Die Macht der Desinformation
Der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl sieht die Feinde der informierten Gesellschaft in der Offensive
Der Facebook-Skandal um die Weitergabe der Daten von 87 Millionen Nutzern dürfte Stephan Russ-Mohl kaum sonderlich überrascht haben. Denn in seinem Buch „Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde. Warum die Digitalisierung unsere Demokratie gefährdet“hat der Professor für Journalistik und Medienmanagement an der Università della Svizzera italiana in Lugano bereits deutlich vor dem Skandal ein exaktes Bild von der Bedrohungslage in all ihren Facetten entworfen.
Frappierend genau passen die bisher bekannt gewordenen Details über die Affäre, die den Social-Media-Giganten in Bedrängnis bringt, zur durchaus beunruhigenden Analyse, die der 68-Jährige veröffentlichte: Russ-Mohl beschwört die düstere Vision, dass sich Deutschland auf dem Weg zu einer „desinformierten Gesellschaft“befindet.
Was kann Journalismus dagegen ausrichten? Natürlich müssten sich die Medienschaffenden selber Kritik gefallen lassen und annehmen – doch Russ-Mohl sieht in einer Abwesenheit von Journalismus in der digitalen Welt die eigentliche Gefahr. „Der Journalist als Filter in der Informationsflut ist hilfreich und nützlich, solange wir Medienvielfalt haben und in verschiedenen Medien auch verschiedene ideologische Ausrichtungen vorkommen“, sagte er dem Medienmagazin pro. Doch diese Vielfalt hält Russ-Mohl für bedroht. Unter anderem, weil er beobachtet, dass die Public-RelationsBranche ihre Stellung auf Kosten des Journalismus ausbaue.
All das erleichtere nicht nur die Verbreitung von Fake News und Hass im Netz – es erschwere Medienunternehmen auch, im Internet Geld zu verdienen. Russ-Mohl beschreibt, dass das Gros der Werbeerlöse auf den Konten von Google oder Facebook landet. Was aber ist zu tun? Antworten auf diese Frage, an der sich Heerscharen von Medienexperten seit Jahren abarbeiten, fällt auch Russ-Mohl schwer. So appelliert der Professor, der das Europäische Journalismus-Observatorium leitet, an jeden Einzelnen, Verantwortung im World Wide Web wahrzunehmen. Wer im Internet unterwegs sei, solle umsichtiger agieren – insbesondere, wenn es darum gehe, ungeprüfte Informationen weiterzuverbreiten.
An Appellen dieser Art mangelte es in der Vergangenheit nicht. Doch auch Russ-Mohl scheint nicht allzu viel Hoffnung zu haben, dass in absehbarer Zeit ein anderes Bewusstsein der Nutzer entsteht. So bleibt ihm nur zu fordern: eine konsequente Ausbildung der Medienkompetenz bereits in der Schule!
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Stephan Russ Mohl:
Die infor mierte Gesellschaft und ihre Feinde. Warum die Digitali sierung unsere Demokratie gefähr det. Herbert von Halem Verlag, 280 Seiten, 23 Euro.