Flammende Leidenschaft und wehmütige Melancholie
In Grabens Büchereibistro lernen die Gäste den Tango und die Welt von Buenos Aires kennen
Graben
In die Seele des Tango und die Welt von Buenos Aires eintauchen durften die Gäste in Grabens Büchereibistro. Im Rahmen der Kulturpur-Veranstaltungsreihe bekamen sie mit „Más Que Tango“ein Alternativprogramm vom Feinsten und mehr als Tango geboten.
Die beiden Augsburger Musiker Iris Lichtinger am Piano und Martin Franke an der Geige hatten an diesem Abend den virtuosen Bandeonisten Facundo Barreyra aus Buenos Aires, der spontan für den kurzfristig erkrankten Sänger Sebastián Arranz einsprang, mit ins Programm geholt. Zusammen zelebrierten sie den Tango, mal mit flammender Leidenschaft, mal mit zart-wehmütiger Melancholie und umrahmten die Texte, die Katja Schild mit ihrer Fernsehstimme vorlas: Etwa Biographisches über den 1935 verunglückten Sänger und Komponisten Carlos Gardel, über den Schöpfer des Tango Nuevo Astor Piazzollo sowie übersetzte Liederverse, Gedichte und historische Berichte.
Neben dem poetischen Genuss der Lesung erfuhr das Publikum auch Interessantes über den Tango: Dass ein Carlos Gardel immer seine Tangolieder in Anzug mit Krawatte und Hut darbot und auch die Tangotänzer nie ohne diese modischen Accessoires die Tanzfläche betraten. Eine Gepflogenheit der alten Schule, die sich zum Leidwesen von Piazzollo schon zu seiner Zeit allmählich verflüchtigte.
Im zweiten Teil des Abends ging es darum, wie der Tango zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seiner Sinnlichkeit und Exotik die alte Welt bezauberte: Ganz Europa wurde vom Tangofieber gepackt, überall wurden Tanzakademien gegründet. Sogar die Mode wurde von ihm beeinflusst: Ein Schlitz im Rock zur Vergrößerung der Beinfreiheit der Damen beim Tanz ließ die Tanzbewegungen des Tangos lasziv und obszön erscheinen und stellte den guten Ruf der Damen in Frage. Kaiser Wilhelm II. etwa verbot gar seinen Offizieren in Uniform Tango zu tanzen, und König Ludwig III. von Bayern erklärte den Tango für „absurd“. Dennoch eroberte der Tanz die Salons der aristokratischen Kreise und die Welt der musikalischen Avantgarde, bis hin zu Kurt Weills Zuhälterballade in der Dreigroschenoper.
Seine Gegner forderten von Papst Pius X, die Tangotänzer und -musiker zu exkommunizieren. Doch dieser konnte nichts Anstößiges finden. Übrigens: Im Jahr 2014 versammelten sich Hunderte von Tangopaaren auf dem Petersplatz, um Papst Franziskus mit einem Tango zu huldigen.
Denn von ihm ist bekannt, dass er, ein glühender Anhänger des Tango, in seiner Jugend, bevor er sich völlig Gott zuwandte, gerne zusammen mit seiner Freundin das Tango-Tanzbein schwang.