So entsteht ein Bild von fremden Menschen
Der Freistaat Bayern wird 100 Jahre alt und feiert das in Augsburg mit einem „Fest der Begegnung“. Im Zentrum stehen Bürger aus allen Nationen, ihre Kultur und Tradition. Doch gelingt Integration hier wirklich?
Mit seiner Schere fertigt Hu Wei Xing in wenigen Minuten Scherenschnitte von den Besuchern an. Bei Europäern tut er sich leichter als bei Asiaten, sagt der Chinese. „Weil sie größere Nasen haben.“Für ihn sind das Tatsachen und keine Vorurteile. Letztere hatten am Samstag im Kongress am Park auch nichts verloren. Dort wurde das „Fest der Begegnungen“mit Menschen gefeiert, die sich für Integration einsetzen oder selbst in unserer Gesellschaft Fuß gefasst haben.
Zu der Veranstaltung wurde im Rahmen des Jubiläumsjahrs 2018 „Wir feiern Bayern“eingeladen. Denn der Freistaat wird 100 Jahre alt, der Verfassungsstaat Bayern sogar 200. Das Motto des Festes lautete „Unsere Heimat – weltoffen und vielfältig“. Im Hauptsaal erfuhren die Gäste, wie viele unterschiedliche Nationalitäten in Bayern und insbesondere in Augsburg längst eine Heimat gefunden haben. Vom Koreanischen Verein Augsburg über den Bayerischen Landesverband Deutscher Sinti und Roma bis zum Türkischen Elternverein – über 40 Vereine und Initiativen zeigten, was ihre Kultur ausmacht oder welchen Beitrag sie zur Integration leisten. „Die Integration in Augsburg gelingt, obwohl es unter allen deutschen Städten einen der höchsten Anteile von Migrantinnen und Migranten hat“, betonte Bayerns Integrationsministerin Emilia Müller (CSU) im Kongress am Park. Sehen das die Teilnehmer der Veranstaltung auch so?
In Augsburg werde durch Vereine und Projekte viel für die Integration getan, bestätigte Stephan Schiele vom Projekt „Tür an Tür“, das sich für Migranten und Geflüchtete in der Fuggerstadt einsetzt.
Dennoch hätten viele Geflüchtete Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Verantwortlich sei nicht nur die Politik. „Es liegt auch an den Arbeitgebern. Sie sind es noch nicht gewohnt, mit Menschen zu arbeiten, die im Ausland ihre Qualifikationen gemacht haben“, glaubt Schiele. Hier wünscht er sich von den Betrieben mehr Offenheit.
Qaasim Osman Mohamed hat eine Arbeit gefunden. Und eine eigene Wohnung in Hochzoll. Der 22-Jährige ist einst aus Somalia geflohen. Seit fünf Jahren lebt er in Bayern. Osman Mohamed arbeitet für Feinkost Kahn und offeriert den Fest-Besuchern Getränke. Er sei in Augsburg zufrieden, sagt der Somalier, der Deutsch-Kurse besucht. „Die Menschen hier sind ruhig und nett.“Er meint aber auch, dass es noch ein paar Jahre dauern werde, bis er sich vollständig integriert fühlt. „Wenn ich dann richtig gut Deutsch sprechen kann.“
Hyeran Hwa hat ihren deutschen Mann in ihrer Heimat Korea kennengelernt. Beide arbeiteten für dieselbe Firma. Für die Liebe wanderte die inzwischen 38-jährige Hwa nach Deutschland aus. In Augsburg habe sie bislang nur gute Erfahrungen gemacht, erzählte die Koreanerin, die seit rund fünf Jahren hier lebt. Ob sie sich integriert fühle, könne sie aber nicht sagen. Auch sie glaubt, dass das Zeit braucht.
Eine wichtige Rolle für das Ankommen in einer anderen und damit fremden Gesellschaft spielen die Vereine. Das weiß Wolfgang Taubert vom Freiwilligen-Zentrum Augsburg. Als Projektkoordinator für Sport und Integration vermittelt er Flüchtlinge an Vereine, damit sie etwa schwimmen lernen, Fußball spielen können, aber vor allem sich in einer Gemeinschaft einfinden. „Wir hatten ein Projekt, in dem wir Mädchen aus Eritrea das Fahrradfahren beibrachten. Das durften sie nämlich in ihrem Land nicht.“Schlimm findet er es, wenn die Geflüchteten nicht arbeiten dürfen, weil etwa die Bürokratie so langsam sei. „Wenn junge Menschen nur rumsitzen, tut das ihnen nicht gut, egal, woher sie kommen.“Dann versucht Taubert, ihnen zumindest kleine Aufgaben zu geben. Mal Rasenmähen in einem Verein zum Beispiel. Der Integrationsarbeit in Augsburg würde er die Schulnote zwei geben, sagt Helfer.
Dass die Integration in Augsburg „sehr gut“funktioniert, findet Karl Michael Scheufele. „Mit 170 Nationen in der Stadt hat sie auch eine lange Tradition. Die Integrationsarbeit erstreckt sich ja bei Weitem nicht nur auf die letzten Jahre“, bezunächst tont der Regierungspräsident von Schwaben. Ministerin Müller nennt Augsburg gar als ein vorbildhaftes Beispiel an Integration. Der Tenor am Samstag also war durchweg positiv. Aber schließlich standen bei dem „Fest der Begegnungen“das Engagement der Ehrenamtlichen und erfolgreiche Projekte im Vordergrund.
Apropos Vordergrund. Hu Wei Xing von der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft zeigt sich bei seinen Scherenschnitten gnädig. Nicht jede Nase fällt bei seinen Werken so groß aus, wie sie eigentlich ist. »Bayern