerischen Städtetags gewählt, dessen Vorsitzender er seit vergangenem Juli ist. Im De- zember wurde er mit 90,4 Prozent als CSU-Vize bestätigt – es war das beste Einzelergebnisse aller Bewerber. Dies überraschte selbst lang gediente Parteimitglieder.
Dass einer Karriere macht in der CSU, der bis vor Kurzem noch gar nicht dazugehörte, komme selten vor. Andererseits könnte dieses hervorragende persönliche Ergebnis auf einen anderen innerparteilichen Aspekt zurückzuführen sein. Einer, der in der Partei lange einen hohen Posten bekleidete, sagt: „Man traut Gribl, dem Neueinsteiger, nicht zu, dass er einem Landtagsabgeordneten einen Ministerposten streitig macht.“Gribl gilt insofern nicht als Kontrahent für ambitionierte CSULandtagsabgeordnete. Tatsächlich holte die CSU zuletzt nur einmal eine Ministerin „von außen“: Beate Merk, damals Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin, wurde 2003 als Justizministerin ins Kabinett berufen.
Obwohl er weder nach Berlin noch nach München blickt: Für Kurt Gribl wird die Arbeit als Oberbürgermeister künftig unter anderen Vorzeichen stehen. Nächsten Dienstag legt Horst Seehofer sein Amt als bayerischer Ministerpräsident nieder, drei Tage später soll Markus Söder als sein Nachfolger gewählt werden. Offen ist, wie der Wechsel in Bayern sich auf Augsburg auswirkt. Das Verhältnis zwischen Söder und Gribl gilt als sachlich, von einer Freundschaft aber kann nicht die Rede sein.
Söder will als Ministerpräsident zudem ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung des ländlichen Raumes richten. Dass die Städte dadurch ins Hintertreffen geraten könnten, wird nur hinter vorgehaltener Hand geunkt. Doch die Sorge besteht. Augsburg konnte sich bislang allerdings nicht beklagen: Als es um die Finanzierung der Theatersanierung ging, hatte die Stadt in Finanzminister Markus Söder einen zuverlässigen Partner, der das Projekt vorantrieb. Auch an der Entscheidung, das Klinikum zur Uniklinik auszubauen, wird Söder sicher nicht rütteln.
Gribl kommen außerdem zwei Dinge zugute: München und Nürnberg werden von SPD-Oberbürgermeistern regiert. In den drei größten bayerischen Städten ist Gribl der Einzige mit CSU-Parteibuch. Söder werde schon deshalb daran gelegen sein, den Politiker zu stützen. Im parteiinternen Streit zwischen Seehofer und Söder habe sich Gribl außerdem stets loyal verhalten. Obwohl mit Seehofer befreundet, ergriff er nie offen Partei für ihn. Söder, heißt es, habe dies sehr wohl wahrgenommen. Gribl selbst ist vor der neuen Konstellation nicht bang: „Es besteht eine andere Beziehungsebene zu Markus Söder, doch die muss nicht schlechter sein.“
Gribl hat in Augsburg vieles angestoßen, was über die Amtsperiode hinaus aktuell bleibt. Dazu zählen der Umbau des Hauptbahnhofs und die Sanierung des Theaters. Dass er sich 2020 für eine dritte Amtsperiode aufstellen lässt, ist darum eher wahrscheinlich: Einer, der diese Projekte vorangetrieben hat, werde dabei sein wollen, wenn sie Realität werden. Im Presseclub kommentiert Gribl auch diese Spekulationen mit Humor: „Vom Alter her könnte ich sogar noch eine vierte Amtsperiode schaffen.“Zu einer Aussage will er sich aber nicht drängen lassen – „weder dafür noch dagegen“.