Angriff auf Syrien verschärft Konflikt mit Russland
Steinmeier warnt vor dauerhafter Krise. Kanzlerin Merkel stellt sich hinter Militäreinsatz der westlichen Verbündeten
Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht im Konflikt um Syrien den außenpolitischen Spagat. Einerseits will die CDU-Regierungschefin verlässlich an der Seite der Verbündeten stehen und den engen Schulterschluss mit den USA, Frankreich und Großbritannien demonstrieren, andererseits will sie unter allen Umständen eine direkte Beteiligung Deutschlands in dem seit sieben Jahren andauernden Krieg verhindern und vermeiden, dass die Bundesrepublik im Pulverfass Nahost selber zum Akteur wird. Stattdessen setzt Berlin weiter auf eine diplomatische Lösung.
Nach den Luftangriffen der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen Ziele in Syrien, wo Chemiewaffen gelagert und entwickelt worden sein sollen, gibt Merkel daher den Kurs der Bundesregierung vor: Deutschland unterstützt das Vorgehen der Partner gegen das AssadRegime zwar mit Worten, aber nicht mit Taten. „Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen“, sagte Merkel.
Bei einem mutmaßlichen Giftgasangriff des syrischen Militärs auf die letzte Bastion der Rebellen in Duma sollen vor einer Woche mehr als 40 Menschen getötet worden sein. Als Reaktion darauf feuerten die drei Westmächte in der Nacht zu Samstag mehr als 100 Marschflugkörper auf mindestens drei Ziele in Syrien ab, darunter eine Forschungseinrichtung und eine Lagerstätte für Chemiewaffen. Die Verbündeten sprachen von einem Erfolg; Russland behauptet, ein Großteil der Geschosse sei abgefangen worden. Es habe keine Todesopfer gegeben, aber einige Leichtverletzte.
Merkel sagte, Deutschland unterstütze es, dass die USA, Frankreich und Großbritannien in ihrer Eigenschaft als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Verantwortung übernommen hätten. Zuvor hatte Merkel jedoch deutlich gemacht, dass sich Deutschland unter keinen Umständen an einem Kampfeinsatz beteiligen werde.
Zudem belasten die Angriffe das ohnehin sehr angespannte Verhältnis zu Russland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigt sich besorgt über die „galoppierende Entfremdung zwischen Russland und dem Westen“und appelliert eindringlich an die neue Bundesregierung, bei den diplomatischen Bemühungen nicht nachzulassen. „Ganz unabhängig von Putin – wir
„Wir dürfen nicht Russland insgesamt, das Land und seine Menschen zum Feind erklären.“
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier
dürfen nicht Russland insgesamt, das Land und seine Menschen zum Feind erklären“, sagte der frühere SPD-Außenminister der Bild am
Sonntag. „Dagegen steht unsere Geschichte, und dafür steht zu viel auf dem Spiel.“Es gebe praktisch keine Vertrauensbasis mehr auf beiden Seiten. „Dieser gefährlichen Entfremdung entgegenzuwirken, ist die eigentliche Herausforderung und Aufgabe verantwortlicher Politik.“
Auch der SPD-Außenminister Heiko Maas plädiert für eine politische Lösung, um einen Frieden in Syrien zu erreichen. Deutschland wolle für einen „neuen kraftvollen Einstieg“in die festgefahrenen Verhandlungen werben und alle diplomatischen Mittel nutzen, um die Genfer Gespräche voranzubringen.
Für Angela Merkel ist die Sache klar: Die USA, Frankreich und Großbritannien haben als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates das Assad-Regime in Syrien mit Luftschlägen bekämpft. Die Botschaft, die hinter dieser offiziellen Erklärung steckt, soll vor allem die Bürger im eigenen Land beruhigen und beschwichtigen. Deutschland werde als Nicht-Sicherheitsratsmitglied nicht gebraucht, sondern könne sich aus dem Konflikt weitgehend heraushalten und weiter seine Rolle als „ehrlicher Makler“spielen, der ohne eigene Interessen zwischen den Konfliktparteien vermitteln kann.
Diese Haltung ist nicht neu, die Begründung auch nicht. Vor sieben Jahren, im März 2011, bekämpften die USA, Frankreich und Großbritannien ebenfalls mit Luftangriffen militärische Ziele des Gaddafi-Regimes in Libyen. Deutschland hatte sich zuvor im UN-Sicherheitsrat, dem es damals als nichtständiges Mitglied angehörte, der Stimme enthalten und stand unter seinen Nato-Partnern ziemlich alleine da.
Diese Lektion zumindest hat Angela Merkel gelernt. Im Abseits will sie nicht landen. Demonstrativ stellt sie sich daher an die Seite der Partner und nennt das Vorgehen gegen Syrien „erforderlich und angemessen“. Wenn schon nicht mit Taten, so sollen Washington, Paris und London wenigstens mit Worten unterstützt werden. Gleichzeitig verlagert die Bundesregierung den Schwerpunkt der Debatte in den politischen Bereich und bietet sich als Vermittler an, um die Genfer Friedensgespräche über die Zukunft Syriens wieder in Gang zu bringen.
Das aber würde voraussetzen, dass Deutschland das Wort und das Gewicht hat, um nicht nur bei den beiden Großmächten USA und Russland, sondern auch den regionalen Hegemonialmächten Türkei und Iran, ohne die in Syrien nichts geht, Gehör zu finden. Das aber ist nicht der Fall, sind doch die Kontakte sowohl zu Washington als auch zu Moskau wie zu Ankara derzeit erheblich gestört. Kaum vorstellbar, dass US-Präsident Donald Trump sich von Merkel vorschreiben lässt, was er tun soll.
Erst recht steckt das deutsch-russische Verhältnis in einer schweren Krise. Der neue Chef im Auswärtigen Amt, Heiko Maas, hat sich bereits in den ersten Tagen vom Kurs seiner Vorgänger Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier abgesetzt und einen neuen Ton angeschlagen. Zwar plädiert auch er für einen Dialog mit Moskau, macht aber aus seiner Einschätzung keinen Hehl, dass dieser derzeit wegen der Haltung Putins wenig Sinn habe. Das wiederum treibt den Bundespräsidenten um – in ungewöhnlich scharfen Worten schreibt er seinem Nachfolger ins Stammbuch, sich um gute Beziehungen zu Moskau zu kümmern. Er sieht nicht weniger als sein diplomatisches Lebenswerk in Gefahr.
So sitzt die Bundesregierung zwischen allen Stühlen und laviert zwischen den Mächten. Zur bitteren Wahrheit gehört allerdings, dass mit Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan der Typus des autoritären, egoistischen starken Mannes auf die internationale Bühne zurückgekehrt ist, der rücksichtslos seine Interessen vertritt. Deutschland, das als „Taube“eher selbstlos ausgleichen möchte, hat dem nichts entgegenzusetzen und droht auf diese Weise zum Spielball zu werden, das von niemandem mehr ernst genommen wird. Darum kann es keinen Zweifel geben, wo das Land zu stehen hat – an der Seite seiner Freunde, Partner und Verbündeten. Und das nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Alleine ist es zu schwach. Donald Trump, Emmanuel Macron und Theresa May aber werden die Rechnung für die deutsche Enthaltsamkeit im Falle Syriens gewiss an anderer Stelle präsentieren.
Der Bundespräsident fürchtet um sein Lebenswerk