Die Küche ist Fundament des Glücks
Gasthof zur Brücke in Kaufering seit 100 Jahren in Familienbesitz. Von Presssack und dem einzigen Telefon im Ort
Versetzen wir uns gedanklich für einen Moment ins Kaufering der frühen 1920er-Jahre. Die große Kastanie im Biergarten des Bruckwirts steht, wie gerade jetzt auch, in voller Blüte. Eine Holzbank und ein Tisch daneben. Die alte Lechbrücke führt direkt aufs Haus zu. Das Ehepaar Agathe und Sebastian Schmid hat erst kürzlich – 1918 – das zuvor nur gepachtete Haus gekauft. Man ist mit Hasen-Bräu aus Augsburg einig geworden, das Bier wird zuverlässig geliefert, im Stadel gegenüber wird gerade der Eiskeller gebaut. Die nächsten Winter wird mit Pferdefuhrwerken das Eis für die Kühlung aus dem nahe liegenden Weiher geholt. Doch jetzt gerade steht irgendwo im Ort eine Geburt an. Also flitzt jemand los zum Bruckwirt, wo das einzige Telefon von Kaufering steht, um die Hebamme zu rufen.
Erst 1938, so ist es in der GasthofChronik nachzulesen, bekamen dann „wichtige Leute“, wie die Hebamme oder der Viehhändler, auch ein Telefon. Urenkel Christian Fischer, heute Küchenchef im Hause, hat sich eigens bei seiner 94-jährigen Großtante Therese Kätzel, der einzigen noch lebenden von ehemals sechs Töchtern von Wirtshausgrün- Agathe, nach der Gasthofgeschichte erkundigt. Vier Generationen Gastronomie-Familienbetrieb – das ist heutzutage selten geworden. Vater Herbert Fischer, Enkel von Agathe und Sebastian Schmid, führt den Laden seit mehr als 25 Jahren. Seit 2016 steht ihm sein Sohn in der Küche zur Seite. Beide sind quasi in der Gaststube groß geworden, „wir Kinder sind nebenbei mitgelaufen“.
Herbert Fischer, Jahrgang 1965, ist gelernter Metzger und stellt bis heute den hauseigenen Presssack, die Würste und den Leberkäs selber her. Er ist der Mann hinter dem Tresen, der Chef vom Ganzen. Sohn Christian, 26, hat eine weite Reise durch die Sterneküchen dieser Welt hinter sich und ist nun angetreten, die Qualität der Speisen im Gasthof zur Brücke, so der offizielle Name, weiter zu verfeinern. Für ihn sei schon immer klar gewesen, dass er mal Koch werden wolle. Gelernt hat er im Sacher in Salzburg, hat in verschiedenen bodenständigen bis hin zu Fünf-Sterne-Restaurants in Österreich gearbeitet, war sogar Mitglied der österreichischen Nationalmannschaft der Köche. Ein Jahr in Belgien bei „einem der vier besten Köche der Welt“folgte. Aufenthalte in Asien haben sein Repertoire erweitert. Erst Anfang des Jahres war er drei Monate auf Weltreise und hat zwischendurch immer mal Praktika in Hongkong, Mexiko City oder auch im Restaurant Maido im peruanischen Lima, dem achtbesten Restaurant der Welt, gemacht.
„Der gibt gerade Gas wie ein Wahnsinniger“, sagt Fischer – nicht ohne Stolz in der Stimme – über seinen älteren Sohn. Der zweite Fischersohn, Andreas, ist auch in der Branche tätig. Er studierte Hotelmanagement und leitet zurzeit in Luxemburg ein asiatisches Fine-Dining-Restaurant. 15- bis 16-Stunden-Schichten kennen sie alle in der Familie. Koch oder Gastwirt kann man nicht ohne eine gehörige Portiderin on Leidenschaft sein. Aber nun wird erst mal das 100-Jährige gefeiert. Dabei reicht die Geschichte weiter zurück. Aus dem Jahr 1640 wird berichtet, dass das Anwesen neu erbaut wurde, 1758 weiß man vom ersten Gaststättenbetrieb. Nach einem Großbrand wieder aufgebaut, pachtete Agathe, damals noch verheiratete Geschwill, die Gaststätte 1912. Ihr erster Mann starb im Ersten Weltkrieg, ihr zweiter, Sebastian Schmid, kehrte schwer verletzt zurück und konnte sich das Vorkaufsrecht sichern. Ende Mai 1918 erwarb das Ehepaar den Gasthof, um ihn von Generation zu Generation weiterzugeben. Heute ist die ehemalige Scheune ein Wohngebäude, die Gaststätte mehrmals renoviert und umgebaut. Ein Wintergarten, Ferienwohnungen, Gästezimmer, Photovoltaikanlage, Hackschnitzelholzheizung und vieles mehr sind dazugekommen.
Von 6. bis 8. Juli wird drei Tage lang gefeiert. Ein Food-Festival mit Gastköchen, jede Menge Verkostungen sowie eine Band und ein DJ werden dabei sein – und selbstverständlich eine Großleinwand für die Übertragung der Fußball-WM. Doch zuvor gibt es noch ein besonderes kulinarisches Schmankerl. „Fischer & Friends“, hervorgegangen aus dem ehemaligen „Sacherabend“, findet am heutigen Dienstag und am Mittwoch statt. Christian Fischers Ausbilder und Küchenchef des Sacher, Manfred Stüfler, hat ihm 2011 zum Ende der Ausbildung ein gemeinsames Kochevent im Brückenwirt geschenkt. Daraus ist eine jährliche Kochshow mit Fünf-Gänge-Menü geworden, die sich heuer entlang den Ländern von Christians Weltreise orientiert. „Eine gute Küche“, so steht es groß im Gastraum, „ist das Fundament allen Glücks.“Dieses Motto des französischen Meisterkochs George Auguste Escoffier haben sich die Fischers zu Herzen genommen.