Für seine Familie ist Gabriel ein ganz besonderes Kind
Trisomie 21 Nach der Geburt ihrer drei Töchter hatten die Baptistas mit ihrer Familienplanung eigentlich abgeschlossen. Doch dann kam Gabriel. Warum der Junge besonders viel Aufmerksamkeit und Liebe braucht
Gabriel war kein Wunschkind. Tania Baptista und ihr Mann hatten bereits drei Töchter. Die Familienplanung war abgeschlossen. Als die Mutter mit 34 Jahren erneut schwanger wurde, arbeitete sie wieder Vollzeit. Ein weiteres Kind war in ihrem Leben nicht mehr vorgesehen. Für das Ehepaar stand dennoch außer Frage, den Nachzügler nicht zu bekommen. „Was aus Liebe entsteht, wird nicht kaputt gemacht“, sagt die gebürtige Portugiesin. Doch nach der Geburt kam die Schreckensnachricht.
„Drei Tage danach erfuhren wir die Diagnose“, erzählt Tania Baptista. Der kleine Gabriel hat Trisomie 21, bekannt auch als DownSyndrom. Dabei handelt es sich um eine Genommutation, die Geist und Körper unterschiedlich schwer beeinträchtigt. „Das war ein Schock“, erinnert sich die Mutter. „Andererseits aber auch nicht, denn seine Gesundheit war uns wichtiger.“Das Baby hatte nämlich außerdem zwei Löcher im Herzen und Probleme mit den Nieren. „Diese Baustellen standen für uns im Vordergrund und nicht das Down-Syndrom“, sagt die Frau mit den warmen, braunen Augen. Inzwischen ist das jüngste Kind der Familie fünfeinhalb Jahre alt und hält Eltern und Schwestern auf Trab. „Gabriel hat Pfeffer im Hintern“, meint seine Mutter und lacht. Er sei fröhlich, lieb, manchmal auch stur. Gehadert haben sie nie mit der genetischen Besonderheit ihres Sohnes. Freilich braucht Gabriel aber mehr Zuwendung als andere Kinder.
Geistig liege der Fünfjährige circa drei Jahre zurück, sagt die Mutter. Motorisch sei er stark, sprachlich aber schwach. Den Baptistas ist es seit seiner Geburt wichtig, den Jungen zu fördern. Auch wenn der Vater, der im Straßenbau arbeitet, we- Zeit hat und Tania Baptista derzeit bei der IHK eine Ausbildung zur Schneiderin macht, Zeit für Gabriel muss sein. Dafür fährt die Mutter mit ihrem Sohn bis nach München zu einer Therapeutin ihres Vertrauens.
Diese bringt Gabriel unter anderem Gebärdensprache, frühes Lesen und auch Verhaltensregeln bei. „Für ihn ist es nämlich schwierig, 45 Minuten ruhig an einem Tisch zu sitzen“, erklärt Baptista. Sie sieht zu ihrem Sohn, der sich gerade auf der Wohnzimmercouch auf dem Tablet seiner Mutter einen Film anschaut.
Als Gabriel mit Trisomie 21 auf die Welt kam, meldete sich Tania Baptista sofort bei „einsmehr“an. Der Augsburger Verein hilft Angehörigen von Menschen mit DownSyndrom. Derzeit seien 130 Familien in dem Verein, berichtet Vorsitzende Karin Lange. Unter anderem wird Kontakt zu Therapeuten, Einnig richtungen und Ärzten vermittelt. Eltern, die Kinder mit Trisomie 21 haben, tauschen sich hier untereinander aus, oft entstehen auch Freundschaften. Wie im Fall der Familie Baptista.
Über „einsmehr“hat Gabriel eine Freundin gefunden, ein Mädchen im ähnlichen Alter mit Down-Syndrom. Auch die beiden Mütter verstehen sich gut. Vor einigen Tagen erst hat man gemeinsam mit den Kindern das Deutsche Downliebevoll Sportfestival in Frankfurt am Main besucht, wo sich Gabriel im Weitsprung und Weitwurf messen konnte. „Für sein Sozialleben ist so etwas wahnsinnig wichtig“, sagt Tania Baptista. Wie seine Freundin auch besucht Gabriel inzwischen einen heilpädagogischen Kindergarten. In dem Regelkindergarten zuvor hätten sich die Betreuerinnen angesichts der vielen Kinder nicht ausreichend um die beiden kümmern können, berichtet sie ohne jegliche Kritik. Dabei braucht der Junge viel Aufmerksamkeit.
Auch daheim dreht sich vieles um ihn. „Aber wir sind auch für unsere Mädchen da. Es soll niemand zu kurz kommen.“Der Zusammenhalt der sechsköpfigen Familie, die in einer Mietwohnung in Kriegshaber lebt, ist bemerkenswert. Ohne ihn hätten die Baptistas die Katastrophe vor drei Jahren vielleicht auch nicht so gut gemeistert. Mutter Tania war kurz in einem anderen Zimmer, als es passierte. Gabriel hörte offenbar Kinder draußen spielen. Der Junge kletterte auf die Couch, um aus dem Fenster im ersten Stock zu sehen. Er fiel fünf Meter tief und knallte auf den Betonboden. „Gabriel war zehn Tage im Koma. Wir wussten nicht, ob er überlebt.“Auch in dem Moment war das Down-Syndrom für die Baptistas nicht wichtig. Für sie galt nur, dass der jüngste Spross wieder gesund wird. „Unsere große Tochter hat die Familie nach dem Unfall gemanagt“, erzählt die Mutter. Sie ist stolz auf ihre Kinder, will, dass es ihnen gut geht. Bei Gabriel weiß sie aber, dass er es mit zunehmendem Alter schwerer haben wird. Das merke man bereits jetzt an Kleinigkeiten.
„Er will draußen mit den Kindern spielen, aber die Gleichaltrigen können mit ihm nichts anfangen“, nennt sie ein Beispiel. Für ihren Sohn sei das manchmal hart. „Je älter er wird, desto mehr wird er spüren, dass er anders als die meisten ist.“Deshalb wollen Tania Baptista und ihr Mann für ihren Sohn möglichst vorausschauend planen. Wie etwa, welche Schule für ihn am besten sein wird. „Für mich ist es wichtig, dass Gabriel glücklich ist.“
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Verein einsmehr
Nähere Informatio nen gibt es unter www.einsmehr.org. Kontakt über Karin Lange, Telefon 08233/794079 oder karin.lan ge@einsmehr.org.