Vom Hitlerjungen zum Weltenbummler
James Stewarts Blutdruck trieb er in die Höhe. John Wayne trank er unter den Tisch. Heute wird Hardy Krüger 90 Jahre alt. Auch das Allgäu kommt in seiner Geschichte vor
Augsburg
Es gibt da in dem Film „Der Flug des Phoenix“die Notlandung einer Maschine mitten in der Sahara, bei der sich ein deutscher Flugzeugdesigner mit dem Namen Heinrich Dorfmann anbietet, die Kiste wieder flottzumachen. Als der von Hardy Krüger gespielte Deutsche erklärt, dass er Designer von Modellflugzeugen ist („das ist im Prinzip genau dasselbe“), dreht James Stewart – er ist der Kapitän – fast durch bei einem geschätzten Bluthochdruck von 190 zu 115. Hier der germanische Tüftler mit der nicht entspiegelten Brille, dort der amerikanische Praktiker. Was soll man sagen, das verbliebene Häuflein schafft den rettenden Flug zurück.
Hardy Krüger, der heute mit seiner amerikanischen Frau Anita vorwiegend im kalifornischen Palm Springs lebt, ist der erste deutsche Schauspieler, der es nach dem Krieg zu internationaler Anerkennung brachte. Seine Erfolge waren nicht ausschließlich der filmischen Arbeit geschuldet. Als er 1962 mit dem legendären Regisseur Howard Hawks den spektakulären GroßwildjägerStreifen „Hatari!“drehte, dachte Veteran John Wayne, dass er bei einem Trinkgelage leichtes Spiel mit dem Deutschen haben würde. Von wegen. Der schluckte erst einmal fünf Löffel Olivenöl, wie die Legende erzählt. Das Ergebnis: Es war Wayne, der anschließend flachlag.
Der Blonde mit den blauen Augen stand auch mit Claudia Cardinale, Roger Moore oder Sean Connery vor der Kamera. Heute wird der Mann, dem ein unglaublicher Wandel vom Hitlerjungen zum Kämpfer gegen Rechts gelang, 90 Jahre alt.
Dank seiner Persönlichkeit schaffte es Krüger, das negative Klischee des „hässlichen Deutschen“aufzubrechen. Eine besondere Rolle spielt die Jugend bei Hardy Krüger. Die hat mit dem Allgäu zu tun. Der gebürtige Berliner, der von seinen Eltern zum „Nazi“, so seine Worte, erzogen wurde, kam 1941 auf die Adolf-Hitler-Schule der „Ordensburg Sonthofen“, ein NS-Elite-Internat. „Spaß gemacht hat mir dort nur die Fliegerei“, erinnert sich Krüger. „Ich habe in Sonthofen einen Minderwertigkeitskomplex entwickelt, mir selbst die Schuld gegeben, dass es mir dort nicht gefallen hat.“Sein politisches Erwachen hatte der junge Mann den Schauspielern Hans Söhnker und Albert Florath zu verdanken. Söhnker half, Juden vor den Nazis zu verstecken, Florath war einst sozialistischer Abgeordneter der Bayerischen Nationalversammlung. Später desertierte der junge Krüger, kam in amerikanische Gefangenschaft.
Komödien, Krimis, Melodramen, Krüger nahm in Deutschland alles, wie es kam. Die Hauptrolle in dem britischen Film „Einer kam durch“bescherte ihm 1957 einen phänomenalen internationalen Start. Er verkörperte den deutschen, aus der Schweiz stammenden Jagdflieger Franz von Werra, der 1940 über England abgeschossen wurde, als Gefangener nach Kanada kam und sich von dort über die USA und Südamerika nach Deutschland durchschlug. Der Film wurde ein Hit, Werras Nazi-Karriere indes nur angedeutet.
Abseits von Hollywood zeigte der französische Film „Sonntage mit Sybill“von Serge Bourguignon, der 1962 den Auslands-Oscar gewann, einen sensiblen Hardy Krüger – trauriges Ende inklusive.
Über seine Filmkarriere spricht der Mann mit dem noch immer jungenhaften Charme nicht gern. Für den Fernsehzuschauer war er eher der „Weltenbummler“, der Sehnsucht nach den Weiten Kanadas weckte, bevor das riesige Land zur beliebten Urlaubsdestination wurde. Mit seiner Momella Lodge in Tansania ist er finanziell gescheitert. Ein afrikanischer Traum endete, auch wenn der Titel des ersten Buches „Eine Farm in Afrika“sich wie ein Werk der Bestseller-Autorin Tania Blixen anhörte. Längst folgten weitere, auch erfolgreiche Bücher. Seit einigen Jahren engagiert sich der Vater der schauspielernden Kinder Christiane und Hardy jr. gegen Rechtsextremismus. „Hebt euch ab von den Politikverdrossenen und anderen Gedankenlosen“fordert er in seinem Buch „Was das Leben sich erlaubt. Mein Deutschland und ich.“In Schulen erzählt er nun von den Erfahrungen aus seinem politisch durchaus problematischen Leben.