Hund fiel Baby im Wohnzimmer an
Hätte ein Hundeführerschein den Todesbiss verhindern können?
Bad König
Mehrere Tage nach der tödlichen Hundeattacke in Hessen ist noch immer unklar, wie der kleine
Jannis starb. Vermutlich passierte das Unglück im Wohnzimmer der Familie. Genauere Erkenntnisse dürfte erst die Obduktion der Babyleiche ergeben. Mit den Ergebnissen sei aber voraussichtlich erst am Donnerstag zu rechnen, sagte Oberstaatsanwalt Robert Hartmann in Darmstadt. Der sieben Monate alte Junge aus Bad König im Odenwald war nach dem Angriff des Mischlingshundes Kowu am Montag in einer Spezialklinik in Mannheim gestorben. Der fünf Jahre alte Rüde hatte ihn in den Kopf gebissen.
Es ist das zweite Unglück binnen kurzer Zeit. Vergangene Woche hatte der Staffordshire-Terrier-Mischling Chico einen 27-Jährigen und dessen Mutter in Hannover totgebissen. Dieselbe Rasse steckt nach ersten Erkenntnissen der Polizei auch in Kowu, der den kleinen Jannis getötet hat. Staffordshire-Bullterrier ist eine von vier Rassen, die auf allen Listen gefährlicher Hunde steht, vorausgesetzt die Bundesländer haben – wie Hessen – überhaupt eine, sagt Kathrin Roiner. Die Tierärztin aus Mainz hat ihre Doktorarbeit über Hundebisse geschrieben. Sie sagt: „Nirgendwo waren nur die gelisteten Hunde auffällig“, also jene, die als gefährlich eingestuft waren. Und: „Die meisten Vorfälle passieren mit dem eigenen Hund.“Meist bissen die Tiere in der direkten Aktion zu, Hundebesitzer übergingen oder übersähen zuvor oft Warnsignale. „Viele Unfälle passieren, weil die Leute nicht so viel Ahnung von hundetypischem Verhalten haben.“
Die 23 und 27 Jahre alten Eltern von Jannis schweigen zu dem tödlichen Vorfall. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung aufgenommen. Bevor mit den Tests zum Rassen-Mix und dem Wesen des Hundes begonnen werden könne, müsse dieser „mindestens noch eine Woche runterkommen“, sagte Oberstaatsanwalt Hartmann. Mit Ergebnissen sei erst in einigen Wochen zu rechnen. Als Kampfhund registriert war „Kowu“bei der Stadt jedenfalls nicht. Ob er schon einmal aufgefallen ist, steht noch nicht fest.
Unterdessen forderten die hessische Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin und die Tierrechtsorganisation Peta, einen „Hundeführerschein“nach niedersächsischem Vorbild einzuführen, um solche Vorfälle künftig zu verhindern. „Jeder Hund, der falsch gehalten oder erzogen wird, kann zu einer Gefahr für Mensch und Tier werden“, sagte Jana Hoger von Peta. Kein Hund sei von Natur aus aggressiv, viele Hundehalter seien vielmehr überfordert. Peta plädierte zudem für einen Zuchtstopp von Kampfhunden. Die Gefährlichkeit eines Hundes hänge nicht von der Rasse ab, sagt Madeleine Martin. „Viele Leute haben nicht im Ansatz eine Vorstellung, was es heißt, einen Hund zu haben.“Sie kauften die Tiere nach Aussehen, Rasse oder Farbe – manchmal mit drei Klicks im Internet. „Wir setzen auch keinen ans Steuer, der nicht Auto fahren kann.“