So bleibt Augsburg mobil
Wenn der Großraum mittelfristig nicht am Verkehr ersticken soll, muss gehandelt werden. Mit dem Bahnhofs-Umbau und den neuen Tramlinien ist eine Richtung vorgegeben. Doch es muss mehr geschehen
Es ist eine Zahl, die einen schwindelig macht: Rund 20 Kilometer Wegstrecke (Fahrten nach auswärts mitgezählt) legt ein Augsburger im Durchschnitt pro Tag zurück, was bei 295 000 Einwohnern eine Gesamtwegstrecke von etwa sechs Millionen Kilometern ergibt. Um es noch einmal klarzustellen: Es geht dabei um die zurückgelegte Strecke pro Tag. Die Entfernung zum Mond ist mit 384 000 Kilometern da eher überschaubar.
Die Zahl stammt aus der Studie „Mobilität in Deutschland“der TU Dresden, die alle fünf Jahre das Mobilitätsverhalten der Deutschen städteweise auswertet und als verlässlicher Gradmesser gilt. Sechs Millionen Kilometer pro Tag zeigen, was das Verkehrssystem in Augsburg leisten muss – mit steigender Tendenz. Denn sowohl Wegstrecken als auch Weghäufigkeit steigen seit Jahren.
Es ist völlig offensichtlich, dass es im Ballungsraum nicht wie bisher weitergehen kann. Er würde früher oder später am Verkehr ersticken. Gleichzeitig ist auch absehbar, dass zumindest ein Teil des Bevölkerungswachstums der Zukunft in der Region stattfinden wird, weil im Stadtgebiet die Grundstücke für Wohnungsbau fehlen. Es wird also – selbst wenn man Siedlungskonzepte umsetzt, die Wohnen und Arbeitsplatz in Nähe zueinander platzieren – mehr Verkehr geben.
Nur mit Autos ist das nicht zu schaffen. Die Hauptachsen B 17 und B2 sowie die A8 sind heute schon randvoll. Und auch in Augsburg sind die Hauptstraßen gut gefüllt und zu Stoßzeiten überfüllt. Die Zahl der zugelassenen Pkw ist im vergangenen Jahr – trotz der Prognosen vom Niedergang des Autos – in Augsburg wieder einmal um 1,5 Prozent auf jetzt 134 600 gestiegen. Nur über den Einwohnerzuwachs, den es im vergangenen Jahr kaum noch gab, ist das nicht zu erklären.
Es war jetzt an der Zeit, dass die Stadt ein Mobilitätskonzept entwickelt, auch wenn bisher nur Schlagworte bekannt sind, die mit konkreten Planungen gefüllt werden müssen. Der Diesel-Skandal und auch der Protest nach der AVV-Tarifreform haben das Entstehen der Überlegungen beschleunigt, die ohnehin hätten angestellt werden müssen. Die Stadt muss wissen, was sie verkehrspolitisch will, wenn sie mit Angeboten wie einer „FuggerGarage“konfrontiert wird.
Es gibt ein paar Thesen zum Verkehr der Zukunft, die so nicht kommen müssen, die aber Diskussionsansätze sind:
Erstens: Der Verkehr wird künfThema tig „multimodal“. Die Festlegung auf einzelne Verkehrsmittel sinkt, die Nutzer werden flatterhafter. Gleichzeitig gibt es den Trend, Dinge nicht mehr zu besitzen, sondern sie gegen Bezahlung zu benutzen. Das könnte sich dann konkret so äußern, dass man morgens mit der Tram oder dem Carsharing-Auto in die Arbeit fährt und abends entspannt mit dem Leihrad nach Hause radelt und es einen Tag später vielleicht genau andersrum macht.
Zweitens: Der Verkehr muss die Umwelt weniger belasten, wenn Luftreinheit und CO2-Ziele erreicht werden sollen. Das Auto ist das problematischste Verkehrsmittel in diesem Zusammenhang – auch andere Antriebsarten wie Strom lösen das Problem nicht automatisch.
Drittens: Das Auto wird nicht verschwinden, aber sollte sich das „Autonomes Fahren“in einigen Jahrzehnten durchsetzen, stellt das Dinge auf den Kopf. Die Auto-Hersteller werben damit, dass in den Innenstädten keine Parkplätze mehr nötig wären, wenn Autos einen wie ein fahrerloses Taxi ans Ziel bringen und danach den nächsten Fahrgast aufnehmen. Ohne Risiken ist das Thema aber nicht: Vielleicht nutzen künftig dann viel mehr Menschen das Auto. Und speziell zu den Stoßzeiten, wenn alle nur in eine Richtung wollen, drohen viele Leerfahrten.
All diesen Themen wird sich die Stadt stellen müssen, mit Mobilitätsstationen wie sie in HaunstettenSüdwest geplant sind, mit Elektromobilität oder mit einem Konzept zur Digitalisierung des Verkehrs. Die große Linie bei der Verkehrspolitik hat Augsburg schon vor 15 Jahren gefunden, als der Beschluss fiel, neue Tramlinien zu bauen, den Königsplatz zu erneuern und den Hauptbahnhof zu untertunneln. Das Millionenpaket mit dem Namen „Mobilitätsdrehscheibe“war ein Bekenntnis zum Nahverkehr und ist eine Investition in die Zukunft. Und gleichzeitig hat der Freistaat die Regio-S-Bahn massiv verstärkt – ohne die Taktverdichtung wäre die Region heute am Kollabieren. Was noch fehlt, sind zusätzliche Gleise. Und es ist im Übrigen auch nicht so, dass für den Autoverkehr nichts passiert wäre: Die B17 wurde kreuzungsfrei ausgebaut, die große Ostumfahrung AIC25 neu gebaut, die kleine Ostumgehung verbreitert. Das sollten diejenigen, die mit Hinblick auf die zurückgestellten Projekte wie westliche Entlastungsstraße/Nordtangente/MAN-Spange oder auch um die Diskussionen um die Walter-Garage klagen, dass Autofahrer systematisch ins Hintertreffen geraten, nicht vergessen.
Am Schluss noch ein Wort zur „City-Zone“, mit der Augsburg bundesweit in die Schlagzeilen geraten ist. Den Nahverkehr im Kern der Innenstadt ab Mitte/Ende 2019 kostenfrei zu machen, hat mit der offiziellen Begründung, die Luft reinzuhalten, nicht viel zu tun. Eingefleischte Autofahrer interessiert, wie sie in die Innenstadt kommen, nicht wie sie sich innerhalb der City fortbewegen. Es ist gar kein schlechter Marketing-Gag für den Nahverkehr, den sich die Stadtwerke durch die Diesel-Debatte fördern lassen können.
Aber vor allem ist die City-Zone ein Instrument, um Härten aus der Tarifreform zu mildern. Auf einigen Linien entsteht für Fahrgäste mit dem Ziel Innenstadt ein Zustand wie vor der Zusammenlegung der Zonen 10 und 20 und der damit für manche Fahrgäste einhergehenden Verteuerung. Auf anderen nähert man sich diesem Zustand wieder an. Dieser Aspekt ist bei der Beurteilung der City-Zone der entscheidende.