Stadt vermietet Wohnung als Schnäppchen
Ein leitender Angestellter soll für etwas mehr als vier Euro pro Quadratmeter in der Maximilianstraße wohnen. Ein Blick auf den Markt zeigt: Von einer solchen Miete könnten die meisten Augsburger nur träumen
Die steigenden Mieten und Immobilienpreise sind für die Augsburger das drängendste Problem. Das ist das Ergebnis einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Umfrage unter den Bürgern im Jahr 2017. Ein leitender städtischer Angestellter hat dieses Problem nicht. Er wohnt in einem Haus in zentraler Lage, direkt in der Maximilianstraße. Die Kaltmiete für seine Altbau-Wohnung soll bei nur etwas über vier Euro pro Quadratmeter liegen. Die Stadträte von Freien Wählern, Linken, ÖDP und Polit-WG kritisieren das als einen „Schleuderpreis“. Was ist dran an diesem Vorwurf?
Ein Immobilienmakler, der auch schon in der Maximilianstraße Wohnungen vermietet hat, bezeichnet gegenüber unserer Redaktion einen Mietpreis von etwas über vier Euro als ein „Mega-Schnäppchen“. Der Fachmann hält es für nahezu unmöglich, auf dem freien Immobilienmarkt in einer vergleichbaren Lage eine solch günstige Wohnung zu bekommen. Der Renovierungszustand der Wohnung spiele da eigentlich keine Rolle. „Auch für eine ältere Wohnung zahle ich deutlich mehr als vier Euro“, sagt er. Der Makler hat im vorigen Jahr in der Maximilianstraße eine AltbauWohnung vermietet – für eine Kaltmiete von 8,50 Euro pro Quadratmeter. Das sei, sagt er, schon im unteren Preissegment gewesen.
Auch ein anderer Vergleich zeigt, dass der leitende städtische Angestellte hier sehr günstig wohnt. Der offizielle Mietspiegel der Stadt für Augsburg liefert einen Anhaltspunkt dafür, wie hoch die durchschnittlichen Mieten sind, die derzeit in Augsburg gezahlt werden. Berücksichtigt werden im Mietspie- gel unter anderem die Ausstattung, Baujahr und Zustand sowie die Lage der Wohnung. Richard Goerlich, der Pressesprecher der Stadt, sprach gegenüber unserer Zeitung von einem „schlechten Bauzustand“. Auf welchem Stand die Wohnung genau ist, ist bisher nicht bekannt geworden. Wenn man aber den schlechtesten möglichen Zustand für die Berechnung annimmt, dann ergibt sich laut Mietspiegel trotzdem noch eine ortsübliche Durchschnittsmiete von 5,29 Euro. Das städtische Liegenschaftsamt kam dennoch in einer Einschätzung zum Ergebnis, dass von einem „marktgerechten Mietzins“ausgegangen werden könne. Beim Rechnungsprüfungsamt der Stadt hat man daran aber offensichtlich Zweifel. Das Amt habe, sagte Stadt-Sprecher Richard Goerlich unserer Redaktion, einen neutralen Gutachter beauftragt, um das noch einmal prüfen zu lassen. Ein Ergebnis liegt bis jetzt noch nicht vor.
Laut AZ-Auskunft bezahlt allerdings nicht nur der städtische Angestellte diesen vergleichbar niedrigen Mietpreis. Auch die anderen Bewohner des Sieben-Parteien-Hauses bezahlen dem Vernehmen nach nur zwischen vier und fünf Euro – je nach Zustand er Wohnungen.
Klar ist indes: Müsste sich der städtische Mitarbeiter im Moment eine Wohnung suchen, hätte er wohl kaum eine Chance, eine Wohnung auch nur annähernd zu diesem Preis zu bekommen. Im Internetportal Immoscout24 wurden am Freitag knapp 120 Angebote für Mietwohnungen im Bereich der Innenstadt aufgelistet. Keines dieser Angebote war günstiger als acht Euro pro Quadratmeter. Die meisten lagen jenseits der neun oder auch zehn Euro. Auch für Oberhausen, einem weniger gefragten Stadtviertel, fand sich in dem Immobilienportal nur eine Wohnung mit einem Quadratmeterpreis von unter acht Euro: Es handelt sich um ein Ein-ZimmerApartment unterm Dach, in der Nähe der Bahnlinie und des Güterverkehrszentrums. Es ist für eine Kaltmiete von 6,45 Euro zu haben. Selbst wer sich bei der städtischen Wohnbaugruppe bewirbt und einen Zuschlag bekommt, kann nicht mit einer Vier-Euro-Miete rechnen. Dabei gehört die Wohnbaugruppe zu den günstigsten Anbietern, weil bei ihr keine Rendite-Interessen im Vordergrund stehen. Auch die günstigeren Wohnungen der Wohnbaugruppe werden derzeit neu tendenziell eher für knapp sechs Euro vermietet. Als Durchschnitts-Kaltmiete gab das kommunale Wohnbauunternehmen zuletzt einen Betrag von 5,45 Euro an.
Die Wohnbaugruppe sichtet auch regelmäßig die Immobilienangebote in Augsburg. Im April lag die durchschnittliche Miete, die in Immobilienanzeigen genannt wurde, bei gut 11,10 Euro. In der Innenstadt ist sie mit rund 11,60 Euro sogar noch etwas höher. Nur bei jeder vierten angebotenen Wohnung lag der Quadratmeterpreis im April unter zehn Euro. Eine Auswertung im vergangenen Jahr zeigte: Nur noch rund zwei Prozent der Mietangebote auf dem freien Markt bewegten sich in einem Preissegment von sieben Euro oder darunter.
Wie viel die Stadt Augsburg aktuell an Miete für die Wohnungen verlangt, die sich im Besitz von städtischen Ämtern befinden, ist unklar. Ein Durchschnittswert lässt sich nicht errechnen, weil diese Wohnungen von den einzelnen Referaten eigenständig verwaltet werden. Eine einheitliche Betreuung der Immobilien und eine Gesamtübersicht über die Wohnungen gibt es den Angaben des Sprechers zufolge bislang nicht.
Angebote liegen im Schnitt bei mehr als elf Euro