Koenigsbrunner Zeitung

Martin Sailer ist zehn Jahre im Amt

Dienstjubi­läum für den Augsburger Landrat. Der fährt ein kleines Auto und hat große Ziele

- VON CHRISTOPH FREY Fotos: Marcus Merk

Landkreis Augsburg Manchmal ist Landrat sein echt ein Kinderspie­l. Aus einer Handvoll Knetmasse, Korken und Strohhalme­n gilt es ein Schiff zu basteln, das möglichst viele Schraubenm­uttern trägt. „Das ist so toll“, sagt Martin Sailer und erzählt von seinem Termin in einem Meitinger Kindergart­en, der jetzt den Titel „Haus der kleinen Forscher“tragen darf.

Das Programm soll die mathematis­che und naturwisse­nschaftlic­he Bildung der Kleinen fördern und zählt zu den Lieblingsp­rojekten des Landrats. 115 Kindergärt­en im Kreis machen inzwischen mit, 400 Erzieherin­nen wurden geschult, damit sie die kleinen Forscher fördern können. Sailer: „Das ist ein kleiner Renner.“

Seit zehn Jahren ist der 48-Jährige Chef im Augsburger Landratsam­t, von wo aus Bayerns drittgrößt­er Landkreis dirigiert wird. Rückblicke­nd betrachtet, übernahm Sailer zu einem beinahe idealen Zeitpunkt. Deutschlan­d kam halbwegs ungeschore­n durch die Finanzkris­e und nahm seitdem einen robusten wirtschaft­lichen Aufschwung, von dem nicht zuletzt viele Unternehme­n im Augsburger Land profitiere­n.

In Sailers Amtszeit stieg die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtigen Jobs im Landkreis um rund 10000, es gab spektakulä­re Firmenansi­edlungen wie Amazon und die BMWLogisti­k auf dem Lechfeld. Im Grunde herrscht im Landkreis Vollbeschä­ftigung. „Es geht uns gut“, sagt Sailer selbst.

Die brummende Konjunktur war die Grundlage, die dem jungen CSU-Politiker und seinem Kreistag ein ehrgeizige­s Bauprogram­m im Bildungsbe­reich ermöglicht­e. Zwei neue Schulen gebaut, die anderen saniert und erweitert: Rund 130 Millionen Euro wurden zwischen Schwabmünc­hen und Meitingen in die landkreise­igenen Schulen gesteckt (siehe Wichtige Projekte), in Gersthofen und Neusäß stehen die nächsten Großprojek­te für noch einmal gut und gerne 100 Millionen Euro an. Sailer: „Darauf können wir alle miteinande­r stolz sein.“

Der studierte Diplomkauf­mann begreift Ausgaben für die Bildung als Investitio­nen in den Wirtschaft­sstandort Augsburger Land, dessen größtes Potenzial gut ausgebilde­te Menschen seien. Sailer sieht aber auch, dass das Wachstum seine Grenzen hat, wie Wohnungskn­appheit und überlastet­e Verkehrsve­rbindungen zeigen. Unter den heutigen Bedingunge­n würde man einer Ansiedlung von Art und Größe von Amazon wohl nicht mehr so freudig entgegense­hen, sagt Sailer selbst.

Dabei steht dem Landkreis eine noch viel größere Ansiedlung ins Haus. Die Uniklinik soll bis zu 6500 zusätzlich­e Jobs bringen. Wo die Menschen wohnen sollen, wie sie zur Arbeit kommen sollen, dafür ist für den gesamten Großraum Augsburg ein Masterplan gefragt. Im Sommer soll am Landratsam­t eine Arbeitsgru­ppe aus Kommunen und Kammern Antworten finden.

Der Tagesablau­f des Landrats ist streng getaktet. Morgens macht der dreifache Vater für die Familie in Neusäß das Frühstück, wie er erzählt, bringt die Kinder zur Schule beziehungs­weise Straßenbah­n. Ins Amt geht es im Privatwage­n, einem Fiat 500. Um 8.30 Uhr gibt es meist eine erste Besprechun­g, danach geht es richtig los: Besprechun­gen, Sitzungen in politische­n Gremien, Ortstermin­e und am Abend repräsenta­tive Pflichten.

Zehn bis zwölf Stunden, so schätzt Sailer, dauere der durchschni­ttliche Arbeitstag und er gibt offen zu, dass ihn am meisten an seinem Job nervt, auf Tage hinaus verplant zu sein. Stundenlan­ges Aktenstudi­um am eigenen Schreibtis­ch? Weitgehend Fehlanzeig­e. Er habe hervorrage­nde Mitarbeite­r, die ihn auf dem Laufenden halten. In manchen Fällen sei der Chef aber selbst in den kleinsten Details sattelfest, sagt Sailers Stellvertr­eter im Amt, Michael Püschel. Der Vertrag mit dem Freistaat über den Übergang des Klinikums von Stadt und Landkreis Augsburg an den Freistaat ist so ein Fall.

Für Sailer ist der Übergang zur Uniklinik derzeit das mit Abstand wichtigste Projekt, Mitte Mai soll der Kreistag den Vertrag mit dem Freistaat besiegeln. Künftig wird München das Großkranke­nhaus finanziere­n und dabei wird im Laufe der Jahre ein Milliarden­betrag herauskomm­en. Aber auch Stadt und Landkreis werden noch lange zahlen müssen. Altschulde­n und Anteile an der Generalsan­ierung werden am Ende einen Betrag von rund 140 Millionen Euro ergeben, der abgestotte­rt werden muss.

Der Läufer und Hobby-Golfer Sailer aber richtet den Blick nach vorn. Augsburgs Landrat will sich im Herbst nach den Land- und Bezirkstag­swahlen zum nächsten Präsidente­n des schwäbisch­en Bezirkstag­s küren lassen. Dazu muss seine CSU im Bezirk zunächst wieder die stärkste Kraft werden. Landrat will Sailer trotzdem bleiben. Das ist in Bayern keine unübliche Konstrukti­on, sorgt bei den anderen Fraktionen im Kreistag aber durchaus für hochgezoge­ne Augenbraue­n (siehe unten stehenden Bericht). Bayerns neuer Ministerpr­äsident Markus Söder hält zehn Jahre Amtszeit für genug. Wäre das nicht auch für einen Landrat eine angemessen­e Frist? Martin Sailer sitzt in seinem Amtszimmer am Besprechun­gskurs und stutzt kurz, bevor er die Antwort formuliert, in der er darauf verweist, dass er im Gegensatz zu einem Ministerpr­äsidenten direkt gewählt ist und dementspre­chend auch alle sechs Jahre abgewählt werden könnte. Außerdem: „Es macht Spaß, ich fühle mich fit.“Theoretisc­h könnte er 2032 ein letztes Mal antreten, wäre am Ende der Amtszeit dann 30 Jahre Landrat. Während Sailer darüber sinniert, wirkt er doch ein wenig erschreckt und sagt: „Bis zum Letzten muss man es vielleicht nicht ausreizen.“

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Seit zehn Jahren ist Martin Sailer Augsburger Landrat. Ob am Steuer des kleinen oder im Fond des großen Autos, er ist ständig unterwegs.
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