Zwischen Widerstand und Annäherung
Im Spiel mit den Mächtigen droht Schostakowitsch zu zerbrechen. Dies schlägt sich in seiner Musik nieder
Künstler sind immer eingebunden in politisch-gesellschaftliche Verhältnisse: Dadurch können sie gefördert und aufgebaut, aber auch gegängelt werden. Werden allerdings Repressalien ergriffen, stehen sie vor einem Dilemma: Entweder suchen sie den Weg in die innere Emigration oder flüchten ins Exil. Wie kein Zweiter setzte sich Dimitri Schostakowitsch diesem Zwiespalt, dieser gefährlichen Gratwanderung aus: Existenzgefährdend zwischen Widerstand und Annäherung suchte er den Modus Vivendi. Der Komponist schien an dieser Situation seelisch zu zerbrechen, wie aus seiner Kammersinfonie op. 110 a hervorgehen sollte, die die Bayerische Kammerphilharmonie am Sonntag im Kleinen Goldenen Saal aufführte. Offiziell „Im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges“komponiert, hat er das Werk eigentlich sich selbst, „Dem Andenken an den Komponisten“, gewidmet.
Dieses Fluidum verströmte die Kammerphilharmonie, Gabriel Adorjan leitete von der Violine aus. In den Largo-Sätzen griff das Streichorchester die melancholisch weltabgewandte Haltung feinfühlig auf. Über reduzierte musikalische Mittel griff eine Stimmung voller Trauer, Verzweiflung und Todesgedanken um sich. Als lege Schostakowitch persönlich Bekenntnis ab, prägten jeden Satz seine Initialen D - Es - C - H aus, als hielte er Rückschau, klangen querbeet Motive aus seinen Hauptwerken auf, als obsiege er über alle Schicksalsschläge, manifestierte sich im heftigen Allegro molto in Pfundnoten hoch oben „d es - c“. Den vierten Satz profilierte das Ensemble als Trauermarsch im Wechsel von lastenden Klangflächen wie Schicksalsschlägen. Weit ausschwingen sollte das finale Largo, ehe „d - es - c- h“ersterbend aushauchte. Eine packende Interpretation!
Arvo Pärt und Peteris Vasks, beide aus dem Baltikum, fanden eine spezielle Antwort auf diese bedrückende Macht: Beide schöpften aus spiritueller Kraft des Glaubens und gingen individuelle Wege. Pärts konfliktfreier, zeitloser Musikstil, wie er sich im FratresZyklus profiliert, besänftigte das
Ohr, wie die Fassung für Violine und Streicher aufzeigte. Die Botschaft lautete „Tintinnabuli“: ein a-moll-Akkord als vertikaler Dreiklang – Adorjan spielte ihn variantenreich auf seiner Solo-Violine. Im Zusammenspiel mit dem Orchester baute sich repetitiv eine meditative Sogwirkung auf, als speise sich diese Musik von selbst.
Peteris Vasks Musica dolorosa ist eine Trauermusik über den Tod der Schwester. Von einem Orgelpunkt aus über einen mürrischen Trauermarsch führte dieses Werk in die Trübsal, wenngleich ein berührendes Cello-Rezitativ wie ein Lichtstreif am Horizont aufleuchtete. Selbstverständlich war auch Wolfgang Amadeus Mozart präsent: Der Unterhaltungston seiner beiden Divertimenti KV 136 wie KV 138 belebte. Großer Applaus !