Ist der „Tatort“reine Männersache?
In Köln ermitteln seit mehr als 20 Jahren Ballauf und Schenk als Duo. Mit der Realität hat das wenig zu tun
Herr Fiedler, Sie sind stellvertretender Bundesvorsitzender beim „Bund Deutscher Kriminalbeamter“. Im Kölner „Tatort“sind Ballauf und Schenk am Werk – ein Männer-Duo. Auch in anderen „Tatort“-Städten, etwa in München, gibt es seit Jahrzehnten zwei männliche Ermittler. Wie zeitgemäß ist diese Konstellation? Sebastian Fiedler:
Das ist nicht zeitgemäß. In der Realität haben wir eine Reihe von Ermittlerinnen.
Gibt es denn Ihrer Meinung nach genügend Frauen im „Tatort“? Fiedler:
16 von 22 „Tatort“-Teams sind auch oder ausschließlich mit Darstellerinnen besetzt. Eine Frauenquote für den „Tatort“möchte ich allein deshalb nicht fordern, auch weil sonst ja eine Figur in Köln ausgetauscht werden müsste. Ballauf und Schenk sind aber bewährte Charaktere: Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär sind aus guten Gründen Träger der Kölner Ehrenkriminalmarke und in Kontakt mit uns, also ihren „echten Kollegen“.
Ballauf und Schenk geraten in der aktuellen Folge aneinander. Kommt es tatsächlich vor, dass Meinungsverschiedenheiten vor Zeugen ausgetragen werden? Fiedler:
(lacht) Kriminalbeamte sind nur Menschen, deshalb kommt es auch bei uns hin und wieder zu Spannungen. In den ersten Tagen arbeiten Ermittler bei einem Mordfall nicht selten rund um die Uhr. Die Kollegen kommen kaum nach Hause, ziehen hoch motiviert ihre Arbeit durch. Das ist natürlich eine große Belastung. Vor Zeugen sollte Streit möglichst nicht ausgetragen werden.
Spielt es überhaupt eine Rolle, ob eine Frau oder ein Mann in einem Mordfall ermittelt? Fiedler:
Warum sollte es? Das wirklich Untypische ist vielmehr, dass über Jahre in einem festen Duo ermittelt wird – wie im „Tatort“.
Wie sieht ein modernes ErmittlerTeam denn aus? Fiedler:
Wir sprechen von einer Mordkommission. Die Anzahl der Mitglieder hängt vom Fall ab. Je aufwendiger die Ermittlungen, desto mehr Personen sind involviert. Es können 50 Ermittler und mehr sein.
So viele?
Fiedler:
Denken Sie an den Fall Mirco aus dem Jahr 2010. Der zehnjährige Junge aus der Nähe von Grefrath in Nordrhein-Westfalen galt zunächst als vermisst und wurde später tot aufgefunden. Die Sonderkommission aus etwa 80 Beamten ermittelte in dem Mordfall. Ganz zu schweigen von den Polizeibeamten, die sich an der Suche beteiligt haben. Hundertschaften haben Landstriche durchstreift und TornadoKampfjets der Bundeswehr kamen zum Einsatz – eine der aufwendigsten Mordermittlungen in der deutschen Kriminalgeschichte.
Wer genau kümmert sich eigentlich um Mordfälle bei der Polizei? Fiedler:
In Deutschland sind bestimmte Kommissariate für Tötungsdelikte zuständig. Klassischerweise kümmert sich bei „einfacheren“Delikten diese Dienststelle darum. Ist der Fall komplexer und die Mordkommission größer, dann kommen auch Beamte aus anderen Dienststellen zu Hilfe. Vor allem am Anfang der Ermittlungen. Das können zum Beispiel Kollegen sein, die sich normalerweise mit Fahrzeugaufbrüchen beschäftigen.