Verbände kritisieren Verkehrspolitik der Stadt
Offener Brief Eine Mobilitätswende lasse auf sich warten, klagen Radler und Bürgerinitiativen. Unterdessen wirft die AfD dem Freistaat vor, in der Karlstraße zu hohe Stickoxidwerte zu messen, weil der Standort falsch sei
Mehrere Bürgerinitiativen und die Verkehrsverbände VCD und ADFC kritisieren die Verkehrspolitik der Stadt. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) wolle kein DieselFahrverbot zur Senkung der überhöhten Stickoxid-Werte, gleichzeitig seien die von der Stadt geplanten Alternativen untauglich. Die Elektro-Mobilitätsförderug komme beim Verbraucher nicht an. „Auch grüne Wellen und ähnliche Maßnahmen werden keinen dazu bewegen, das Auto stehen zu lassen, auch dann nicht, wenn man es eigentlich nicht bräuchte“, heißt es in einem offenen Brief an Gribl seitens Verkehrsclub Deutschland (VCD), Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club (ADFC), Forum Augsburg lebenswert und der Bürgeraktion Pfersee.
Die Stadt habe offenbar nur auf dem Papier ein Interesse an einer Mobilitätswende. Diese sei wegen der Luftreinheit und der steigenden Verkehrsmengen nötig. „Sobald es aber darum geht, dass das Gesamtverkehrskonzept eben nicht vorwiegend auf das Autofahren ausgerichtet bleibt, ist offensichtlich Schluss“, so die Kritik. Dies gehe damit los, dass die Stadt über die „Semmeltaste“den Autoverkehr in der Innenstadt versteckt fördere, und ende beim schleppenden Vorankommen des Projekts „Fahrradstadt 2020“. „Was wir brauchen, ist nicht ein Einknicken immer dann, wenn man die Komfortzone des Kfz-Verkehrs etwas verlässt, sondern eine Verkehrspolitik mit Weitblick und Entschlossenheit.“Ein Fahrverbot bringe Probleme mit sich, sei aber die einzige effektive Methode, die Fahrer von älteren Diesel-Autos als größte Stickoxidverursacher zum Umdenken zu bewegen. Die Stadt müsse Anreize schaffen, aufs Rad oder den Nahverkehr umzusteigen.
Die AVV-Tarifreform sei hinsichtlich der Anreize für Gelegenheitsfahrer misslungen, vor allem stagniere das Thema Fahrrad-Förderung. „Außer vereinzelter Infrastrukturmaßnahmen ist bisher von der Fahrradstadt wenig zu sehen, und selbst bei diesen stehen die Signale eher auf Stagnation als auf Aufbruch“, heißt es in dem Schreiben, das von Franz Gabler (Forum Augsburg lebenswert), Christian Ohlenroth (Verkehrsverband VCD), Jens Wunderwald (Bürgeraktion Pfersee) und Martin Wohlauer (ADFC) unterzeichnet ist. Ohne ein grundsätzliches Umdenken werde Augsburg weiter Probleme mit Stickoxid, Feinstaub und Kohlendioxid haben. „Wir ersticken sonst auch im alles verstopfenden Blech.“
Gegen ein Fahrverbot spricht sich hingegen AfD-Stadtrat Markus Bayerbach aus. Er vermutet hinter den gemessenen Stickoxid-Konzentrationen (im vergangenen Jahr 44 Mikrogramm im Jahresmittelwert bei erlaubten 40 Mikrogramm) an der Karlstraße „grobe Messfehler“des Landesamtes für Umwelt. „Es kann nicht angehen, dass Augsburger Autofahrer Opfer sowohl falsch platzierter Messstationen als auch manipulierter Messergebnisse der Autoindustrie werden. Vermutlich wäre vor dem Hintergrund der falsch platzierten Messstationen auch die grüne Plakette vermeidbar gewesen“, so Bayerbach. „Wie hier Wertverluste am Privatvermögen (Auto) billigend, wenn nicht sogar vorsätzlich gewollt, in Kauf genommen werden, ist skandalös.“Bayerbach bezieht sich auf einen Bericht des der die Standortwahl zweier hochbelasteter Stationen in München in Frage stellt. Der Vorwurf ist, dass sie näher an der Fahrbahn stehen als zugelassen. Zumindest am Stachus steht die Station zu nahe an einer Kreuzung, allerdings habe dies auf die Messergebnisse keine Auswirkungen, so das Landesamt. Für die Karlstraße würden die Vorgaben in jedem Fall eingehalten, so ein LfUSprecher auf Anfrage. Der Abstand soll laut Vorschrift maximal zehn Meter zur Fahrbahn und mindestens 25 Meter zur nächsten Kreuzung betragen. Beide Voraussetzungen seien in Augsburg erfüllt. Der Abstand zur nächsten Kreuzung (Einmündung vom Kesselmarkt in die Karlstraße) liegt laut LfU bei 30 Metern, die Kreuzung mit der Karolinenstraße ist weiter entfernt.