Tiefgarage vorm Theater ?
Die Geschäftswelt hofft, wieder mehr Besucher aus dem Umland anlocken zu können. Bislang gibt es 6150 Parkplätze in den Parkhäusern im Zentrum. Wie groß ist der Bedarf für die Kunden?
Der Einzelhandel würde eine neue Tiefgarage in der Innenstadt begrüßen: „Augsburg braucht eine schnelle und bequeme Erreichbarkeit auch für Bewohner aus dem Umland“, so der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands, André Köhn. Wie berichtet hatte der ehemalige Bauunternehmer Ignaz Walter den Bau einer Tiefgarage unter der Fuggerstraße angestoßen.
Köhn verweist darauf, dass Augsburg als Einkaufsstandort im weiteren Umland an Strahlkraft verloren habe. „Und für diese Kundschaft ist Augsburg mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht so gut zu erreichen. Also kommen sie mit dem Auto.“Wenn man die Kundenfrequenz in der Innenstadt steigern wolle, dann wäre eine Tiefgarage mit mehr als 600 Plätzen eine gute Möglichkeit. „Es geht um die gleichmäßige Förderung aller Verkehrsarten – im öffentlichen Nahverkehr und bei der Fahrradstadt ist etwas passiert, darum sollte auch das Auto nicht zu kurz kommen.“
In der Tat besagt das Einzelhandelsgutachten der Stadt, dass die Anziehungskraft Augsburgs ins Umland abgenommen hat, was auch am steigenden Online-Handel liegt. Auch aus den jährlichen Passantenbefragungen, die die Stadt zusammen mit der Uni durchführt, ergibt sich, dass weniger Besucher aus dem Umland kommen. Der Anteil der Passanten aus den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg sank von 25 Prozent im Jahr 2012 auf 20 Prozent im Jahr 2017.
Ein weiteres Parkhaus stand zuletzt aber nicht mehr auf der Aufgaben-Liste der Stadt. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) steht Walters Plänen wie berichtet skeptisch gegenüber („Idee fällt aus der Zeit“). Wirtschaftsbürgermeisterin Eva Weber (CSU) verweist darauf, dass sich Überlegungen aus der Wirtschaft, denen die Stadt sich in der Vergangenheit zumindest nicht verschloss, auf ein neues Parkhaus im Süden oder Osten der Innenstadt bezogen. Im Westen, wo die Fuggerstraße liegt, herrsche kein Mangel. Aus Gesprächen mit Parkhausbetreibern sei klar, dass es so gut wie immer – Ausnahme sind Adventssamstage – freie Kapazitäten gebe.
Die Stadt setzt stattdessen auf die Einrichtung eines Parkleitsystems, das schon seit dem KönigsplatzUmbau 2012 im Gespräch ist. Bisher blieb es aber bei Vorarbeiten, etwa der Untersuchung von Verkehrsströmen. Zuletzt machte die Stadt Personalmangel im Tiefbauamt geltend. Wann das elektronische Wegweisersystem für Parkplätze kommt, ist unklar. Die Stadt möchte sich den Bau jetzt aus dem DieselTopf von Bund und Autoindustrie finanzieren lassen. Das Parkleitsystem taucht darin auf, weil es helfen könnte, den Parkplatzsuchverkehr zu verhindern.
Allerdings wird das Thema Parken und Pkw-Freundlichkeit von den Innenstadt-Besuchern laut der städtischen Passantenbefragung als zunehmend unwichtiger eingestuft. 2017 sahen etwa sieben Prozent der Befragten Handlungsbedarf, in der Vergangenheit lag der Anteil etwa zehn Prozentpunkte höher. Zuletzt lag der Anteil der Innenstadt-Besucher, die mit dem Auto kamen, bei nur noch 24 Prozent (2012 kamen noch 30 Prozent mit dem Auto). Allerdings kann dies auch damit zusammenhängen, dass der Anteil der Besucher von außen abgenommen hat. Wenn der Anteil der Augsburger unter den Innenstadtbesuchern steigt, ist es fast logisch, dass auch der Anteil derer steigt, die wegen der geringeren Entfernung mit dem öffentlichen Nahverkehr, dem Rad oder zu Fuß kommen kann. Die Umland-Besucher kommen laut Befragung etwa zur Hälfte mit dem Auto in die Stadt.
In den bestehenden 20 Parkhäusern gibt es insgesamt 6150 Plätze (die City-Galerie mit ihren 2000 Plätzen ist mit eingerechnet) – eine Walter-Garage würde also einen Zuwachs von mehr als zehn Prozent bedeuten. Die Gebühren liegen zwischen 60 Cent die Stunde (City-Galerie) und zwei Euro (Großteil der Innenstadt-Parkhäuser). Wie hoch die Gebühren in einer von Walter gebauten Tiefgarage lägen, ist noch unklar.
Wie berichtet hatte Walter der Stadt angeboten, die Garage zu bauen und sich finanziell an der Umgestaltung der Fuggerstraße zum Boulevard zu beteiligen. Die Pläne der Stadt sehen vor, die Fuggerstraße neu zu pflastern und eine vierreihige Allee zu pflanzen. Allerdings müssen dafür rund 50 Bäume gefällt werden. Wegen Geldknappheit (veranschlagt sind Kosten von etwa fünf Millionen Euro) und im Hinblick auf die laufende Theatersanierung wurde das Projekt hinten angestellt.
Baureferent Gerd Merkle (CSU) sagte am Donnerstag, dass es Sache des Stadtrats sei, über die von Ignaz Walter angebotene Garage zu entscheiden. Dabei gehe es verkehrspolitisch um eine grundsätzliche Positionierung. Bautechnisch gebe er zu bedenken, dass die Straßenbahnlinie 4 und die Stadionlinie – sie benötigt die Wendeschleife am Justizpalast – bei einer Baugrube in der Fuggerstraße für mehr als ein Jahr unterbrochen werden müssten. Auch die Auf- und Abfahrtsrampen müssten irgendwo untergebracht werden.
Wie könnte der Bau der Garage ablaufen?
Eine exklusive Tiefgarage mitten in der Stadt unter der Fuggerstraße – das Angebot des einstigen Baukonzernchefs Ignaz Walter an die Stadt Augsburg bewegt die Leser. „Augsburg braucht es“, „Dringend nötig“, „Bauen, und zwar schnell“– lauten manche Kommentare auf der Facebookseite unserer Zeitung. Etliche Leserbriefe gingen in der Redaktion ein. Doch nicht jeder ist von Walters Idee begeistert.
Die Augsburgerin Irmhild Kramer allerdings findet sie „großartig“. „Eine Tiefgarage in der Fuggerstraße wäre der Gewinn des Jahrhunderts für Augsburg“, schreibt sie im Leserbrief. Eva Nagelmüller appelliert an die Stadt, das Angebot des früheren Unternehmers unbedingt anzunehmen. So günstig käme sie nicht mehr an eine Tiefgarage. Damit könne endlich der geplante Fugger-Boulevard eingerichtet werden, in dem nur Fußgänger und Radler zugange seien.
Leser Rolf Pest führt die Tarifreform der Verkehrsbetriebe als ein Argument für die Tiefgarage an. „Nachdem es in Augsburg allem Anschein nach nicht möglich ist, eine faire, vernünftige und für alle Bürgerschichten bezahlbare Tarifreform aufzulegen, wäre ein Votum zugunsten der Walter-Garage sicherlich nicht abwegig.“Die Parkgebühren müssten aber in einem vernünftigen Rahmen erhoben werden, betont er.
Geht es nach dem Augsburger Manfred Kugler sollten nicht die Stadträte über die Walter-Garage entscheiden, sondern die Bürger bei einem Entscheid. „Außerdem sollte man erfahren, ob es dann auch so günstige Parkgebühren hat wie die City-Galerie oder die hohen Gebühren der anderen Parkhäuser erreicht.“Für Rainer Kraus wäre es sogar das erste Bauprojekt in Augsburg mit Tiefgang. Sicherlich werde es kein Geschenk ohne Eigennutz sein, meint der Augsburger. Aber bei der Bewertung des Gesamt-Projekts müsse man zum Schluss kommen, dass es sich um eine „Winwin-Situation“handele.
Fritz Wimmer findet, dass eine Tiefgarage mit Parkplätzen in Überbreite in Augsburg, ausgenommen City-Galerie, sowieso fehlt. „Die Autos werden immer breiter und Beschädigungen auf engen Parkplätzen häufen sich und auch ein Servicepoint ist für die Bürger sinnvoll.“Das gesamte Angebot von Ignaz Walter sei für den Handel ebenso von Vorteil.
Unter den Lesern gibt es auch Kritik. Diese Tiefgarage würde nur mehr Verkehr und Dreck in die Innenstadt bringen, ist Horst Jung aus Friedberg überzeugt. „Man sollte eher daran denken, den Verkehr aus der Innenstadt auszusperren.“Dazu gehörten für ihn etwa die Erweiterung der Fußgängerzone vom Königsplatz bis zum Stadttheater und die Maximilianstraße.
Leserbriefschreiber Heinz Barth sieht für Ignaz Walter bessere Möglichkeiten, sich zu engagieren. Er fände ein Parkhaus bei der neuen Uni-Klinik oder am Park&Ride West notwendiger, oder etwa ein Fahrradparkhaus. „Eine Straßenbahnbrücke an der Kreuzung
Ackermannstraße/B17 oder an der Kreuzung Ackermann-Kriegshaber Straße wäre ein sinnvolles Betätigungsfeld.“Hier würden sich ÖPNV-Kunden, Auto- und Radfahrer wie auch Fußgänger gleichermaßen freuen, ist Barth überzeugt.
„670 Parkplätze zusätzlich locken erst mal auch mindestens so viele Kfz in die Stadt. Dann herrscht Einfahrtsstau und Suchverkehr“, gibt der Prittrichinger Claus Koch zu Bedenken. Zudem äußert er weitere Kritik. „Seine Kinder und Enkel dürfen die Parkgebühren kassieren, die viel zitierte Bürgerschaft dann in
30 bis 50 Jahren die Sanierungskosten für so einen unterirdischen Betonbunker bezahlen.“
Eine ähnliche Meinung haben Renate und Georg Bauer. „Herr Walter möchte doch nichts verschenken, sondern er möchte besten Grund in der Innenstadt geschenkt bekommen, um dann für seine Erben eine quasi ewige Einnahmequelle zu generieren“, formulieren sie. Man könne nur hoffen, dass die Stadt dieses trojanische Pferd nicht hinein lasse.
Andrea Haase aus Stadtbergen hofft, dass es bei dem Nein von 1996 bleibt. „Der 82-jährige Walter will das ,schönste‘ Parkhaus Deutschlands errichten. Es ist doch gerade das allgemein größte Anliegen, nicht noch mehr Autos in die Stadt zu lotsen. Staus haben wir genug! Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln.“Auch auf der Facebook-Seite unserer Zeitung wird unter den entsprechenden Artikeln über das Thema heiß diskutiert.
Stefan Puchner etwa empfiehlt allen Kritikern, „auch ich gehörte in den 90ern dazu“, sich in Ulm die Neue Straße anzuschauen. „Dank der neuen Tiefgarage dort, war es erst möglich, den Verkehr darüber zu beruhigen, und die Innenstadt profitierte sehr davon.“Die neue Garage würde Augsburg gut stehen und gut zum neuen Staatstheater passen, meint TV-Moderatorin Silvia Laubenbacher. „Wenn man sich einigen kann und die Fakten geprüft sind, sollten wir dem ,geschenkten Gaul‘ nicht zu lange ins sprichwörtliche Maul schauen, sondern dankbar die großzügige Geste eines Augsburg-Liebhabers annehmen.“An unserer aktuellen Umfrage zur Tiefgarage auf augsburger-allgemeine.de/augsburg haben sich bis Donnerstagabend über 1400 Leser beteiligt. Zu dem Zeitpunkt waren in etwa zwei Drittel der Beteiligten dafür. Die Umfrage läuft weiter.
Was ein Leser den Kritikern empfiehlt