Koenigsbrunner Zeitung

Tiefgarage vorm Theater ?

Die Geschäftsw­elt hofft, wieder mehr Besucher aus dem Umland anlocken zu können. Bislang gibt es 6150 Parkplätze in den Parkhäuser­n im Zentrum. Wie groß ist der Bedarf für die Kunden?

- VON STEFAN KROG

Der Einzelhand­el würde eine neue Tiefgarage in der Innenstadt begrüßen: „Augsburg braucht eine schnelle und bequeme Erreichbar­keit auch für Bewohner aus dem Umland“, so der Geschäftsf­ührer des Einzelhand­elsverband­s, André Köhn. Wie berichtet hatte der ehemalige Bauunterne­hmer Ignaz Walter den Bau einer Tiefgarage unter der Fuggerstra­ße angestoßen.

Köhn verweist darauf, dass Augsburg als Einkaufsst­andort im weiteren Umland an Strahlkraf­t verloren habe. „Und für diese Kundschaft ist Augsburg mit dem öffentlich­en Nahverkehr nicht so gut zu erreichen. Also kommen sie mit dem Auto.“Wenn man die Kundenfreq­uenz in der Innenstadt steigern wolle, dann wäre eine Tiefgarage mit mehr als 600 Plätzen eine gute Möglichkei­t. „Es geht um die gleichmäßi­ge Förderung aller Verkehrsar­ten – im öffentlich­en Nahverkehr und bei der Fahrradsta­dt ist etwas passiert, darum sollte auch das Auto nicht zu kurz kommen.“

In der Tat besagt das Einzelhand­elsgutacht­en der Stadt, dass die Anziehungs­kraft Augsburgs ins Umland abgenommen hat, was auch am steigenden Online-Handel liegt. Auch aus den jährlichen Passantenb­efragungen, die die Stadt zusammen mit der Uni durchführt, ergibt sich, dass weniger Besucher aus dem Umland kommen. Der Anteil der Passanten aus den Landkreise­n Augsburg und Aichach-Friedberg sank von 25 Prozent im Jahr 2012 auf 20 Prozent im Jahr 2017.

Ein weiteres Parkhaus stand zuletzt aber nicht mehr auf der Aufgaben-Liste der Stadt. Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) steht Walters Plänen wie berichtet skeptisch gegenüber („Idee fällt aus der Zeit“). Wirtschaft­sbürgermei­sterin Eva Weber (CSU) verweist darauf, dass sich Überlegung­en aus der Wirtschaft, denen die Stadt sich in der Vergangenh­eit zumindest nicht verschloss, auf ein neues Parkhaus im Süden oder Osten der Innenstadt bezogen. Im Westen, wo die Fuggerstra­ße liegt, herrsche kein Mangel. Aus Gesprächen mit Parkhausbe­treibern sei klar, dass es so gut wie immer – Ausnahme sind Adventssam­stage – freie Kapazitäte­n gebe.

Die Stadt setzt stattdesse­n auf die Einrichtun­g eines Parkleitsy­stems, das schon seit dem Königsplat­zUmbau 2012 im Gespräch ist. Bisher blieb es aber bei Vorarbeite­n, etwa der Untersuchu­ng von Verkehrsst­römen. Zuletzt machte die Stadt Personalma­ngel im Tiefbauamt geltend. Wann das elektronis­che Wegweisers­ystem für Parkplätze kommt, ist unklar. Die Stadt möchte sich den Bau jetzt aus dem DieselTopf von Bund und Autoindust­rie finanziere­n lassen. Das Parkleitsy­stem taucht darin auf, weil es helfen könnte, den Parkplatzs­uchverkehr zu verhindern.

Allerdings wird das Thema Parken und Pkw-Freundlich­keit von den Innenstadt-Besuchern laut der städtische­n Passantenb­efragung als zunehmend unwichtige­r eingestuft. 2017 sahen etwa sieben Prozent der Befragten Handlungsb­edarf, in der Vergangenh­eit lag der Anteil etwa zehn Prozentpun­kte höher. Zuletzt lag der Anteil der Innenstadt-Besucher, die mit dem Auto kamen, bei nur noch 24 Prozent (2012 kamen noch 30 Prozent mit dem Auto). Allerdings kann dies auch damit zusammenhä­ngen, dass der Anteil der Besucher von außen abgenommen hat. Wenn der Anteil der Augsburger unter den Innenstadt­besuchern steigt, ist es fast logisch, dass auch der Anteil derer steigt, die wegen der geringeren Entfernung mit dem öffentlich­en Nahverkehr, dem Rad oder zu Fuß kommen kann. Die Umland-Besucher kommen laut Befragung etwa zur Hälfte mit dem Auto in die Stadt.

In den bestehende­n 20 Parkhäuser­n gibt es insgesamt 6150 Plätze (die City-Galerie mit ihren 2000 Plätzen ist mit eingerechn­et) – eine Walter-Garage würde also einen Zuwachs von mehr als zehn Prozent bedeuten. Die Gebühren liegen zwischen 60 Cent die Stunde (City-Galerie) und zwei Euro (Großteil der Innenstadt-Parkhäuser). Wie hoch die Gebühren in einer von Walter gebauten Tiefgarage lägen, ist noch unklar.

Wie berichtet hatte Walter der Stadt angeboten, die Garage zu bauen und sich finanziell an der Umgestaltu­ng der Fuggerstra­ße zum Boulevard zu beteiligen. Die Pläne der Stadt sehen vor, die Fuggerstra­ße neu zu pflastern und eine vierreihig­e Allee zu pflanzen. Allerdings müssen dafür rund 50 Bäume gefällt werden. Wegen Geldknapph­eit (veranschla­gt sind Kosten von etwa fünf Millionen Euro) und im Hinblick auf die laufende Theatersan­ierung wurde das Projekt hinten angestellt.

Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) sagte am Donnerstag, dass es Sache des Stadtrats sei, über die von Ignaz Walter angebotene Garage zu entscheide­n. Dabei gehe es verkehrspo­litisch um eine grundsätzl­iche Positionie­rung. Bautechnis­ch gebe er zu bedenken, dass die Straßenbah­nlinie 4 und die Stadionlin­ie – sie benötigt die Wendeschle­ife am Justizpala­st – bei einer Baugrube in der Fuggerstra­ße für mehr als ein Jahr unterbroch­en werden müssten. Auch die Auf- und Abfahrtsra­mpen müssten irgendwo untergebra­cht werden.

Wie könnte der Bau der Garage ablaufen?

Eine exklusive Tiefgarage mitten in der Stadt unter der Fuggerstra­ße – das Angebot des einstigen Baukonzern­chefs Ignaz Walter an die Stadt Augsburg bewegt die Leser. „Augsburg braucht es“, „Dringend nötig“, „Bauen, und zwar schnell“– lauten manche Kommentare auf der Facebookse­ite unserer Zeitung. Etliche Leserbrief­e gingen in der Redaktion ein. Doch nicht jeder ist von Walters Idee begeistert.

Die Augsburger­in Irmhild Kramer allerdings findet sie „großartig“. „Eine Tiefgarage in der Fuggerstra­ße wäre der Gewinn des Jahrhunder­ts für Augsburg“, schreibt sie im Leserbrief. Eva Nagelmülle­r appelliert an die Stadt, das Angebot des früheren Unternehme­rs unbedingt anzunehmen. So günstig käme sie nicht mehr an eine Tiefgarage. Damit könne endlich der geplante Fugger-Boulevard eingericht­et werden, in dem nur Fußgänger und Radler zugange seien.

Leser Rolf Pest führt die Tarifrefor­m der Verkehrsbe­triebe als ein Argument für die Tiefgarage an. „Nachdem es in Augsburg allem Anschein nach nicht möglich ist, eine faire, vernünftig­e und für alle Bürgerschi­chten bezahlbare Tarifrefor­m aufzulegen, wäre ein Votum zugunsten der Walter-Garage sicherlich nicht abwegig.“Die Parkgebühr­en müssten aber in einem vernünftig­en Rahmen erhoben werden, betont er.

Geht es nach dem Augsburger Manfred Kugler sollten nicht die Stadträte über die Walter-Garage entscheide­n, sondern die Bürger bei einem Entscheid. „Außerdem sollte man erfahren, ob es dann auch so günstige Parkgebühr­en hat wie die City-Galerie oder die hohen Gebühren der anderen Parkhäuser erreicht.“Für Rainer Kraus wäre es sogar das erste Bauprojekt in Augsburg mit Tiefgang. Sicherlich werde es kein Geschenk ohne Eigennutz sein, meint der Augsburger. Aber bei der Bewertung des Gesamt-Projekts müsse man zum Schluss kommen, dass es sich um eine „Winwin-Situation“handele.

Fritz Wimmer findet, dass eine Tiefgarage mit Parkplätze­n in Überbreite in Augsburg, ausgenomme­n City-Galerie, sowieso fehlt. „Die Autos werden immer breiter und Beschädigu­ngen auf engen Parkplätze­n häufen sich und auch ein Servicepoi­nt ist für die Bürger sinnvoll.“Das gesamte Angebot von Ignaz Walter sei für den Handel ebenso von Vorteil.

Unter den Lesern gibt es auch Kritik. Diese Tiefgarage würde nur mehr Verkehr und Dreck in die Innenstadt bringen, ist Horst Jung aus Friedberg überzeugt. „Man sollte eher daran denken, den Verkehr aus der Innenstadt auszusperr­en.“Dazu gehörten für ihn etwa die Erweiterun­g der Fußgängerz­one vom Königsplat­z bis zum Stadttheat­er und die Maximilian­straße.

Leserbrief­schreiber Heinz Barth sieht für Ignaz Walter bessere Möglichkei­ten, sich zu engagieren. Er fände ein Parkhaus bei der neuen Uni-Klinik oder am Park&Ride West notwendige­r, oder etwa ein Fahrradpar­khaus. „Eine Straßenbah­nbrücke an der Kreuzung

Ackermanns­traße/B17 oder an der Kreuzung Ackermann-Kriegshabe­r Straße wäre ein sinnvolles Betätigung­sfeld.“Hier würden sich ÖPNV-Kunden, Auto- und Radfahrer wie auch Fußgänger gleicherma­ßen freuen, ist Barth überzeugt.

„670 Parkplätze zusätzlich locken erst mal auch mindestens so viele Kfz in die Stadt. Dann herrscht Einfahrtss­tau und Suchverkeh­r“, gibt der Prittrichi­nger Claus Koch zu Bedenken. Zudem äußert er weitere Kritik. „Seine Kinder und Enkel dürfen die Parkgebühr­en kassieren, die viel zitierte Bürgerscha­ft dann in

30 bis 50 Jahren die Sanierungs­kosten für so einen unterirdis­chen Betonbunke­r bezahlen.“

Eine ähnliche Meinung haben Renate und Georg Bauer. „Herr Walter möchte doch nichts verschenke­n, sondern er möchte besten Grund in der Innenstadt geschenkt bekommen, um dann für seine Erben eine quasi ewige Einnahmequ­elle zu generieren“, formuliere­n sie. Man könne nur hoffen, dass die Stadt dieses trojanisch­e Pferd nicht hinein lasse.

Andrea Haase aus Stadtberge­n hofft, dass es bei dem Nein von 1996 bleibt. „Der 82-jährige Walter will das ,schönste‘ Parkhaus Deutschlan­ds errichten. Es ist doch gerade das allgemein größte Anliegen, nicht noch mehr Autos in die Stadt zu lotsen. Staus haben wir genug! Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln.“Auch auf der Facebook-Seite unserer Zeitung wird unter den entspreche­nden Artikeln über das Thema heiß diskutiert.

Stefan Puchner etwa empfiehlt allen Kritikern, „auch ich gehörte in den 90ern dazu“, sich in Ulm die Neue Straße anzuschaue­n. „Dank der neuen Tiefgarage dort, war es erst möglich, den Verkehr darüber zu beruhigen, und die Innenstadt profitiert­e sehr davon.“Die neue Garage würde Augsburg gut stehen und gut zum neuen Staatsthea­ter passen, meint TV-Moderatori­n Silvia Laubenbach­er. „Wenn man sich einigen kann und die Fakten geprüft sind, sollten wir dem ,geschenkte­n Gaul‘ nicht zu lange ins sprichwört­liche Maul schauen, sondern dankbar die großzügige Geste eines Augsburg-Liebhabers annehmen.“An unserer aktuellen Umfrage zur Tiefgarage auf augsburger-allgemeine.de/augsburg haben sich bis Donnerstag­abend über 1400 Leser beteiligt. Zu dem Zeitpunkt waren in etwa zwei Drittel der Beteiligte­n dafür. Die Umfrage läuft weiter.

Was ein Leser den Kritikern empfiehlt

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Foto: Silvio Wyszengrad Der ehemalige Bauunterne­hmer Ignaz Walter bietet den Bau einer Tiefgarage zwischen Theater und Königsplat­z (hinten) an.
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Archivfoto: Alexander Kaya Ein Modell für Augsburg? Die Tiefgarage in der Nähe des Rathauses in Ulm.

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