Gelb bestäubt die Welt
Welche Farbe hat Staub? Ist das überhaupt eine Farbe? Grau in allen Schattierungen, staubig eben, undefinierbar. Staub ist ein Mysterium. Er ist überall und er kommt von überall her und immer wieder. Wäre er blau oder grün oder lila, dann wäre unsere Welt, zumindest die häusliche Umgebung, bunter, fröhlicher. Das Mittelmeer unter dem Bett, eine Frühlingswiese auf dem Schrank – und im Staubsaugerbeutel eine violette Wolke.
Ein bisschen davon erleben wir in diesen Tagen draußen vor der Tür. Überall feiner Staub. Blütenstaub. Gelb, goldgelb. Füllt Rinnsteine, färbt Fensterbänke, bildet schöne Muster auf der Straße, ziert jede Ritze, sitzt auf der Hollywoodschaukel. Wie eine zweite Haut liegt dieses Gelb auf der Welt, Mehltau des Frühlings. Ist das Natur oder kann das weg wie Dreck? Wer immer versucht, den Mikroteppich wegzukehren oder fortzuwischen, wird bemerken, womit er es zu tun hat: Staub eben. Verhält sich wie jener daheim unterm Bett. Er kommt wieder, er schwebt unsichtbar aus dem Nichts herab, er spielt auf Zeit und gewinnt immer. Am besten klar kommt man mit dem Maiflimmer, wenn man ihn hinnimmt (tut man das mit dem grauen Zimmerstaub nicht auch – im Regal, unterm Buffet?) oder sogar als wundersamen Goldstaub begrüßt, geschürft aus Millionen Blütenkelchen. Etwas, das sinnlich bereichert, was wir von Reifenabrieb und Stadt-Feinstaub nicht behaupten können. Irgendwann wird starker Regen das Gelbe vom Gehsteig in die Gullys spülen. Wenn uns Straßen und Wege, Gärten und Motorhauben dann leer und leblos blank vorkommen, gibt es bis zum ersten Schnee nur noch eine Chance auf Veränderung: Blutregen. Das ist feiner roter Wüstensand aus der Sahara, der durch die Lüfte bis zu uns treibt und mit dem Regen niederkommt. Dann ist Feuer auf dem Dach.