Martin Sailer ist zehn Jahre im Amt
Dienstjubiläum für den Augsburger Landrat. Der fährt ein kleines Auto und hat große Ziele
Landkreis Augsburg Manchmal ist Landrat sein echt ein Kinderspiel. Aus einer Handvoll Knetmasse, Korken und Strohhalmen gilt es ein Schiff zu basteln, das möglichst viele Schraubenmuttern trägt. „Das ist so toll“, sagt Martin Sailer und erzählt von seinem Termin in einem Meitinger Kindergarten, der jetzt den Titel „Haus der kleinen Forscher“tragen darf.
Das Programm soll die mathematische und naturwissenschaftliche Bildung der Kleinen fördern und zählt zu den Lieblingsprojekten des Landrats. 115 Kindergärten im Kreis machen inzwischen mit, 400 Erzieherinnen wurden geschult, damit sie die kleinen Forscher fördern können. Sailer: „Das ist ein kleiner Renner.“
Seit zehn Jahren ist der 48-Jährige Chef im Augsburger Landratsamt, von wo aus Bayerns drittgrößter Landkreis dirigiert wird. Rückblickend betrachtet, übernahm Sailer zu einem beinahe idealen Zeitpunkt. Deutschland kam halbwegs ungeschoren durch die Finanzkrise und nahm seitdem einen robusten wirtschaftlichen Aufschwung, von dem nicht zuletzt viele Unternehmen im Augsburger Land profitieren.
In Sailers Amtszeit stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs im Landkreis um rund 10000, es gab spektakuläre Firmenansiedlungen wie Amazon und die BMWLogistik auf dem Lechfeld. Im Grunde herrscht im Landkreis Vollbeschäftigung. „Es geht uns gut“, sagt Sailer selbst.
Die brummende Konjunktur war die Grundlage, die dem jungen CSU-Politiker und seinem Kreistag ein ehrgeiziges Bauprogramm im Bildungsbereich ermöglichte. Zwei neue Schulen gebaut, die anderen saniert und erweitert: Rund 130 Millionen Euro wurden zwischen Schwabmünchen und Meitingen in die landkreiseigenen Schulen gesteckt (siehe Wichtige Projekte), in Gersthofen und Neusäß stehen die nächsten Großprojekte für noch einmal gut und gerne 100 Millionen Euro an. Sailer: „Darauf können wir alle miteinander stolz sein.“
Der studierte Diplomkaufmann begreift Ausgaben für die Bildung als Investitionen in den Wirtschaftsstandort Augsburger Land, dessen größtes Potenzial gut ausgebildete Menschen seien. Sailer sieht aber auch, dass das Wachstum seine Grenzen hat, wie Wohnungsknappheit und überlastete Verkehrsverbindungen zeigen. Unter den heutigen Bedingungen würde man einer Ansiedlung von Art und Größe von Amazon wohl nicht mehr so freudig entgegensehen, sagt Sailer selbst.
Dabei steht dem Landkreis eine noch viel größere Ansiedlung ins Haus. Die Uniklinik soll bis zu 6500 zusätzliche Jobs bringen. Wo die Menschen wohnen sollen, wie sie zur Arbeit kommen sollen, dafür ist für den gesamten Großraum Augsburg ein Masterplan gefragt. Im Sommer soll am Landratsamt eine Arbeitsgruppe aus Kommunen und Kammern Antworten finden.
Der Tagesablauf des Landrats ist streng getaktet. Morgens macht der dreifache Vater für die Familie in Neusäß das Frühstück, wie er erzählt, bringt die Kinder zur Schule beziehungsweise Straßenbahn. Ins Amt geht es im Privatwagen, einem Fiat 500. Um 8.30 Uhr gibt es meist eine erste Besprechung, danach geht es richtig los: Besprechungen, Sitzungen in politischen Gremien, Ortstermine und am Abend repräsentative Pflichten.
Zehn bis zwölf Stunden, so schätzt Sailer, dauere der durchschnittliche Arbeitstag und er gibt offen zu, dass ihn am meisten an seinem Job nervt, auf Tage hinaus verplant zu sein. Stundenlanges Aktenstudium am eigenen Schreibtisch? Weitgehend Fehlanzeige. Er habe hervorragende Mitarbeiter, die ihn auf dem Laufenden halten. In manchen Fällen sei der Chef aber selbst in den kleinsten Details sattelfest, sagt Sailers Stellvertreter im Amt, Michael Püschel. Der Vertrag mit dem Freistaat über den Übergang des Klinikums von Stadt und Landkreis Augsburg an den Freistaat ist so ein Fall.
Für Sailer ist der Übergang zur Uniklinik derzeit das mit Abstand wichtigste Projekt, Mitte Mai soll der Kreistag den Vertrag mit dem Freistaat besiegeln. Künftig wird München das Großkrankenhaus finanzieren und dabei wird im Laufe der Jahre ein Milliardenbetrag herauskommen. Aber auch Stadt und Landkreis werden noch lange zahlen müssen. Altschulden und Anteile an der Generalsanierung werden am Ende einen Betrag von rund 140 Millionen Euro ergeben, der abgestottert werden muss.
Der Läufer und Hobby-Golfer Sailer aber richtet den Blick nach vorn. Augsburgs Landrat will sich im Herbst nach den Land- und Bezirkstagswahlen zum nächsten Präsidenten des schwäbischen Bezirkstags küren lassen. Dazu muss seine CSU im Bezirk zunächst wieder die stärkste Kraft werden. Landrat will Sailer trotzdem bleiben. Das ist in Bayern keine unübliche Konstruktion, sorgt bei den anderen Fraktionen im Kreistag aber durchaus für hochgezogene Augenbrauen (siehe unten stehenden Bericht). Bayerns neuer Ministerpräsident Markus Söder hält zehn Jahre Amtszeit für genug. Wäre das nicht auch für einen Landrat eine angemessene Frist? Martin Sailer sitzt in seinem Amtszimmer am Besprechungskurs und stutzt kurz, bevor er die Antwort formuliert, in der er darauf verweist, dass er im Gegensatz zu einem Ministerpräsidenten direkt gewählt ist und dementsprechend auch alle sechs Jahre abgewählt werden könnte. Außerdem: „Es macht Spaß, ich fühle mich fit.“Theoretisch könnte er 2032 ein letztes Mal antreten, wäre am Ende der Amtszeit dann 30 Jahre Landrat. Während Sailer darüber sinniert, wirkt er doch ein wenig erschreckt und sagt: „Bis zum Letzten muss man es vielleicht nicht ausreizen.“