Das Unternehmen, das die Welt bekocht
In den 70er Jahren erfand Siegfried Meister ein Gerät, das mit Heißluft und Dampf Speisen gart. Heute begegnet es einem auf dem Oktoberfest und es ist aus den Profiküchen zwischen Shanghai und New York nicht mehr wegzudenken. Das liegt an einer besonderen
Landsberg am Lech Es ist eine Erfindung, die heute aus Großküchen kaum mehr wegzudenken ist. Wer in einem Restaurant, einer Kantine, auf einem Kreuzfahrtschiff oder auf dem Oktoberfest in München speist, dessen Gericht kann mit großer Wahrscheinlichkeit aus einem Kombidämpfer der Firma Rational aus Landsberg stammen. Alles begann mit Unternehmensgründer Siegfried Meister. Und mit der Zubereitung einer Gans in der Küche seiner Mutter.
Meister beobachtete, wie seine Mutter die Gans im Backofen regelmäßig mit Wasser übergoss. Immer wieder öffnete und schloss sie dafür den Ofen. Gut hat sie sicher geschmeckt, die Gans – nur mühsam war die Zubereitung. Meister suchte einen Weg, das Kochen zu vereinfachen, und machte sich den Vorgang aus dem Ofen der Mutter zunutze. Dampf transportiert viel Energie, Speisen werden so schnell gar.
Meister kombinierte die Zubereitung von Essen mit Dampf und Heißluft in einem Gerät – der Kombidämpfer war erfunden. Er ließ das Gerät in seinem eigenen Unternehmen in Landsberg fertigen. In den folgenden Jahrzehnten sollte es einen Siegeszug in vielen Ländern antreten. Zu den ersten Kunden zählte der Feinkostspezialist „Käfer“aus München.
Rund 120 Millionen Speisen werden heute mit Geräten von Rational weltweit zubereitet – pro Tag. Das berichtet Peter Stadelmann, der das Unternehmen heute als Vorstandsvorsitzender leitet. Jede dritte Profiküche weltweit arbeite heute mit einem Kombidämpfer. Rund jeder zweite davon stammt aus dem Hause Rational. Den Erfolg führt das Unternehmen auf eine besondere Philosophie zurück.
Siegfried Meister, ein entschlossener, schlanker Ingenieur mit freundlichen Augen, arbeitet bis in die 70er Jahre hinein für die Kette „Wienerwald“. Es geht darum, in kurzer Zeit frische Hähnchen auf den Tisch zu bekommen. Bald macht er sich selbstständig, gründet die Lechmetallwerk GmbH in Landsberg. Ab 1973 stellt die Firma allerlei Produkte her, die der Markt verlangte – von Küchengeräten bis hin zu Saunaöfen. Entscheidend ist das Jahr 1976, Meister erfindet den Kombidämpfer. Mitte der 80er Jahre spezialisiert sich die Firma ganz auf dieses Produkt. Auch der Name wechselt. Es sei doch vernünftig, was seine Produkte den Kunden ermöglichen, soll Meister sich gedacht haben. Der Name „Rational“war geboren. Rund 1900 Mitarbeiter arbeiten heute für das Unternehmen, mehr als 1000 davon in Landsberg.
Was aber machte Rational erfolgreich? „Unser Gründer richtete das Unternehmen von Anfang an in eine Richtung aus – auf den Kunden hin“, beschreibt Vorstandschef Stadelmann die Strategie. Den „Kundennutzen“zu steigern, das ist das Ziel, das über aller Arbeit schwebe. Kunde ist für uns der Chef“, sagt Stadelmann. Und die Kunden, das sind die Menschen, die weltweit in Großküchen arbeiten, wo es hektisch, heiß und eng zugeht. Hier die Arbeit zu erleichtern, das hat sich Rational vorgenommen. Je mehr ein Gerät selbst macht, desto mehr Zeit hat der Restaurant-Chef für seine Gäste. „Nicht Wachstum, Umsatz und Gewinn sind unsere primären Ziele, sondern gute Ergebnisse für die Menschen in den Küchen – wenn das Ergebnis dort stimmt, kann man den Erfolg nicht verhindern“, meint Stadelmann. Köche wechseln häufig den Job – und empfehlen gute Produkte weiter.
Ein Gerät von Rational soll gleich mehrere Küchenapparate ersetzen. Statt vieler Pfannen, Töpfe, Kipper, und Fritteusen gibt es einen Kombidämpfer. Dieser frittiert, brät, grillt, dünstet, dämpft, bäckt. In den 90er Jahren schlägt die Strategie voll durch, das Unternehmen boomt und hat Mitarbeiter in den USA und in Japan. Zu dem Zeitpunkt beschließt man, die Strategie – die Orientierung am Kunden – aufzuschreiben. Das Dokument hängt heute in jeder Niederlassung.
Auch die Produkte entwickeln sich weiter: Im Jahr 1997 zieht Elektronik in den Kombidämpfer ein, im Jahr 2004 dann Software. Ein Computer steuert den Garvorgang, tausende Rezepte hat Rational elektronisch gespeichert. Sie können auf das Gerät aufgespielt werden. Ein Koch, der heute ein Hühnchen braten will, muss am Gerät nur einstellen, ob die Haut hell oder dunkel sein soll und ob es innen gar oder rosa sein soll. Den Rest erledigt das Gerät alleine. „SelfCookingCenter“hat Rational die neue Generation getauft. Die Geräte sind intelligent geworden. Auf der Straße träumt man vom autonomen Fahren, in der Küche sei das „autonome Kochen“schon Realität, sagt Stadelmann. „Wir laufen auf die kochlose Küche zu“, meint er. Für ihn ist das zwar nicht schön, aber wohl auch nicht aufzuhalten. Denn immer weniger junge Menschen wollen Köche werden. Die Restaurants müssen auf den Personalmangel reagieren.
Nun will Rational auch die Köche in anderen Kulturkreisen überzeu„Der gen, zum Beispiel in Asien. Dort dominiert noch der Wok. Bei Rational ist man sicher, auch die asiatischen Köche von den Geräten „made in Germany“überzeugen zu können. Selbst ein schwieriges Gericht hat man bereits für den Kombidämpfer perfektioniert: die Peking-Ente. Und diese gilt ja als Königsdisziplin der chinesischen Küche.
Kommt man mit Rational in Kontakt, merkt man eines: Die Unternehmensleitung will nicht im Vordergrund stehen. Bereits dem Gründer sei die Kommunikation auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern wichtig gewesen. Siegfried Meister war nahbar, ansprechbar, offen für Fragen, sagt Stadelmann. „In der Kantine hat er sich wie alle anderen in die Schlange gestellt.“Als der Firmengründer 2017 starb, herrschte große Betroffenheit. Seine Anteile gingen an eine Erbengemeinschaft über. Ihr obliegt es, den Charakter eines Familienunternehmens zu pflegen, den Rational trotz der Börsennotierung bewahren will. Peter Stadelmann, 53, arbeitet seit dem Jahr 2012 bei Rational, zuvor war er als Berater tätig. „Was ich in dieser Zeit Unternehmen vermitteln wollte – nämlich wie man ein Unternehmen gut führt –, habe ich hier gefunden“, sagt er. Der Schweizer lebt mit seiner Partnerin in München.
In einer großen, lichtdurchfluteten Halle montieren rund 120 Mitarbeiter die Rational-Geräte. Der Name des Beschäftigten, der den Apparat zusammengebaut hat, wird am Ende auf einem kleinen Schild darauf verewigt. Nicht nur die Kunden, auch die Mitarbeiter haben bei Rational eine besondere Stellung: „Wir wollen Leute, die etwas bewegen, die sich einsetzen“, sagt Stadelmann. Der Boden in der Halle ist hell und blitzsauber. „Wir wollen Leute, die sich verhalten wie zu Hause, die verantwortlich sind und Entscheidungen treffen – also Unternehmer im Unternehmen.“Ganz bewusst habe Firmengründer Meister seinen Betrieb nicht in der Großstadt München, sondern in Landsberg angesiedelt. Hier, erwartete er, identifizieren sich die Menschen noch mehr mit dem, was sie tun.
Der Vordenker behielt recht: Rund 400 Köche arbeiten heute fest für Rational und entwickeln das Kochen fort. Dieses Jahr stellt das Unternehmen eine neue Halle fertig, statt 70 000 Geräten können dann im Jahr mehr als 100 000 produziert werden. Gerade in Nordamerika, aber auch in Asien sieht das Unternehmen einen gigantischen Markt.
Stadelmann ist sich sicher: „Wir haben genug Arbeit für die nächsten zehn, 20 Jahre.“
Der Name des Mitarbeiters wird am Gerät verewigt