Mitarbeiter üben harsche Kritik am Jobcenter
Unbesetzte Stellen, überlastete Mitarbeiter, Fehlzeiten durch Krankheiten: Was vor drei Jahren ein großes Problem war, hat sich bis heute offenbar kaum geändert. Auch Hartz-IV-Empfänger bekommen das zu spüren
Vor drei Jahren waren die Mitarbeiter im Augsburger Jobcenter vollkommen überlastet. Klienten mussten teilweise monatelang auf ihr Geld warten. Die Umstellung des Computerprogramms sowie die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips waren damals der Grund für die langen Bearbeitungszeiten. Nicht nur in Augsburg führten diverse Änderungen der Arbeitsabläufe zu Engpässen in Jobcentern: In vielen anderen Kommunen herrschten dieselben Missstände. Die RTL– Sendung „Team Wallraff“machte die Probleme bundesweit publik.
In Augsburg war die Stimmung unter den Mitarbeitern vor drei Jahren so schlecht, dass es immer mehr Fehlzeiten und Kündigungen gab. Und heute? Drei Jahre später sei die Atmosphäre im Jobcenter nicht viel besser, klagt ein Mitarbeiter. Er hat umfangreiche Beispiele und Informationen
„Fürsorgepflicht? Fehlanzeige!“
gesammelt und sich an die AZ gewandt. Seinen Namen will er freilich nicht in der Zeitung lesen.
Die Leistungsabteilung, die für die finanziellen Leistungen für Hartz-IV-Empfänger zuständig ist, befinde sich seit mehreren Jahren in einer „schweren Krise“. Zahlreiche Stellen seien unbesetzt, die Arbeit werde auf die verbleibenden Mitarbeiter übertragen. Das führe nach wie vor zu Kündigungen. „Die verbliebenen Mitarbeiter werden massiv überlastet, mit gesundheitlichen Auswirkungen. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Fehlanzeige“, betont der Mitarbeiter des Jobcenters.
Vor drei Jahren reagierte die Trägerversammlung des Augsburger Jobenters, die sich aus Vertretern von Stadt und Arbeitsagentur zusammensetzt. Sie stellte Personal ein und zog Mitarbeiter aus anderen Abteilungen ab, um den aufgestauten Anträgen Herr zu werden. Die Bemühungen hatten aber offenbar nur zwischenzeitlich Erfolg. „Alle Stellen konnten im Jahr 2016 besetzt werden. Bis einschließlich Juni 2017 waren alle Stellen im Leistungsbereich besetzt. Aktuell sind zwölf Stellen von 250 im gesamten Jobcenter nicht besetzt“, sagt der zu- ständige Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD).
Im Fall von Personalausfällen werden die Arbeiten in den Teams aufgeteilt, heißt es. Kiefer betont, wie schwierig es sei, entsprechendes Personal zu finden. „Neue Mitarbeiter, speziell für den Leistungsbereich mit dem erforderlichen Fachwissen, sind auf dem Arbeitsmarkt in der Regel nicht zu finden. Daher versucht das Jobcenter, Bewerber mit Kenntnissen zu akquirieren, die eine Einarbeitung in das Aufgabengebiet ermöglichen.“Außerdem seien das Auswahlverfahren und die Einarbeitung der neuen Mitarbeiter sehr zeit- und arbeitsaufwendig. Das führe dazu, dass Stellen nicht so schnell nachbesetzt werden könnten, wie gewünscht.
Das fehlende Personal macht sich auch in den Arbeitsabläufen des Jobcenters bemerkbar. Am 22. Januar schrieb Geschäftsführer Eckart Wieja deshalb eine Arbeitsanweisung an seine Mitarbeiter. Thema: „Sicherstellung der Leistungen – Priorisierung der Aufgaben“. Darin betont der Chef des Jobcenters, dass die Sicherstellung der Leistungen beziehungsweise des Lebensunterhalts der Kunden die wichtigste Aufgabe des Personals sei. „Dieses Ziel dürfen wir, trotz erheblicher Mehrbelastungen aufgrund Einführung der E-Akte und personeller Vakanzen, nicht aus den Augen verlieren.“Dafür nehme er auch in Kauf, dass Fristen verstreichen, Überzahlungen und Verjährungen drohen oder andere Poststücke nicht zeit- und fristgerecht umgesetzt werden können.
Nach Angaben des JobcenterMitarbeiters haben sich die Bearbeitungszeiten erheblich verlängert. So bräuchten die Mitarbeiter derzeit etwa sechs Wochen für einen Antrag zur Weiterbewilligung von Leistungen, andere Vorgänge könnten gar nicht bearbeitet werden, sodass sich riesige Rückstände aufgebaut hätten. Kiefer: „Die Bearbeitung eines Antrags auf Weiterbewilligung dauert ab dem Zeitpunkt der Abgabe der vollständigen Antragsunterlagen derzeit 19 Tage. Dies bedeutet aber nicht, dass der Antragsteller verspätet Leistungen erhält.“
Dass sich in den vergangenen drei Jahren die Arbeitsbedingungen im Jobcenter nicht wesentlich verbessert haben, will der Sozialreferent so nicht stehen lassen. Das Jobcenter habe bereits 2015 begonnen, mit den Mitarbeitern Belastungssituationen zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. „Dazu wurden eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt und anschließend ein Arbeitskreis gebildet, der an diesen Themen arbeitet und Ergebnisse mit der Geschäftsführung umsetzt“, sagt Kiefer. Künftig soll es auch leichter werden, frei werdende Stellen zügiger zu besetzen. Dafür wurde ein neues Einarbeitungs- und Qualifizierungsprojekt im Zusammenwirken mit der Stadt Augsburg, dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit und mit der Bayerischen Verwaltungsschule erarbeitet, das bald startet. Dann werden Mitarbeiter extern eingearbeitet und geschult. Das Personal soll je nach Bedarf dem Jobcenter zur Verfügung gestellt werden können. »Kommentar